Die Krise um die Schweizer Großbank Credit Suisse und die Pleite der kalifornischen Silicon Valley Bank kann nach den Worten von DIW-Präsident Marcel Fratzscher auf die deutsche Konjunktur durchschlagen. "Niemand kann zu diesem Zeitpunkt ausschließen, dass es auch in Deutschland und Europa zu einer Bankenkrise mit signifikanten Kosten für Wachstum und Wohlstand kommen wird", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) der Nachrichtenagentur Reuters.

"Finanzkrisen sind per Definition kaum vorhersehbar", so der DIW-Präsident. Allerdings seien die systemischen Risiken im Finanzsystem heute deutlich geringer als nach der Lehman-Pleite im September 2008. Viele Finanzinstitutionen hätten mehr Eigenkapital und Absicherungen. "Meine größte Sorge heute ist, dass es zu einer Panik in den Kapitalmärkten und bei Anlegern und Sparern kommt, da niemand weiß, welche Banken noch in Schieflage geraten könnten", warnte Fratzscher. "Eine solche Panik könnte zu sogenannten selbsterfüllenden Erwartungen führen. Dies bedeutet, dass die Sorge um die Liquidität von Banken die Existenz von solchen Banken gefährdet, die ansonsten solvent wären."

"Österreich nicht betroffen"

Die größten Banken aus Österreich sind nicht direkt von den Problemen bei der Schweizer Credit Suisse (CS) betroffen, wie sie gegenüber der APA mitteilten. Im Zuge der Notübernahme der CS durch die größte Schweizer Bank UBS war bekannt worden, dass Inhaber "eigenkapitalähnlicher" AT1-Anleihen leer ausgehen sollen. Erste Group, Raiffeisen International (RBI) und BAWAG geben an, nicht betroffen zu sein und keine solchen Anleihen zu halten.

Auch im Finanzministerium gibt man sich gelassen. Man erwarte "keine wesentlichen unmittelbaren Auswirkungen" auf den Bankensektor in Österreich. Die europäischen Banken seien seit der Finanzkrise stärker beaufsichtigt, "bei der Credit Suisse handelt es sich um ein individuelles Problem", heißt es in einem Statement des Ministeriums.

Auch große Banken in Schieflage

Der Fall von Credit Suisse (CS) zeige deutlich, dass auch große, systemrelevante Banken in Schieflage geraten können, meinen hingegen deutsche Wirtschaftsforscher. "Daher sollte auch kein deutscher Finanzminister leichtfertig Entwarnung geben, da er ansonsten im besten Falle seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt", sagte der DIW-Chef. Die Politik müsse offen und ehrlich kommunizieren – ohne Probleme kleinzureden, aber auch ohne weitere Ängste zu schüren. "Die Bundesregierung und allen voran Bundeskanzler und Finanzminister müssen nun eine schwierige Abwägung treffen und einerseits offen und ehrlich Probleme ansprechen und andererseits glaubwürdig versichern, dass sie alles Notwendige zur Beruhigung tun werden", sagte Fratzscher.

Anzeichen für erhebliche Verluste

Es gebe bereits jetzt Anzeichen für erhebliche Verluste bei Finanzinstitutionen auch in Deutschland, wie die Abschreibungen der Sparkassen in den vergangenen Wochen zeigten. Die Verluste dürften sich mit jedem Zinsanstieg der Europäischen Zentralbank (EZB) verschärfen. "Daher halte ich die Zinserhöhung der EZB vom vergangenen Donnerstag im besten Fall für eine riskante Entscheidung und im negativen Fall für einen schwerwiegenden Fehler." Es werde sich diese Woche zeigen, ob die US-Notenbank Fed der Zinserhöhung der EZB folgen oder mit Fokus auf Finanzstabilität dies nicht tun werde.

Dilemma der EZB

"Die EZB befindet sich in einem schwierigen Dilemma, da sie einerseits die Inflation mit Zinserhöhungen in den Griff bekommen muss und andererseits Zinserhöhungen die Finanzstabilität schwächen", sagte Fratzscher. "Eine Eskalation der Situation und eine Bankenkrise sind zurzeit die größte Gefahr für die Preisstabilität in Deutschland und Europa und könnten die Wirtschaft empfindlich schwächen und die Arbeitslosigkeit erhöhen, weil sie die Kreditvergabe an Unternehmen noch stärker beeinträchtigen würden."