Die Spannungen vor den wichtigsten Lohnverhandlungen Österreichs, die am 25. September für die "Metaller" beginnen, sind heuer extrem hoch. Zu erwarten sind zweistellige Lohnforderungen der Gewerkschaften. Sie treffen auf eine Branche, die zumindest teilweise in der Krise steckt. "Die wirtschaftliche Situation der Branche ist alles andere als rosig", warnt Fachverbandsobmann Christian Knill. Es drohten sogar Jobverluste, die angesichts der Rezession in der Industrie in die Tausende gehen könnten. Dass laut Fachverbandsumfrage heuer bereits jedes dritte Unternehmen mit einem Betriebsverlust rechne, sei "dramatisch", so Knill.

Knill will in den Verhandlungen mit einer Tradition brechen und die Gespräche nicht auf die Abgeltung der allgemeinen Inflation abstellen. In der Pressekonferenz des Verbandes vor der Übergabe der Lohnforderungen des ÖGB sagt er: "Wir sind nicht dazu da, die Kaufkraft von ganz Österreich zu halten." Das sei Aufgabe der Politik. Knill fordert bei den Verhandlungen den Blick nach vorn statt in den Rückspiegel und verweist auf den Produktionseinbruch in der Branche von 5,5 Prozent im ersten Halbjahr und um 18 Prozent gesunkene Auftragseingänge.

"Wir können nur das verteilen, was da ist", so Knill. Für Lohnverhandlungen nach den bisher üblichen Formeln gebe es "keinen Spielraum", er pocht auf "neue Lösungen". Über die will der steirische Industrielle aber keinesfalls vorab in der Öffentlichkeit, sondern ausschließlich mit den Gewerkschaften hinter verschlossenen Türen reden. Möglichkeiten gebe es grundsätzlich einige. Knill: "Unsere Hauptaufgabe ist, Jobs und Unternehmen abzusichern."

Eine Zahl, die bei den Verhandlungen neben der Produktivität üblicherweise eine große Rolle spielt, ist die sogenannte rollierende Inflation, eine Durchrechnung der vergangenen zwölf Monate. Sie ist aktuell mit 9,6 Prozent extrem hoch. Knill will sich auf diese Zahl in der Pressekonferenz nicht einlassen: "Wir beginnen immer bei null." Einen Produktivitätszuwachs könne man im Gegensatz zu den Vorjahren nicht vorweisen. Das Bild von den großen Gewinnern der Krise – "das stimmt für unsere Branche leider nicht", betont Knill als langjähriger Chefverhandler auf der Arbeitgeberseite. "Die Branche zahlt auch sehr gut, deutlich über den KV-Gehältern."

Gewerkschaft: "Inflation bleibt Verhandlungsgrundlage"

Die Gewerkschaft kontert darauf umgehend in einer Aussendung: "Auch dieses Jahr sind wir nicht bereit, die Spielregeln zum Nachteil der Beschäftigten zu ändern. Die Verhandlungsgrundlage bleibt für uns die durchschnittliche Inflation der letzten zwölf Monate", so die Chefverhandler der Arbeitnehmerseite für den Metaller-KV, Reinhold Binder (Gewerkschaft PRO-GE) und Karl Dürtscher (Gewerkschaft GPA).

Österreichs Industrie steckt insgesamt seit einigen Monaten in der Rezession, die 1200 metalltechnischen Unternehmen mit 137.000 Mitarbeitern leben maßgeblich vom Export – die Exportquote liegt bei 80 Prozent. Wenn es wie gerade in Deutschlands oder Chinas Wirtschaft knirscht, sind viele Firmen massiv betroffen. "Wir verlieren mengenmäßig gerade gewaltig und kämpfen darum, überhaupt Aufträge zu bekommen", so Knill. "Noch haben wir bei den Beschäftigten ein kleines Plus, aber da befürchten wir eine Trendwende."

Laut Umfragen, die der Fachverband regelmäßig bei Mitgliedern macht, will die Hälfte der Betriebe in den nächsten Monaten Personal reduzieren – und zwar um bis zu zehn Prozent. Ohne betroffene Leiharbeitskräfte könnte es Knill zufolge um 6000 bis 7000 Jobs gehen. Angesichts des Arbeitskräftemangels wollen die meisten Unternehmen aber personellen Aderlass vor allem beim Stammpersonal vermeiden. 

Einen Abschluss unter der Inflation zu fordern, das bewertet Wifo-Lohnexperte Benjamin Bittschi im ORF-"Mittagsjournal" nicht als außergewöhnlich. Im nächsten Jahr sollte der Inflationsdruck nachlassen, somit könnte es sogar Reallohngewinne geben, auch wenn es jetzt einen Abschluss unter der rollierenden Inflation gebe. Das würde sich die Gewerkschaft aber sicher sehr teuer abkaufen lassen, etwa mit Arbeitszeitverkürzungen, so der Experte.