Europas Bahnen kämpfen mit Fachkräftemangel in einer alternden Gesellschaft. Mehr Frauen für die Eisenbahnberufe zu gewinnen ist eine der Gegenstrategien. Ein europäischer Sozialpartnerdialog soll bis nächsten Herbst eine verbindliche Regelung für Gleichstellung und mehr Frauenbeschäftigung schaffen. Das Vorhaben wurde heute von den ÖBB und der Gewerkschaft vida in Wien präsentiert.

Seit 2012 wird jährlich in einer Studie der Anteil der Frauenbeschäftigung bei Bahnen in Europa erhoben. Der „Women in Rail Report“, die bisher einzige geschlechtsspezifische statistische Erhebung im Verkehrssektor, die nun bereits zum sechsten Mal durchgeführt wurde, liefert die Basis für die weiteren Maßnahmen. 28 Eisenbahnunternehmen aus 21 europäischen Ländern haben an der Befragung im Jahr 2018 teilgenommen.

ÖBB Schlusslicht bei Frauenanteil

Beim Frauenbeschäftigungsanteil nehmen die ÖBB mit 12,8 Prozent den letzten Platz im europäischen Vergleich ein. Den höchsten Frauenanteil bei den Bahnbeschäftigten hat Schweden mit 40 Prozent. Im Durchschnitt liegt der Frauenanteil bei den Bahnen bei rund 20 Prozent, was klar unter dem gesamtwirtschaftlichen Frauenanteil bei der Beschäftigung in Europa von 46 Prozent liegt.

Im Bereich des Topmanagements haben die ÖBB hingegen mit 27,3 Prozent Frauen in Führungspositionen einen höheren Anteil als im europäischen Vergleich (22,3 Prozent), im mittleren Management allerdings liegen die ÖBB mit 11,7 Prozent Frauenanteil wieder deutlich zurück. Bei Zugsbegleiterinnen nehmen die Bundesbahnen im europäischen Vergleich wiederum den letzten Platz mit nur 15 Prozent ein, bei den Triebfahrzeugführerinnen sind es überhaupt nur 2,7 Prozent.

Eine Quote soll helfen

Um gegenzusteuern, werde bei Aufnahmen neuer Beschäftigten mittlerweile mit Quoten gearbeitet, sagt ÖBB-Chef Andreas Matthä. Berufe, die früher mit schwerer körperlicher Tätigkeiten im Freien verbunden und rein männlich besetzt waren wie etwa Fahrdienstleiter, hätten sich stark verändert: Fahrdienstleiter sitzen heute in der Zentrale und arbeiten am Computer – „wie Fluglotsinnen“, sagte Matthä.

Frauenministerin Ines Stilling sprach sich für eine verbindliche Quote zur Frauenförderung aus, denn die Quote bringe einen Prozess ins Rollen: „Dann müssten sich die Unternehmen fragen: Wie können wir diese Quotenverpflichtung erfüllen? Welchen Beitrag kann ich für dieses Unternehmensziel leisten? Quoten wirken, weil sie eine notwendige Veränderung im Unternehmen bewirken.“

„Der Eisenbahnsektor in Europa hat ein gewaltiges Diversitätsproblem, Frauen sind noch immer unterrepräsentiert“, kritisierte die SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner. Die europäischen Sozialpartner im Bahnsektor, die Europäische Transportarbeiter-Föderation (ETF) und CER (Vereinigung der Arbeitgeber im europäischen Eisenbahnsektor) haben sich zum Ziel gesetzt, ein Abkommen zur Gleichstellung von Frauen zu verhandeln und den Frauenanteil bei den Bahnen in Europa zu erhöhen. Der Schweizer Eisenbahnergewerkschafter Giorgio Tuti, Präsident des Sektoralen Sozialen Dialogs, hofft auf eine Einigung auf ein verbindliches Abkommen im nächsten Herbst.