Das ist eine kalte Dusche in einem heißen Herbst: Die Konjunkturforscher müssen ihre Prognosen vom Sommer völlig über den Haufen werfen und einräumen, dass Österreich schon viel länger in der Rezession steckt, als alle Experten geglaubt hatten. Dass die Wirtschaft abgesehen von wenigen Branchen nicht gerade brummt, war immer klar. Auch dass die Industrie in einer Rezession steckt, also die Geschäfte zurückgehen.

Jetzt wird Österreichs Wirtschaft aber sogar insgesamt einknicken, das ist neu. Wie auch die Größenordnung der Korrektur bemerkenswert ist: Zwischen 0,4 und 0,8 Prozent dürfte das Bruttoinlandsprodukt schrumpfen, wobei das Wifo pessimistischer ist. Die Korrekturen bewegen sich damit um einen ganzen Prozentpunkt, konkret 0,9 beziehungsweise 1,1 Prozentpunkte, nach unten – das ist viel.

"Keine brutale Krise"

Das sei jetzt aber keine brutale Krise, betonen Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Chef Holger Bonin bei der Präsentation der Herbstprognose. Beide verweisen zudem auf den besseren Ausblick. Für 2024 sehen die Ökonomen ein leichtes Wachstum von bis zu 1,2 Prozent, die Inflation soll dann auf rund vier Prozent sinken.

"Rezession in den letzten Zügen"

"Konjunkturell ist das Jahr 2023 zum Vergessen", sagt Felbermayr. Das habe eigentlich schon Ende 2022 begonnen, "jetzt liegt die Rezession in den letzten Zügen". Holger Bonin – er ist seit Juli IHS-Direktor – war ebenfalls um Beruhigung bemüht: "Das Schlimmste hat Österreich bereits hinter sich."

"Keinen Bedarf für ein Konjunkturprogramm"

Das Institut für Höhere Studien (IHS) sieht deshalb keinen Bedarf für ein Konjunkturprogramm, es unterstützt aber die Wifo-Forderung, die Bauwirtschaft nicht völlig einbrechen zu lassen. In Zeiten des Booms hatte der Bau stark zur Teuerung beigetragen. Das dürfe nicht wieder angeheizt werden, mahnt Bonin.

"Bei Sanierung auf die Tube drücken"

Felbermayr ist da weit forscher: "Die konjunkturelle Lage und die drohende Zielverfehlung bei den CO₂-Emissionen sollten Anlass dazu geben, bei der energetischen Gebäudesanierung auf die Tube zu drücken." Konkret fordert er steuerliche Anreize, das Vorziehen von Sanierungen in der Bundesimmobiliengesellschaft, die Unterstützung der Wohnbaugenossenschaften und die Verabschiedung des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes. Es brauche ein Programm, denn verliere der Sektor zehn bis 15 Prozent seiner Arbeitskräfte, kämen die wahrscheinlich nicht mehr zurück.

"Am Arbeitsmarkt schlägt Konjunkturdelle nicht durch"

Mitarbeiter zu halten – im Englischen heißt der Begriff dafür sogar Arbeitskräfte-Horten –, ist in vielen Unternehmen ein Thema, am Arbeitsmarkt schlägt die Konjunkturdelle also noch nicht stark durch. "Eine Sorge, die man haben kann, ist, dass dieses Arbeitskräfte-Horten bricht. Das könnte sich sehr ruckartig ereignen, das ist für 2024 ein hohes Risiko", warnt Felbermayr.

Industrie: Nur "Nullwachstum" 2024

Die Industrie muss anders als vom Privatkonsum getriebene Branchen noch länger auf die durchgreifende Erholung warten. Den Ökonomen zufolge stagniert die Industrie, sie könne 2024 nur mit einem "Nullwachstum" rechnen. Der Blick auf die aktuell laufenden und als ausgesprochen wichtig angesehenen Lohnverhandlungen der metalltechnischen Industrie ist seitens der Wirtschaftsforscher eher bang. Bei Lohnerhöhungen von zehn, elf Prozent ist für Felbermayr "klar, dass das ein massiver Schluck aus der Pulle ist". Für die Wettbewerbsfähigkeit sei das schlecht. Denn die sei ohnedies seit Jahren im leichten Abwärtstrend.

Zeitlich begrenztes Ausscheren aus Kollektivvertrag?

Bonin macht sich für eine Öffnungsklausel stark. Die könnte Betrieben, denen es schlecht geht, ein zeitlich begrenztes Ausscheren aus dem Kollektivvertrag ermöglichen. Dem hält der Wifo-Chef entgegen, dass Strukturwandel nicht behindert werden dürfe. Darauf Bonin: "Ja, aber bitte über die Jobmobilität der Menschen, nicht über Arbeitslosigkeit."

Einen größeren Strukturwandel erwartet auch Bonin durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) ausgehend von den USA. Europa müsse aber wenigstens bei den Anwendungen vorne dabei sein. Bonin: "Über solche Dinge sollten wir mehr diskutieren als über diese Wachstumsdelle."