Die Menschen werden weltweit seit Jahresbeginn 2020 mit Corona von einer Pandemie ungeheuren Ausmaßes gequält. 175 Millionen Menschen sind daran erkrankt und 3,7 Millionen Menschen gestorben. Abgesehen von dem Leid für die Betroffenen, gesellt sich als Folge der lange währenden Lockdowns eine veritable Wirtschafts- und Schuldenkrise, deren Auswirkungen wir noch lange zu spüren haben werden. Ganze Volkswirtschaften wurden monatelang stillgelegt. Die weltweite Mobilität wurde fast vollständig heruntergefahren und es wird noch einige Zeit dauern, bis wir uns so frei bewegen können wie noch in den Jahren zuvor.

Ob und wie schwer die noch auf uns zukommenden Folgeschäden langfristig sein werden, ist nur schwer einzuschätzen und diese Frage begleitet uns als die große Unbekannte in den nächsten Jahren. Erfreulich in dieser tristen Zeit war, dass die Industrie in Österreich und insbesondere in der Steiermark (natürlich auch mit Corona-bedingten Einschränkungen) ihre Produktion aufrechterhalten vermochte und somit der Schaden in Grenzen gehalten werden konnte. Der produzierende Sektor ist am besten Wege, das Niveau vor Corona wieder zu erreichen. Wie ist das überhaupt möglich, wenn so viele von dieser Pandemie betroffen sind und die schlechten Nachrichten kaum abreißen?

Globale Anbindung ist unabdingbar notwendig

Hauptverantwortlich dafür ist die mehrheitlich globale Ausrichtung unserer Unternehmen, die weltweite Vernetzung und natürlich die Nachfrage nach deren hervorragenden Produkten. Während beispielsweise in Europa mehr oder weniger strenge Lockdowns die Produktionen stark behinderten, wurde in Asien, vor allem in China, bereits wieder auf hohem Niveau produziert. Als einziges Land der G20 hatte China auch im Jahr 2020 wieder ein Wirtschaftswachstum von +2,3 Prozent und aktuell im 1.Quartal 2021 unglaubliche 18,3 Prozent. Die österreichische Industrie ist außerordentlich stark vom Weltmarkt abhängig (auch indirekt durch Einbindung in deutsche Lieferketten). Wer die Zahlen kennt weiß, dass – entgegen allen während der Pandemie so beliebten Diskussionen über die Rückbesinnung auf die lokalen Märkte – die globale Anbindung der österreichischen Industrie für den Wohlstand im Land unabdingbar notwendig ist.

Andererseits ist die Corona-Pandemie in vielerlei Hinsicht zweifellos eine Zäsur. Sie zeigte die Anfälligkeit und Schwächen unserer Gesellschaften und Volkswirtschaften auf dramatische Weise auf. Der globale Warenaustausch erwies sich als gleichermaßen notwendig wie krisenanfällig. Es war nicht angenehm zu spüren, was es bedeutet, wenn die Lieferketten aus verschiedenen Gründen beeinträchtigt sind oder gar nicht funktionieren.

Im System vor Corona organisierten freie Märkte komplexe Produktionsschritte, verteilten diese auf verschiedene Akteure in aller Welt, nutzten dabei die nationale Arbeitsteilung und schufen damit just-in-time eine optimale Güterversorgung zu günstigen Preisen. Corona hat diesen Optimalzustand unterbrochen und legte ganze Wertschöpfungsketten still. Containerraum und Rohstoffe sind seither knapp, was zu langen Lieferzeiten und steigenden Preisen führt. Eine Situation, an die wir nicht mehr gewöhnt waren. Aber ist das Anlass genug, um der globalen Wirtschaft sozusagen die Stopptafel hinzuhalten und das Heil in neuer Binnenwirtschaft zu suchen?

Berechtigt ist es hingegen zu fragen, wie man Wertschöpfungsketten widerstandsfähiger gegen solche Schocks machen kann. Unternehmen sind zunehmend gefordert, Liefer-Risken und Versorgungssicherheit neu zu bewerten. Nicht nur die aktuelle Corona-Pandemie allein bedroht unsere Wirtschaft, sondern auch zunehmend Naturkatastrophen oder politische Entwicklungen, die zu größeren Handelsstreitigkeiten führen, wie zuletzt am Beispiel China und USA bestens abzulesen. Neue kreative Formen des Wirtschaftens sind gefragt, die es Unternehmen ermöglichen, diese Risken unter Aufrechterhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu minimieren.

Als Alternative könnten Firmen künftig verstärkt Überlegungen anstrengen, ob eine verstärkte Lagerhaltung von kritischen Vorprodukten der reinen „Just-in-time Produktion“ vorzuziehen ist, selbst wenn dies mehr Kapital bindet. Aktuell niedrige Kapitalkosten und ein hoher Automatisierungsgrad würden eine solche Strategie stützen. Der Schaden eventueller Lieferausfälle müsste den höheren Kosten entgegengestellt werden. Ein effizienteres Risikomanagement muss auch eine verstärkte Diversifizierung der Lieferketten und den Rückgriff auf mehrere potenzielle Zulieferer beinhalten.

Neue Formen der Dienstleistungserbringung boomen

Die während der Pandemie intensiv vorangetriebene Digitalisierung lässt neue Formen der Dienstleistungserbringung boomen und das wird auch nach der Pandemie so weitergehen. Physische Präsenz scheint immer weniger wichtig (auch wenn sie niemals vollständig und gleichwertig wird ersetzt werden können). Der Ökonom Richard Baldwin bezeichnet das als „Tele – Migration“, wenn Beschäftigung und Arbeitsmigration voneinander entkoppelt werden und eine neue Form der Arbeit entsteht, die es Arbeitnehmer/-innen ermöglicht, in einem  Land zu sitzen und in virtuellen Büros eines anderen zu arbeiten. In der Krise notwendigerweise eingeübte soziale Praktiken, die sich bewährt haben, werden weiter bestehen. So wird es vermutlich mehr Videokonferenzen und weniger geschäftliche Reisebewegungen geben. Der Einzelhandel vor Ort wird sich neu erfinden müssen, um gegen Amazon und Co. bestehen zu können. Viele andere werden auf der Strecke bleiben, aber Neues wird entstehen, wie es immer in der Vergangenheit schon war.

Beim vorschnellen Ausrufen des Endes der Globalisierung ist deshalb Vorsicht angebracht. Es ist kaum wahrscheinlich, dass unsere Unternehmen in großem Ausmaß ihre ausländischen Produktionsstätten abbauen werden. Die SARS-Cov-2 Pandemie hat viel mit uns Menschen getan, physisch und psychisch, aber die Globalisierung wird notwendigerweise bestehen bleiben, weil es für die Erhaltung unseres Wohlstands noch keine Alternativen gibt.