Es ist ein brisanter Bericht, den die "New York Times" am Dienstag online stellte. Dem Text zufolge würden neue Dokumente von US-Geheimdiensten erstmals nahelegen, dass eine proukrainische Gruppierung verantwortlich für die Sabotage der Nord-Stream-Gaspipelines verantwortlich zeichnet. Zugleich gäbe es "keinen Nachweis", dass Präsident Wolodymyr Selenskyj und sein Führungsteam in die Operation verwickelt waren. Das ukrainische Außenministerium reagierte umgehend auf den Bericht und weist sämtliche Vorwürfe zurück, dass man in die Attacke involviert gewesen sei.

Viele Details wollen US-Spitzen, die Einsicht in die Geheimdienstunterlagen nehmen konnten, noch nicht nennen. Nur so viel: Dass Russland Initiator der Sabotage war, sei eher unwahrscheinlich. Zumindest gebe es keinerlei Information, die darauf hindeute. Der Sabotagetrupp soll laut "New York Times" "sehr wahrscheinlich" von Menschen mit russischer und ukrainischer Nationalität verübt worden sein. Briten oder US-Amerikaner seien "nicht involviert gewesen". 

Europäische Offizielle hatten hinter den Tiefseesprengungen stets staatlichen Einfluss vermutet. Darauf würde zumindest die Raffinesse hindeuten, mit der die Täter den Sprengstoff unentdeckt auf dem Grund der Ostsee platziert hätten. US-Offizielle wollen das nicht bestätigen. Laut Geheimdienst-Informationen seien aber jedenfalls "erfahrene Taucher" beteiligt gewesen. Auch werde nicht ausgeschlossen, dass diese im Vorfeld "spezielles staatliches Training" erhalten hätten.

Deutsche Behörden: Boot identifiziert

Knapp nach dem Bericht der New York Times stellte am Dienstag auch ein deutsches Recherchenetzwerk Aktuelles zur Sabotage online. So sollen etwa deutsche Ermittlungsbehörden einen Ermittlungserfolg erzielt haben. Und das Boot ausfindig gemacht haben, das mutmaßlich für den Eingriff verwendet wurde. "Es soll sich um eine Jacht handeln, die von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet worden sei, die offenbar zwei Ukrainern gehört", heißt es im Bericht der Zeit. Sechs Personen – fünf Männer und eine Frau – sollen an der Operation beteiligt gewesen sein. Die Rede ist von einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin.

Laut den deutschen Behörden ist die Nationalität der Beteiligten ungeklärt, da für die Anmietung der Jacht gefälschte Reisepässe verwendet wurden. Auch wer die Zerstörung tatsächlich in Auftrag gegeben hat, sei weiter unklar. Dafür zeigen sich die Behörden bezüglich der Reiseroute recht sicher. Ausgangspunkt der Operation sei Rostock gewesen. Später wurde das Boot in Wieck und an der dänischen Insel Christiansø lokalisiert. Ominös: Das Boot soll dem Eigentümer in "ungereinigtem Zustand" zurückgegeben worden sein. Auf dem Tisch in der Kabine hätten die Ermittler den Recherchen zufolge Spuren von Sprengstoff nachweisen können

Der Kreml macht die USA verantwortlich

Die als Sabotage eingestuften Explosionen im September 2022 hatten sich nach Auffassung Moskaus wiederum gegen Russland und Deutschland gerichtet. Der Kreml beschuldigt die USA, den Anschlag ausgeführt zu haben. Die russische Politik arbeitet sich seit geraumer Zeit an Behauptungen des US-Journalisten Seymour Hersh ab, der unter Berufung auf eine anonyme Quelle geschrieben hatte, US-Marinetaucher seien für die Explosionen in der Ostsee verantwortlich. Das Weiße Haus wies den Bericht als Erfindung zurück.