Trotz der beispiellosen Zinserhöhungsserie der EZB hat sich die Inflation im Euroraum vorerst nicht weiter abgeschwächt. Die Verbraucherpreise stiegen auch im August im Währungsraum um 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistikamt Eurostat am Donnerstag nach einer ersten Schätzung mitteilte. Experten hatten dagegen mit einem Rückgang auf 5,1 Prozent gerechnet. Schon im Juni lag die Teuerung bei 5,5 und im Juli bei 5,3 Prozent.

Die Kernrate, in der die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak ausgeklammert bleiben, ging allerdings auf 5,3 Prozent nach einem Vormonatswert von 5,5 Prozent zurück. Die Europäische Zentralbank (EZB) achtet genau auf diese Rate. Denn sie gilt als wichtige Messgröße für die zugrunde liegenden Inflationstrends.

"Weitere Leitzinserhöhung bleibt auf der Agenda"

"Der Stillstand bei der Gesamtinflationsrate und der langsame Rückgang bei der Kernrate zeigen, dass immer noch zu viel Druck auf dem Inflationskessel ist", kommentierte Volkswirt Bastian Hepperle von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe die Daten.  "Eine weitere Leitzinserhöhung bleibt auf der Agenda", merkte er an.

In Österreich stieg die Inflation laut Schnellschätzung der Statistik Austria im August auf 7,5 Prozent an. Im Juli waren es sieben Prozent gewesen.

Protokoll des letzten EZB-Zinstreffens

Die EZB strebt 2,0 Prozent Teuerung als optimales Niveau für die Währungsgemeinschaft an. Dieses Ziel ist nach den neuen Daten noch weit entfernt. Die nächste EZB-Zinssitzung ist in zwei Wochen am 14. September.

In den Debatten auf der jüngsten Zinssitzung im Juli haben die EZB-Währungshüter eine mögliche erneute Zinsanhebung im September allerdings nicht verworfen. Das Protokoll des Zinstreffens am 26. und 27. Juli wurde jetzt veröffentlicht. Die Euro-Wächter argumentierten demnach, dass die EZB noch eine Wegstrecke bei den Zinsen zu gehen habe, vor allem wenn die Inflation nicht so schnell zurückweiche wie erwartet.

Was gegen weitere Zins-Erhöhung spricht

Manche Euro-Wächter argumentierten jedoch auch dahingehend, dass wahrscheinlich die zur September-Sitzung vorliegenden neuen Konjunkturprognosen der EZB-Volkswirte den Inflationspfad hinreichend nach unten in Richtung zwei Prozent revidieren würden. Und dies, ohne dass eine weitere Zinsanhebung im September erforderlich wäre, hieß es in der Niederschrift. "Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass der September-Sitzung und den Projektionen nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden sollte." Im Licht der Unsicherheiten gelte es, bei den bevorstehenden Zinssitzungen die Risiken im Blick zu behalten.

Leitzins bei 4,25 Prozent

Die Euro-Wächter hatten auf ihrem Juli-Treffen die Schlüsselsätze wie schon im Mai und im Juni um einen viertel Prozentpunkt angehoben. Es war seit Sommer 2022 bereits die neunte Erhöhung in Serie. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, liegt nun bei 4,25 Prozent. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, wurde auf 3,75 Prozent angehoben - das höchste Niveau seit Oktober 2000. EZB-Präsidentin Christine Lagarde wollte sich auf der Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss für die weiteren Zinssitzungen aber nicht festlegen. Lediglich Zinssenkungen schloss sie aus.

Sorgenkind Deutschland

Sorge bereitet den Währungshütern derzeit die sich eintrübende Konjunktur in der 20-Länder-Gemeinschaft, wobei Österreichs mit Abstand wichtigster Handelspartner Deutschland derzeit das größte Sorgenkind ist. So hat sich die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft zuletzt weiter eingetrübt. Das Ifo-Geschäftsklima ist inzwischen das vierte Mal in Folge gesunken. Auch Umfragen für den gesamten Euroraum, wie etwa die jüngste Erhebung zur Stimmung unter den Verbrauchern, zeichneten ein trübes Bild. Die EZB will aber tunlichst vermeiden, dass die Wirtschaftsaktivitäten durch ihren Straffungskurs abgewürgt werden. Manche Währungshüter wie etwa Portugals Notenbankchef Mario Centeno mahnen daher zur Vorsicht bei weiteren EZB-Beschlüssen.

Energiepreise noch zu hoch

Ein Grund dafür, dass die Inflation im August nicht weiter gesunken ist, sind die nicht so stark rückläufigen Energiepreise. Sie sanken im August gegenüber dem Vorjahresmonat nur noch um 3,3 Prozent. Im Juli war der Rückgang mit 6,1 Prozent noch deutlich kräftiger ausgefallen. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak nahmen dagegen um 9,8 Prozent zu, nach zuvor 10,8 Prozent. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich um 4,8 Prozent. Im Juli hatte der Anstieg bei 5,0 Prozent gelegen. Die Preise für Dienstleistungen zogen um 5,5 Prozent an, nach 5,6 Prozent im Juli.

Nach wie vor zeigen die Inflationsdaten für die einzelnen Länder eine stark unterschiedliche Entwicklung. Während die Teuerung im August nach europäischer Messung in der Slowakei im August bei 9,6 Prozent, in Österreich bei 7,6 Prozent und in Deutschland bei 6,4 Prozent lag, stiegen die Verbraucherpreise in Belgien und in Spanien jeweils lediglich um 2,4 Prozent. Spanien und Belgien wiesen damit jeweils die niedrigste August-Rate aus. Die höchste Teuerung verzeichnete die Slowakei.