Ursprünglich war die anstehende Reform der österreichischen Arbeitslosenversicherung fürs erste Quartal 2022 geplant. Zuletzt mehrten sich aber bereits Stimmen, wonach die Reform zumindest noch vor dem Sommer ins Parlament zur Abstimmung kommen soll. 

Jetzt äußert sich auch der Arbeitsminister dazu. Noch bis zum Ende des laufenden zweiten Jahresviertels will sich Martin Kocher (ÖVP) gemeinsam mit dem grünen Koalitionspartner für ein Gesetzespaket zusammenzuraufen. Einig sei man sich innerkoalitionär, dass Menschen, die ihre Arbeit verlieren, rascher wieder ins Arbeitsleben zurückfinden sollen, sagte Kocher am Dienstag. Ein degressives Modell ist weiter möglich.

Dass aus dem ursprünglichen Zeitplan nichts wurde, sei einerseits der Coronakrise und den vielen damit einhergehenden Gegenmaßnahmen am Arbeitsmarkt geschuldet. Praktisch als Ablöse kam die Ukraine-Krise dazu. Nun gehe es am Arbeitsmarkt darum, Vertriebene aus der Ukraine zu integrieren: "Das halte ich für vordergründig", sagte Kocher.

Wo man von den USA lernen kann – und wo nicht

Der Minister wäre aktuell Teil einer Delegationsreise in die USA. Dort wäre er mit US-Arbeitsminister Marty Walsh zusammengetroffen, um ein Memorandum of Understanding (MoU) für den Lehrlingsbereich zu unterzeichnen. Das übernimmt nun eine hochrangige Beamtin für ihn, denn Kocher musste aufgrund eines Coronafalles in seinem Umfeld die Reise absagen. Daher war er beim Pressegespräch in Washington am Dienstagvormittag (Ortszeit) mit österreichischen Journalistinnen und Journalisten nur zugeschaltet. Man könne von den USA in der aktiven Arbeitsmarktpolitik viel lernen, etwa bei Qualifizierungsprogrammen. Bei der passiven Arbeitsmarktpolitik – diese betrifft die Arbeitslosenversicherung – sei das nicht der Fall. "Dafür sind die Systeme zu unterschiedlich, in Österreich gibt es eine Versicherungspflicht und eine gute Absicherung. Diese wollen wir nicht verschlechtern", sagte Kocher.

Dass Firmen, die öfters Leute freisetzen, künftig in Österreich höhere Arbeitgeberbeiträge für die Arbeitslosenversicherung berappen müssen, wie das in den USA zum Teil der Fall ist, scheint anhand von Ausführungen Kochers eher unrealistisch – man habe diese Thematik aber "im Hinterkopf". Denn Betriebe, die aus saisonalen Gründen wie im Tourismus öfters kündigten, müsste man laut Kocher von Betrieben unterscheiden, die ohne saisonale Gründe oft kündigen. Dabei sei eine rechtliche Unterscheidung sehr schwierig, wenn auch nicht unmöglich.

USA interessieren sich an österreichischer Ausbildung

Die Grünen wollen die Arbeitsmarktpolitik aktiver gestalten. Ihnen geht es vor allem um mehr Förderung für mehr Arbeitslosen-Weiterbildung. "Zwang in der Arbeitsvermittlung ist ebenso wenig angebracht wie eine Absenkung der im Europavergleich ohnehin niedrigen Nettoersatzrate von 55 Prozent", hielten sie stets Rufen vor allem aus dem ÖVP-Wirtschaftsbund entgegen.

Die USA und Österreich eint ein großer Fachkräftemangel. Das MoU soll hier Startschuss für eine Arge sein, in der man gemeinsam versucht, Probleme zu lösen, sagte Kocher. In Österreich hätten 76 Prozent der Über-18-Jährigen eine Berufsausbildung. Das ist laut Kocher zumindest OECD- wenn nicht Weltrekord. 40 Prozentpunkte stammten von Lehrabsolventen, 36 Punkte von Abgängern berufsbildender höherer Schulen. "Das haben sich die USA zum Vorbild genommen." Gerade im Handwerk müsse dem Fachkräftemangel entgegengetreten werden. Das MoU sei auch Grundstein, um das heimische duale Ausbildungssystem international bekannter zu machen, so Kocher. Die USA interessierten sich neben dem "Vorzeigemodell" der heimischen dualen Ausbildung auch für die heimische Ausbildungsgarantie und -pflicht bis zum Alter von 18 Jahren.