Über 33.500 Arbeitslose, rund 60.000 in Kurzarbeit: Kärnten fast Corona-frei, die Wirtschaft aber schwer infiziert.
JÜRGEN MANDL: Die Diagnose trifft zu. Diese Dimension der Betroffenheit haben wir seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gesehen. Es zeigt, wie wesentlich die Wirtschaft ist und wie wichtig es ist, alles in Gang bringen.

Mussten in Kärnten Gastronomie und Tourismus zu lange auf den Restart warten?
Das ist nicht einfach zu beantworten. Angesichts der Kärntner Daten ist es für Unternehmer immer zu spät und jeder Tag Warten ein verlorener Tag.

Viele Hilfen sind bei Unternhmern noch gar nicht angekommen oder hängen bei Banken. Warum spießt es sich so bei den Hilfen?
Das Prinzip der Hilfen - von den Härtefällen ausgehen und von klein bis groß - war richtig. Aber jetzt steckt es in der Bürokratie. Die versprochenen Hilfen müssen jetzt ankommen, damit man liquid ist, das Geschäft weiter zu betreiben.

Den Härtefallfonds haben aber die Wirtschaftskammern verteilt - mit schmerzhaften Pannen. Neben EPU und Kleinstunternehmen fielen viele durch.
Der Härtefallfonds war binnen vier, fünf Tagen abgewickelt, in Kärnten erhielten rund 10.000 Unternehmerinnen und Unternehmer das Geld. In der Phase 2 sah man, dass Antragsteller nicht zum Zug kamen. Das ist ungerecht und es kam auch zu Verzögerungen, aber jetzt sind auch hier über 5000 Anträge ausgezahlt, da sind schon 14 Millionen Euro Unterstützung angekommen.

Den Notfallfonds musste der Finanzminister schon umstellen und Kostenersatz jetzt erstatten und nicht erst 2021. Hat die Regierung keine Ahnung von Wirtschaft?
Zwischen Ankündigung und Realität klafft bei den Hilfen eine Lücke. Für mich war klar, dass es sofort Akontozahlungen geben muss, und zwar für mehr als die Hälfte der Kosten. Das muss sofort ankommen!

Stau bei Überbrückungskrediten

Überbrückungskredite stocken reihenweise bei den Banken, weil denen Staatsgarantien selbst bis 80, 90, 95 Prozent nicht genügen. Sogar bei 100-Prozent-Haftung bis 200.00 Euro zögern Banken.
Ich sage ganz deutlich: Banken und Republik sitzen in einem Boot, Liquidität muss schnellstens fließen. Das sind lauter rückzahlbare Kredite, das muss unkompliziert funktionieren! Jetzt sind Geschwindigkeit und Treffgenauigkeit angesagt.

Das größte Hilfsinstrument ist die Kurzarbeit, soll es die auch länger als sechs Monate geben?
Dies Möglichkeit muss vorhanden sein, weil es für viele Unternehmen eine Chance gibt, Mitarbeiter zu halten und eine Grundauslastung zu halten.

Die Gastronomie hat geöffnet, mit einem Hilfspaket, dessen teilweise temporäre Steuernachlässe viele als Frotzelei sahen. Sind auch Auflagen zu umständlich?
Bis auf die Theke sind die Auflagen für die Gastronomie praktikabel. Für die Hotels haben auch Kärntner Unternehmer mitgearbeitet, um akzeptable Lösungen zu bekommen. Aber für alle muss das Hilfsgeld für die Fixkosten fließen.

Für Kärntens Export und Tourismus sind offene Grenzen wichtig. Wann ist sie nach Deutschland auch zu Italien offen?
In diese Glaskugel zu schauen ist schwierig. Die Reisefreiheit mit Deutschland am Mitte Juni ist ein sehr positives Signal, nicht nur für den Tourismus, sondern auch geschäftlich. Deutschland ist unser größtres Exportland.

Pleitewelle kann passieren

Derzeit ruht das Konkursgericht, Gesundheitskasse und Finanzamt stellen bis Ende Juni keine Insolvenzanträge. Folgt aber danach eine massive Pleitewelle?
Das kann uns passieren, aber es hängt davon ab, wie jetzt Gastronomie, Tourismus und bis September auch der Handel funktionieren.

Beim Handel gab es große Ungerechtigkeiten. Lebensmittelkonzerne durften alles, Kleine nichts. Warum ist die Kammer nicht energisch eingeschritten?
Man hat verhandelt, aber nicht alle Teilnehmer am Markt hatten Einsicht für Rücksicht als alle. Ich war immer für Kriterien für alle, nicht nach Größen.

Der Bau arbeitet, weil Aufträge noch da sind. Wird 2021 härter?
Die Sozialpartnereinigung, dass der Bau nicht heruntergefahren wird, war wesentlich. Es ist wichtig, alle Projekte in der Pipeline zu forcieren. Das muss alles so schnell wie möglich genehmigt werden.

Wie überleben Startups?
Seit einem Monat schaue ich in Brüssel, welche EU-Töpfe genutzt werden können - und zwar für alle Unternehmen.

Wer wird die 38 Milliarden Euro Staatshilfe am Ende zahlen?
Das kann nur der Steuerzahler sein, aber das geht nur mit intakter Wirtschaft, mit starken Unternehmen. Die darf man nicht mit neuen Steuern malträtieren.

100 Millionen aus Kammer-Rücklagen

Die Wirtschaftskammer versprach Hilfen aus ihren hohen Rücklagen, wo bleiben die?
Wir arbeiten an den Kriterien, österreichweit werden mehr als 100 Millionen aufgebracht, von uns in Kärnten drei Millionen.

Noch vor Corona siegte der ÖVP-Wirtschaftsbund mit 77 Prozent bei der Kärntner Kammerwahl. Welcher Auftrag, wenn das Wirtschaftsparlament Sie zum zweiten Mal zum Präsidenten kürt?
Das Ergebnis wird von der jetzigen Situation überschattet. Die Lehre aus den Verwerfungen ist maximale Stärkung für die Unternehmen. Das ist der einzige Abwehrmechanismus. Auftrag ist, dies und alle Themen für den Wirtschaftsstandort wie die Digitalisierung umzusetzen.

Kontinuität im Präsidium

Mit 77,3 Prozent der Stimmen (einschließlich Gemeinschaftslisten) erzielte Jürgen Mandl mit dem ÖVP-Wirtschaftsbund bei der Wirtschaftskammerwahl im März ein Rekordergebnis (plus 13,37 Prozent). Am Dienstag wird Mandl im Wirtschaftsparlament als Präsident wiedergewählt, ebenso die Vizepräsidenten Carmen Goby und Otmar Petschnig (beide WB), sowie Alfred Trey (SWV) und Günter Burger (RFW).

Zur Person

Jürgen Mandl (55) ist geschäftsführender Gesellschafter der Otto Mandl GesmbH, die weltweit mit Maschinen für Bäckereien und Konditoreien handelt und in Klagenfurt elf Mitarbeiter beschäftigt. Er ist Obmann des ÖVP-Wirtschaftsbundes in Kärnten und wurde 2015 erstmals zum Kärntner Wirtschaftskammerpräsidenten gewählt.