Ein verpackungsfreies Lebensmittelgeschäft, in dem es nur regionale Produkte zu kaufen gibt: Mit dem "Gramm" in der Grazer Neutorgasse leisteten die Gründerinnen Verena Kassar und Sarah Reindl Pionierarbeit in der Steiermark. Den Trend, Verpackung zu sparen oder ganz darauf zu verzichten, haben seither auch Handelsriesen für sich entdeckt.

Doch just die Vorreiterinnen kämpfen nun ums wirtschaftliche Überleben. Deutlich macht dies Geschäftsführerin und Mitgesellschafterin Kassar in einer Videobotschaft: "Es geht uns finanziell wirklich nicht gut. Es ist das schwierigste Jahr, seit wir aufgesperrt haben", sagt Kassar auf ihrem Instagram-Kanal.

Für das "Gramm" in der Neutorgasse, es ist seit Juni leer, werde ein Nachmieter gesucht, da der geplante Umbau in ein inklusives Café gescheitert sei. Man konzentriere sich auf den größeren Standort ("Das Dekagramm") am Joanneumring. Kassar: "Es fällt uns schwer, das Geschäft in der Neutorgasse aufzugeben, aber zwei Standorte können wir uns derzeit nicht leisten."

Montags geschlossen

"Das Dekagramm" war 2018 eröffnet worden, nachdem Investor Walter Krassnitzer, er ist unter anderem Gesellschafter von SMB Industrieanlagenbau, in das Unternehmen eingestiegen war; er hält aktuell 58 Prozent an "Gramm" bzw. "Dekagramm". Mitte August kürzte das Team die Öffnungszeiten, an Montagen ist seither geschlossen. "Wir kämpfen", hieß es bereits damals.

Den Engpass erklärt Kassar mit den Auswirkungen der Pandemie, der Inflation und den Energiekosten. "Entwickelt sich der Umsatz so weiter, ist unser Konzept nicht mehr tragbar", sagt die Gründerin und appelliert an Kundschaft und Fangemeinde: "Unterstützt uns, wenn ihr wollt, dass es uns weiterhin gibt. Denn Geschäfte wie das unsere machen den Charme einer Stadt aus."

Kassar warnt vor Schließungswelle

Zum Unterstützer bzw. zur Unterstützerin kann man nicht nur durch Einkäufe werden. Als "Supporter" wird man Teil der "Grammunity" und erwirbt durch monatliche Beiträge zwischen fünf und 100 Euro diverse Vorteile.

Die Botschaft richte sich aber explizit auch an die Politik, präzisiert Kassar im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. "Wenn die Politik nicht etwas unternimmt, werden in der nächsten Zeit sehr viele Geschäfte und Betriebe zusperren", warnt sie. "Es schließen derzeit quer durch Europa viele Unverpackt-Läden. Wir wollen nicht Insolvenz anmelden." Kassar kritisiert, dass die Arbeit von Unverpackt-Läden finanziell und steuerlich zu wenig gefördert werde. "Förderungen für den Klimaschutz kommen bei Unternehmen wie dem unseren nie an. Dabei ist ein Unverpackt-Geschäft sehr beratungs- und arbeitsintensiv."