Seit Monaten dominieren die teils kräftigen Steigerungen bei den Lebensmittelpreisen die Debatten. Die Bundesregierung hat vor einigen Wochen im Rahmen eines Lebensmittelgipfels mehr Transparenz in Aussicht gestellt - der Gipfel wurde seitens der Handelsbranche durchaus kritisch gesehen. Marcel Haraszti, Vorstand von Rewe International und damit Chef von Billa, Penny und Adeg in Österreich, sprach damals beispielsweise von einem "Show-Gipfel". Auf seine damalige Kritik angesprochen, sagte er am Dienstagabend im ORF-ZiB2-Interview, dass er es zwar für "total wichtig" halte, dass sich die Politik darum kümmere, wenn die Preise so stark steigen. "Ich bin schon ein Fan der Politik, aber nicht von allen Politikern", so Haraszti. Wenn man sich die Dinge "nur oberflächlich anschaut", sich nur auf das letzte Glied in der Kette, also den Lebensmittelhandel, konzentriere, und sich nicht die Zeit nehme, "sich anzuschauen, wie hat sich der Preis entwickelt und wer profitiert davon, dann finde ich das einfach oberflächlich", so Haraszti.

Wenn man zu einem Gipfel einlädt und "man sogar unterbrochen wird, wenn man Maßnahmen vorschlagt, dann ist das ein mangelndes Interesse". Es sei ein großer Hang zum Populismus, "wenn man uns dann vorwirft, nicht gesprächsbereit zu sein". Eine Maßnahme, die Haraszti zur Dämpfung der Preise unterstützen würde, wäre eine Senkung der Mehrwertsteuer, von zehn auf sieben Prozent bei Grundnahrungsmitteln. "Wir würden das auch transparent tun, das kann man auch gut kontrollieren und überprüfen."

"Wir kämpfen wie die Löwen"

Der Rewe-Konzern treffe auch selbst Maßnahmen, um die Inflation bei Lebensmitteln abzudämpfen. Warum sind die Lebensmittelpreise noch stärker gestiegen als die allgemeine Inflation? Haraszti führt das vor allem auf "wahnsinnig hohe Preisforderungen unserer Lieferanten" zurück. In anderen Branchen seien die Preise wieder gesunken, "wir haben aktuell noch Preisforderungen von Lieferanten, die im zweistelligen prozentualen Bereich über dem Vorjahr liegen". Im Vorjahr seien allein für Rewe in Österreich um 70 Millionen Euro höhere Energiepreise angefallen, "die haben wir geschluckt, nicht weitergegeben". Aber warum sind dann die Lebensmittelpreise dann dennoch um 15 Prozent im Schnitt gestiegen? Man habe zwar hart verhandelt, "wir kämpfen wie die Löwen, aber wir mussten Preise an die Lieferanten weitergeben". Man stehe hier "Giganten" wie Unilever, Nestlé und Co. gegenüber, "die haben Umsatzrenditen von 15 Prozent und mehr, wir haben im Handel Umsatzrenditen von 0,5 bis 1,5 Prozent", so Haraszti. In Österreich habe man bei Rewe im Vorjahr im operativen Geschäft einen Gewinneinbruch von 40 Prozent verzeichnet - ohne genaue Ergebniszahlen zu nennen. "Wir haben die Kosten geschluckt, die Industrie hat ihre Kosten weitergegeben", so Haraszti.

"Wir schenken uns nichts"

Die hohe Marktkonzentration in Österreich, vier Ketten beherrschen 95 Prozent des Marktes, sei nicht der Grund für höhere Preise. "Man darf Marktkonzentration und Wettbewerb nicht verwechseln. Aus meiner Sicht, und ich war schon in sieben Ländern tätig, ist die Wettbewerbssituation in Österreich eine der brutalsten, die es in Europa überhaupt gibt, wir schenken uns nichts." Haraszti verweist auch auf den hohen Aktionsanteil im österreichischen Handel von 35 bis 40 Prozent, in Deutschland liege er etwa nur bei 12 Prozent. Er verweist u. a. auch auf die viel höhere Dichte an Lebensmittelgeschäften in Österreich, die höheren Lohnnebenkosten und deutlich höhere Logistikkosten.

Mit zuletzt zwölf Prozent lag die Lebensmittel-Inflation noch einmal klar höher als die ohnehin schon sehr hohe österreichische Gesamtinflationsrate von neun Prozent (jeweils Mai-Daten). Im Juni, so Haraszti, sei die Teuerung bei den Lebensmitteln abermals zurückgegangen, "zum fünften Mal in Folge". Er hoffe, dass sich das im Herbst "auf ein vernünftiges Niveau einpendelt".