Sie lernten Tischler. Warum wurden Sie denn dem feinen Handwerk untreu?
MEINRAD SPENGER: Ich bin nicht untreu geworden. In meinem Büro gibt es noch viel Holz, das ist außergewöhnlich in Spanien. Aber ja, wir hatten im Gymnasium die Chance, ein Handwerk parallel zu erlernen. Ich entschied mich für die Tischlerei – vier Jahre gelernt und keinen Finger abgeschnitten. Zu Hause in Seckau stehen noch viele Möbel von mir.

Nach dem Jusstudium in Graz und einem MBA-Programm in Madrid arbeiteten Sie fünf Jahre als Berater bei McKinsey in Österreich. 2006 entschieden Sie dann, in Spanien Másmóvil zu gründen. Was trieb Sie an?
Spanien war der teuerste Mobilfunkmarkt Europas und die Spanier zugleich die unzufriedensten Kunden. Mit einem fairen Preis und einer guten Servicequalität wollten wir ein paar Hunderttausend Kunden gewinnen. In Österreich gab es mit Yesss ja ein ähnliches Modell, das Erfolge einfuhr. Der Geschäftsführer, Josef Mayer, war übrigens auch Seckauer. Und ich dachte mir: Wenn das in Österreich Erfolg haben kann, funktioniert es auch in Spanien.

Ein Trugschluss, wie es anfangs schien. Die Konkurrenz ließ Sie nicht in ihre Netze rein.
Mehr als 100 Unternehmen wollten damals in den Markt, nachdem die spanische Regulierungsbehörde gesagt hat, drei Anbieter seien zu wenige. In der Theorie war das eine Verpflichtung, in der Praxis wehrten sich die etablierten Anbieter stark. Wir haben zwei Jahre lang Powerpoint gemacht, weil wir ohne Netz kein Service anbieten konnten. Es war schwierig. Mein Mitgründer und ich hatten keine allzu hohen Ersparnisse und zwei Jahre lang kein Gehalt. Wir teilten die Wohnung, haben Pasta und Pesto gegessen und die Eltern um einen Kredit gebeten. Aber nach diesen zwei Jahren schafften wir es als erstes Start-up auf den Markt – und 80 Prozent derjenigen, die zwei Jahre zuvor auch starten wollten, gab es nicht mehr.

Hatten Sie nie Sorge, im Duell mit Größen wie Vodafone, Orange oder Telefónica unterzugehen?
Freilich. Alle sprachen immer von David gegen Goliath. Ein Start-up im Kampf mit multinationalen Giganten. Viele sahen es als unrealistisch an, dass wir erfolgreich sein können. Als wir zum Anwalt gingen und erklärten, ein Mobilfunkunternehmen zu gründen, glaubte dieser, wir wollen ein Handygeschäft aufsperren. Damals hätte er uns fast aus dem Büro geschmissen, heute ist Alberto noch immer unser Mann für gesellschaftsrechtliche Fragen.

Nach dem holprigen Start wurde Másmóvil zu "Europas schnellstwachsender Telekom", wie ein Magazin befand. Wie kam's dazu?
Unsere Priorität war immer, die Kunden gut zu bedienen und Fehler zu vermeiden. Das wurde am Anfang nicht wertgeschätzt. Die Mentalität war eine andere. Kunden dachten sich damals: 'Wir wissen eh, dass alle Anbieter schlechte Servicequalität haben, und gehen einfach zu dem, der uns das beste Handy schenkt.' Wir haben aber keine Handys verschenkt. Deswegen hat es Zeit gebraucht, bis sich das Geschäftsmodell entwickelt hat. Dann sind wir aber über Kundenempfehlungen stark gewachsen und hatten bis 2014 bereits 200.000 Kunden. Das klingt viel, ist es in einem Markt mit 50 Millionen Kunden aber nicht wirklich.

Und dann kam der Börsengang.
Genau, wir fanden Investoren. Das ermöglichte, unser Wachstum zu beschleunigen. 2016 konnten wir schließlich einen Mobilfunkanbieter mit eigenem Netz kaufen. Das war der Wendepunkt. Wir begannen Glasfaser zu verlegen und Bündelangebote zu schnüren – Festnetz, Internet, Mobilfunk. Wir konnten das mit guter Servicequalität und einem fairen Preis anbieten, was zum Erfolgsrezept wurde. Heute machen wir drei Milliarden Euro Umsatz und haben 15 Millionen Kunden.

Bald könnten es 30 Millionen sein – und damit so viele wie bei keinem anderen spanischen Anbieter. Sie wollen mit Orange fusionieren, aber die EU-Kommission hat Wettbewerbsbedenken und wehrt sich dagegen.
Der Prozess ist leider noch nicht abgeschlossen und wird wohl auch nicht vor Ende des Jahres fertig sein. Telekomfusionen sind sehr sensibel in Europa und werden sehr genau analysiert. Aber wir sind optimistisch, dass der Deal passieren wird.

Ist schon geklärt, ob Sie den neuen Konzern leiten werden?
Ja! (lacht)

Kann es nach der Fusion noch ausreichend Wettbewerb geben?
In Spanien gibt es heute 37 Mobilfunkanbieter. Davon haben 18 mehr als 50.000 Kunden. Die drei noch größten – Telefónica, Orange und Vodafone – kommen auf 50 Prozent Anteil an der Kundengewinnung. 25 Prozent der neuen Kunden kommen zu uns und 25 Prozent zu alternativen Anbietern. Die sind also sehr relevant. Die Konsequenz ist, dass die spanischen Preise deutlich niedriger als im EU-Schnitt sind.

Apropos niedrig: Spaniens Inflation liegt deutlich unter jener Österreichs, was manch einen neidisch gen Süden blicken lässt. Zu Recht?
Spanien reduzierte Steuern auf Grundnahrungsmittel, hat einen Gaspreisdeckel, viel erneuerbare Energie und keine Abhängigkeit von russischem Gas. Mit Marokko und Algerien gibt es Importalternativen. Das führt in Summe zurzeit zu niedrigen Preissteigerungen. Aber auch die spanischen Konsumenten gingen durch harte Zeiten. Die Inflation ist zwar jetzt niedriger, zeitweise lag sie aber auch bei über zehn Prozent.

Finden Sie es gut, wenn Politik umfassend in Märkte eingreift?
Es kann nur in Ausnahmesituationen gerechtfertigt sein. Aber in einer so schwierigen Situation, wo es Krieg gibt und die Energiepreise explodieren, kann man es rechtfertigen.

Wie fühlt es sich eigentlich an, Auslandsösterreicher des Jahres zu sein?
Es ist eine große Freude und Ehre, dass es in Österreich wertgeschätzt wird, dass jemand ein Unternehmen entwickelt hat, das man hier nicht wirklich kennt. Ich fühl mich außerdem sehr heimatverbunden und bin dankbar, dass ich meine ersten 23 Jahre in Österreich verbringen konnte. Drei- bis viermal im Jahr sind wir nach wie vor in Seckau. Und decken uns dann mit Schweinsbraten, Würstel, Most und Seckauer Lebkuchen ein.

Welche Tugenden nahmen Sie aus Österreich mit, die Ihnen jetzt weiterhelfen?
Normalität, Bodenständigkeit und Humor. Wir hatten vor Kurzem im Zuge der Integration von Orange und Másmóvil ein Management-Assessment (Verfahren, bei dem Kompetenzen von Führungskräften eingeschätzt werden, Anm.). Da kam raus, dass ich der positivste Mensch im Unternehmen bin. Außerdem bin ich stolz auf meinen steirischen Dialekt.