Irritiert Sie das Bild dieser Geschichte? Falls ja, richten Sie es bitte der künstlichen Intelligenz, kurz: KI, aus. Diese zeichnet für das Sujet nämlich verantwortlich. KI ist die Basis der Anwendung "DALL·E". Einem Computerprogramm, das Stichwörter aufsaugt und daraus Bilder kreiert. "Chatbot" und "Matisse" reichten für das Gemälde aus, das Sie hier sehen. Hinter dem Computerprogramm steht OpenAI. Ein Unternehmen, das Anwendungsgebiete von KI erforscht, KI vermarktet, sie salonfähig machen soll, und dabei viel Geld von Tesla-Lenker Elon Musk oder Microsoft bekommt.

OpenAI will künstliche Intelligenz als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine attraktivieren. Wie schnell das gelingen kann, zeigt der Chatbot ChatGPT. Seit einer Woche ist er frei zugänglich – und löst seitdem einen weltweiten Hype aus. Binnen fünf Tagen registrierten sich mehr als eine Million Nutzer.

Antworten auf alle Fragen

GPT steht für "Generative Pre-trained Transformer" und basiert auf OpenAIs Sprachverarbeitungsmodell GPT-3. In verschiedenen Sprachen erkennt und generiert GPT Text. Und der Bot tut das zweifelsohne in bemerkenswerter Qualität, anders als viele gängige Botsysteme. Selbst knapp formulierte Fragen erkennt er gut, Folgefragen sowieso. In der Antwort selbst finden sich so gut wie keine grammatikalischen Fehler. Dafür einfache Sätze, nachvollziehbare Sprache. Und viel Wissen. Gefühlt weiß der Bot alles. Und weiß er etwas nicht, so erklärt er in schönsten Sätzen, warum dem so ist.

Im Gespräch mit ChatGPT
Im Gespräch mit ChatGPT © Zottler

In bereits erschienenen Testberichten komponierte der Chatbot Musik für mögliche James-Bond-Filme, Apps für Apple-Handys oder löste binnen Sekunden Hausübungen. Von einer "technischen Revolution" ist die Rede. Von einem "Super-Chatbot".

Wenn die KI Quellen erfindet

Aber auch an kritischen Stimmen mangelt es in Sachen ChatGPT-Hype mittlerweile nicht. Die Datenwissenschaftlerin Teresa Kubacka etwa stellte dem Chatbot Fragen zu Themen, mit denen sie sich in ihrer Doktorarbeit beschäftigte. Kubackas Resümee: der Bot lieferte "nachvollziehbar klingende Erklärungen und nachvollziehbar aussehende Zitate". Und selbst, als die Forscherin die Maschine bat, einige Absätze für einen wissenschaftlichen Text zu schreiben, las sich das Ergebnis zufriedenstellend.

Der Teufel schlummerte im Detail. Beim Gegencheck der zitierten Passagen fiel Kubacka auf, dass viele der zitierten Texte nie erschienen sind. Die Maschine "halluzinierte", mixte Autoren und Textstücke wild durcheinander. Der Höhepunkt: ChatGPT erfand die Erklärung eines physikalischen Phänomens, das nicht existiert. Weil dessen Beschreibung so plausibel war, glaubte Kubacka aber zunächst, dass die Antwort korrekt sei. 

"Keiner weiß, woher die Daten kommen. Die Quellen sind völlig unklar", sagt auch Patrick Ratheiser, Chef des auf KI spezialisierten Grazer Unternehmens Leftshift One, im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Außerdem sei der Chatbot von OpenAI "extrem ressourcenintensiv". Ratheiser: Ein Retraining, also ein Trainieren des Modells mit den aktuellsten Daten, würde ob der enormen Datenmenge "mehrere Millionen Euro" kosten. Was zu einer "Sinnfrage führt". Ratheiser selbst plädiert jedenfalls für "erklärbare KI" und "effiziente Algorithmen". 

Patrick Ratheiser (Leftshift One)
Patrick Ratheiser (Leftshift One) © David Wiestner

Roman Kern, Forscher an der TU Graz (Institute of Interactive Systems and Data Science), zeigt sich zwiegespalten. Einerseits freut sich der Wissenschaftler über den "technologischen Fortschritt". Dieser liege vor allem im "Few-Shot Learning". Was das bedeutet? Benötige man bei klassischem maschinellen Lernen besonders viele Beispiele, um den Algorithmus zu trainieren, reichen beim "Few-Shot Learning" zwei, drei Beispiele aus. Kern: "Die Maschine hat also schon nach zwei, drei Sätzen begriffen, um was es geht." 

Wo Kern Anwendungen für Technologie á la ChatGTP sieht? Das "Revolutionäre", betont der Forscher, liege wohl darin, dass derlei Chatbots "die Google-Suche ersetzen könnten". Nützlich könnte auch das automatisierte Ausfüllen von Formularen sein. Oder das Generieren von Software-Code. "Man kann die Potenziale von dieser Technologie gar nicht überschätzen", sagt Kern gar. Mit dem schmunzelnden Zusatz: "Aber ich bin da natürlich voreingenommen."

Wenngleich Kern die künstliche Intelligenz immer noch am technologischen Anfang sieht ("Wir sind immer noch im rein assoziativen Bereich. Die KI ist noch kein Äquivalent des menschlichen Gehirns."), sieht der Wissenschaftler jetzt den richtigen Zeitpunkt gekommen, um "als Gesellschaft über die Auswirkungen zu debattieren". Wem etwa gehöre "der Text, der von ChatGTP erstellt wird?", fragt Kern. "Wem gehört das Copyright?"

Nun, wir fragen den Chatbot. Dessen Antwort ist unmissverständlich: "Der Text, den ChatGPT schreibt, gehört OpenAI."