Im April 2018 hat der deutsche Pharma-Konzern Merck entschieden, sein Geschäft mit den rezeptfreien Medikamenten für rund 3,4 Milliarden Euro an den US-Konsumgüterriesen Procter & Gamble (P&G) zu verkaufen. Ein Jahr später firmiert jetzt das Werk in Spittal offiziell unter P&G Health Austria GmbH & Co. OG. Was hat sich für die rund 400 Mitarbeiter am Standort geändert?
KLAUS RAUNEGGER: Das Logo am Werkstor ist ein anderes, es wird wesentlich mehr Englisch gesprochen, und wir bekommen sehr viel Besuch aus Cincinnati, wo sich die Konzernzentrale von P&G befindet. Die unmittelbaren Vorgesetzten, auch meine, sind aber die gleichen geblieben.
LARS ATORF: P&G hat die gesamten rund 3300 Mitarbeiter der Sparte von Merck übernommen. Es gibt umfassende Garantien.
Die Firmenkultur eines deutschen Konzerns und die eines US-amerikanischen unterscheiden sich aber doch deutlich voneinander. Gab es auch Ängste?

Klaus Raunegger war bereits seit Jahren erfolgreich als Geschäftsführer von Merck in Spittal tätig. Jetzt lenkt er die Geschicke des Werkes für P&G
Klaus Raunegger war bereits seit Jahren erfolgreich als Geschäftsführer von Merck in Spittal tätig. Jetzt lenkt er die Geschicke des Werkes für P&G © RIE-PRESS


RAUNEGGER: Unsicherheiten gab es natürlich generell, nachdem wir erfahren hatten, dass die Sparte verkauft wird. Als wir aber gehört haben, dass der neue Eigentümer P&G sein wird, haben wir aufgeatmet. Das Unternehmen hat eine lange Firmengeschichte und ist bekannt dafür, nicht wie ein typisch US-amerikanischer Konzern zu agieren. Die Hire and fire-Kultur gibt es bei P&G nicht.


Pharma-Produkte sind für P&G ein völlig neuer Geschäftszweig. Warum hat man sich im Konzern für diese Akquisition entschieden?
ATORF: P&G hat sich von einem Joint Venture getrennt, das aus diversen Gründen nicht fortgesetzt wurde. Auf der Suche nach einer Alternative hat man sich für den Kauf der Consumer Health Sparte von Merck entschieden. Es musste ein Unternehmen sein, das zum eigenen Geschäft passt, im Bereich der Forschung erfolgreich ist, und über umfassende technische Fähigkeiten verfügt. Merck entspricht dieser Wunschvorstellung.

Welche Rolle spielt der Standort Spittal für P&G?
ATORF: Das Multivitamingeschäft ist ein wichtiger Baustein. Und da hatte das Werk in Spittal auch bisher schon eine zentrale Bedeutung. Diese wird sich in den kommenden Jahren noch weiter steigern. Das Produktportfolio wird noch breiter aufgestellt werden.
RAUNEGGER: Wir sind die einzige Tablettenfabrik weltweit bei P&G. Und es werden künftig Produkte in Spittal produziert werden, deren Produktion bisher bei P&G an andere Partner ausgelagert war. Wir erzeugen hier außerdem die Kernprodukte der Sparte, wie Femibion, Neurobion und Bion 3. Im laufenden Jahr ist geplant, noch 50 Mitarbeiter aufzunehmen.


Das heißt, die Produktpalette wird erweitert?
RAUNEGGER: Davon kann man ausgehen. Wir investieren auch gerade in eine neue Kapselmaschine, die es uns ermöglicht, Hartgelatinekapseln zu erzeugen – etwas ganz Neues. Und es gibt auch große Investitionen in den Bereich der Arzneimittelsicherheit, die ja in Bezug auf Fälschungen eine immer größere Rolle spielt.

In Spittal gibt es seit dem Vorjahr eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Welche Produkte werden in nächster Zeit auf den Markt kommen?
RAUNEGGER: Entwickelt wurde auch vorher schon, es gibt jetzt nur mehr Platz. Der Fokus ist aber der gleiche geblieben: Wir entwickeln die Marken mit neuen Produkten weiter, die in den kommenden Monaten auf den Markt kommen werden. Aktuell laufen mehrere Projekte. Besetzt ist die Forschungsabteilung sehr international. Die zehn Mitarbeiter dort kommen aus sieben verschiedenen Nationen.


Wann wird der Name Merck von den Verpackungen verschwinden?
RAUNEGGER: Das wird sukzessive im nächsten halben Jahr passieren. Wie genau das neue Design der Verpackungen aussehen wird, steht aber noch nicht ganz konkret fest.

Die Exportquote liegt bei der Consumer Health Sparte von P&G bereits bei 90 Prozent. Gibt es auch neue Märkte, die ins Auge gefasst werden bzw. wird der US-Markt, der bisher nicht auf der Exportliste steht, künftig ein Thema sein?
ATORF: Wir sind zum Beispiel in Deutschland, Frankreich, England und Österreich gut aufgestellt, aber in Italien mit den bisherigen Merck-Produkten noch gar nicht präsent, während Vicks von P&G hier schon seit vielen Jahren auf dem Markt ist. Da ergeben sich für einen derart großen Markt viele neue Möglichkeiten. Es muss aber auch alles gut durchdacht sein. In den USA, in denen die bisherigen Merck-Produkte auch nicht auf dem Markt sind, hätten wir natürlich durch P&G eine bestehende Infrastruktur, und es ist ein Markt mit enormen Wachstumschancen.

Merck hat noch zum Schluss rund 8,7 Millionen Euro in den Standort Spittal investiert. Wie sieht es mit künftigen Investitionen aus?
RAUNEGGER: Es gibt noch kein genaues Budget. Aber sie werden sich auch in Zukunft in der Größenordnung abspielen. Es gibt einen langfristigen Masterplan von P&G für den Standort.