Langatmig verlaufen an Tagen wie diesen die Gespräche mit Grazer Taxifahrern. Zu­mindest, wenn die ­Frage gestellt wird, was denn ­eigentlich andere Fahrgäste so ­interessiere, über welche Themen sie sich mit den Lenkern unterhalten würden. Sehr oft folgt dann die Antwort: „Über Politik redet im Moment fast niemand, alle stellen aber viele Fragen zum Elektro-Auto.“ Diskutiert wird dann meist über Reichweite, Beschleunigung, ­Ladestationen oder den An­schaffungspreis einzelner Modelle.
Während das Interesse an alternativen Antrieben also rasant zunimmt, ist die elektrische Aufbruchstimmung im Land statistisch noch wenig abgebildet. Auch wenn die Zulassungszahlen relativ betrachtet beachtlich zunehmen, halten sie sich absolut in Grenzen. Insgesamt sollen in der Steiermark zurzeit immerhin knapp 2000 elektrisch betriebene Autos fahren, österreichweit waren im vergangenen Jahr 1,2 Prozent der österreichweiten Neuzulassungen E-Pkw. China kennt da freilich numerisch andere Dimensionen. Schon jetzt ist dort die Hälfte aller weltweiten E-Vehikel unterwegs, allein im Vorjahr wurden mehr als 500.000 Elektro- und Plug-in-Fahrzeuge verkauft – um die Hälfte mehr als 2015. Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht, von Jänner bis August des heurigen Jahres wurden weitere 320.000 E-Fahrzeuge zugelassen.

Um perspektivisch eines draufzusetzen, hat sich China zudem dafür entschieden, eine E-­Auto-Quote einzuführen. Was bedeutet, dass der Markt in den kommenden Jahren noch zusehends unter Strom gesetzt wird. Von 2019 an müssen Autobauer bestimmte Voraussetzungen in einem Punktesystem erfüllen. Am meisten Punkte bekommen die Hersteller für Bau und Verkauf von reinen Elektroautos gutgeschrieben, weniger Punkte gibt es für Hybridmotoren. Schafft ein Hersteller die Vorgaben nicht – grosso modo spricht man von zehn Prozent Elektroautos ab 2019 und zwölf Prozent ab 2020 – muss er entweder „Gutpunkte“ von anderen Produzenten kaufen oder Strafe zahlen.
Ursprünglich hätte die Quote schon nächstes Jahr eingeführt werden sollen, erst intensive Verhandlungen der chinesischen Regierung mit dem offiziellen Deutschland hatten zu einer, zumindest zeitlichen, Entschärfung geführt. Vor allem Volkswagen soll sich dem Vernehmen nach besonders verärgert über das chinesische Tempo gezeigt haben. Wenig verwunderlich, fanden sich in den vier Millionen Fahrzeugen, die VW im vergangenen Jahr auf seinem wichtigsten Einzelmarkt verkaufte, kaum Elektromotoren.
Was dieser Elektro-Exkurs gen Osten jetzt aber alles mit steirischer Unternehmerlandschaft zu tun hat? Nun ja, sehr viel. Die sich abzeichnende Umwälzung hat nicht nur direkte Auswirkungen auf die breit gefächerte Zulieferindustrie des Landes, sie tut auch viele neue Perspektiven auf.

Fotovoltaik-Kraftwerk für den  Balkon: Das Trio E2T mit Stephan Weinberger, Christoph Grimmer und Florian Gebetsroither entwickelte das Projekt
Fotovoltaik-Kraftwerk für den Balkon: Das Trio E2T mit Stephan Weinberger, Christoph Grimmer und Florian Gebetsroither entwickelte das Projekt © easlink, E2t

Von diesen will etwa das Grazer Start-up easelink profitieren, das eine spezielle, hochinnovative Ladetechnik für Elektroautos entwickelt. „Matrix Charging“ nennt sich die Technologie, mit der das Jungunternehmen nach zweieinhalb Jahren Arbeit im Geheimen erst im September an die Öffentlichkeit ging. 50 Personen tüfteln heute an der Ent- und Weiterentwicklung, jüngst präsentierte das Hightech-Unternehmen die kabellose Ladetechnologie auf der asiatischen Guangzhou-Automotive-Show. Mit fast 700.000 Besuchern eine der größten asiatischen Fachmessen – und dieses Jahr mit rund 146 Elek­tro- und Plug-in-Fahrzeugen so elektrisch wie noch nie.

Im Osten Chinas ließen easelink-Boss Hermann Stockinger & Co. auch gleich mit einem prominenten Kunden aufhorchen: SUV-Bauer Wey setzt in einem seiner aktuellsten Konzeptfahrzeuge auf die steirische Ladetechnologie. Für easelink ein großer Erfolg, der weitere Türen aufstoßen soll. Die Chancen stehen nicht schlecht, steckt hinter Wey doch mit Great Wall Motors überhaupt einer von Chinas größten Autobauern.
Wie der easelink-Lade­vorgang im Detail aussieht? Ein sich aus dem Unterboden des Fahrzeuges absenkender Konnektor dockt vollautomatisch an eine 60 x 60 Zentimeter große und vier Zentimeter hohe Platte an, die sich am Parkplatz befindet. „Eine Ma­trix aus sechseckigen, metallischen Kontaktflächen sorgt flexibel – unabhängig von ­genauem Parkpunkt und ­Ausrichtung des Fahrzeugs – für die Verbindung zwischen Konnektor und Pad“, erklärt Hermann Stockinger.
Zudem seien „Pad und ­Konnektor im Vergleich zu bestehenden und absehbaren Ladelösungen um ein Viel­faches günstiger – und damit massentauglich“, wie Wey-­Markenchef Jens Steingräber bei der Präsentation des ­Konzeptfahrzeugs betont.
Bei Wechselstrom wird mit bis zu 22 kW aufgeladen, bei Gleichstrom mit bis zu 43 kW, die Ladedauer soll jener von Kabellösungen sehr ähnlich sein. Die Leistung wird konduktiv übertragen, die Effizienz liegt laut easelink bei 90 Prozent. Vision der Gründer: Voll autonom fahrende Autos können in der Zukunft dank easelink-Technologie auch selbstständig Strom laden.
Was durchwegs kurios ist, aber wohl auch den Zeitgeist der interessanten Idee un­terstreicht: Dem konduktiven Laden, wenn auch mit einem leicht abweichenden System, hat sich ein weiteres Grazer Start-up, nämlich NRG-X („Energy Exchange“), verschrieben.

Und auch das Team rund um Gründer Christian Flechl konnte auf Kundenseite bereits Erfolge feiern, schon 2019 sollen gemeinsam mit führenden Premium-Herstellern erste Produkte auf den Markt gebracht werden.
Freilich: Kabelloses Laden beschäftigt die Großen der europäischen Branche wie BMW, Daimler oder Audi seit Längerem. Diese vertrauten bisher aber in erster Linie induktiven Ladesystemen, wo Energie über ein magnetisches Wechselfeld übertragen wird. Weil der Wirkungsgrad aber bei dieser Technologie als deutlich geringer gilt und sie kaum Parktoleranz bietet, sehen die Grazer Jungunternehmer für ihre Idee besonders große Chancen.
Eine der großen Herausforderungen freilich bleibt, ob es gelingt, neben den Autobauern auch Energieanbieter an Bord zu holen. Zudem ist noch offen, wer die Lade-Pads wann und wo flächendeckend verbaut.

Steckdosenstromspeicher: Einen Schritt weiter scheint diesbezüglich ein anderes steirisches Jungunternehmen, das sich einer weiteren besonders zukunftsträchtigen Elektro-Technologie verschrieben hat: dem Fotovoltaik-Kraftwerk für den eigenen Balkon (wir berichteten bereits exklusiv).
Wenngleich die wirkliche Innovation von Energy Efficient Technology (E2T) gar nicht die Sonnenstrahlen auf­saugt, sondern deren Energie speichert und sie gezielt in den eigenen Haushalt einpflegt. „SolMate“ nennt sich der Speicher und wichtigste Teil des Kraftwerks, „Net Detection“ die patentierte Mess­technologie. Eine einzelne Steckdose reicht dem Produkt der ehemaligen TU-Mitarbeiter Stephan Weinberger, Christoph Grimmer und Florian Gebetsroither dadurch aus, um die gerade verwendete Haushaltsenergie zu messen. Die so erhobene Menge ist es wiederum, die direkt ins Haushaltsnetz eingespeist wird.
Der Rest wird gespeichert. Der Steckdosenspeicher fasst eine Kilowattstunde, reicht also nach dem Verschwinden der Sonne für „100 Stunden Licht, zehn Stunden Fernsehen oder eine Stunde Kochen aus“, wie Christoph Grimmer erzählt. Wie groß das Interesse an der Technologie ist, zeigt auch ein wahrer Preisregen, der auf die jungen Grazer niederprasselt.

Noch bevor das Produkt heuer überhaupt auf den Markt kommt – der Kostenpunkt wird wohl bei circa 2500 Euro liegen –, konnte E2T etwa Ende Oktober den Wissenschaftspreis von TÜV Austria gewinnen.
Das „Plug and Play“-Kraftwerk überzeugte die Jury auch deshalb, weil Haushalte damit „bis zu 25 Prozent ihres Strombedarfs selbst erzeugen könnten“. Erst vor ein paar Tagen schließlich setzten sich die Grazer auch bei Greenstart, einem Start-up-Wettbewerb des Österreichischen Klima- und Energiefonds, durch. Ausgezeichnet wurde das besonders „CO2-sparende Geschäftsmodell“, wie erklärt wurde.
Ob sich die elektrifizierten Ideen der findigen Jungunternehmer, egal ob von E2T, ­easelink oder NRG-X, wirklich durchsetzen und Tausende Kunden begeistern, wird sich freilich erst in Zukunft zeigen müssen. Dass Österreich und die Steiermark aber zu­mindest nahrhafter Boden für neue, nachhaltige Geschäftsideen sind, haben die Start-ups schon jetzt verdeutlicht.