Was bedeutet eine Inflation von 6,8 Prozent für Versicherungen, die vor allem Sicherheit verkaufen?
KLAUS PEKAREK: Mit Negativzinsen und Niedrigzinspolitik wird uns ein toxischer Cocktail serviert. Dass Kreditnehmer Geld bekommen und Anleger zahlen müssen, ist so, als hätte man die Schwerkraft umgedreht. In der Pandemie öffnete der Staat auch noch die Schleusen, finanziert durch die EZB mit irren Anleiheankäufen.

Coronahilfen waren zwecklos?
Punktuell waren Maßnahmen notwendig, aber nicht in der Dimension und Selbstverständlichkeit, als gäbe es kein Morgen. Ausgerechnet jetzt kommt das unfassbare Ereignis eines Krieges in Europa, mit Auswirkungen auf Energie- und Rohstoffpreise. Die Märkte sind übervoll mit Liquidität, die auf viel Nachfrage und ein verknapptes Angebot stoßen. Das führt zu steigenden Preisen und Geldentwertung.

Die auf stagnierende Konjunktur trifft. Mit welchen Folgen?
Stagflation ist wohl das fürchterlichste Szenario für eine Volkswirtschaft – und wenn man Geld zu veranlagen hat. Wir stehen für die Themen Risikoabsicherung und Vorsorge. Der Bedarf, vorzusorgen, ist dringender denn je.

Bei diesen Inflationsraten ist das halt sehr unattraktiv.
Ja, die Zeche für diese Veranstaltung zahlen die Sparer. Der Effekt ist der gleiche, als würde man eine zehnprozentige Pandemiesteuer einführen. Hauptprofiteure der Inflation sind hoch verschuldete Staaten.

Der Sparer, der Vorsorgende, der Lebensversicherte, sie alle schauen durch die Finger.
Vorsorgen ist, das ist unsere feste Überzeugung, unerlässlich. Pensionslücke und Überforderung der staatlichen Pensionsversicherung sind ja evident. Das wird bei uns verdrängt und schöngeredet – und das ist verantwortungslos.

Aber was bringt das noch, wenn Geld, das man 20 oder 30 Jahre angespart hat, viel weniger wert ist?
Wir machen darauf aufmerksam, dass man an den Themen Kapitalmarkt und Aktieninvestment nicht umhinkommt. Das ist die einzige Möglichkeit, dem Geldwertverlust zu entkommen.

Versicherungen suggerieren, sie nähmen Menschen Sorgen ab. Ist das in Zeiten hoher Unsicherheit überhaupt noch möglich?
Das Bedürfnis nach Sicherheit ist größer denn je. Und das Gut, das wir verkaufen, Risikoabsicherung, aktuell wie nie. Demgegenüber steht die Beobachtung, dass junge Leute den Augenblick genießen und wenig Wert auf Absicherung legen.

Die großen Katastrophen lassen sich nicht versichern: Krieg, Klimakatastrophe und Pandemie.
Versicherungen sind für beherrschbare Risiken da, und derer gibt es genug. Die globale Unsicherheit darf nicht zu individueller Wurschtigkeit führen, da müssen wir dagegenhalten.

Klaus Pekarek: „Dann wäre dieses Unglück nie passiert“
Klaus Pekarek: „Dann wäre dieses Unglück nie passiert“ © Helge Bauer

Ist es für Sie vorstellbar, dass Sie jetzt in die Politik gehen?
Mit Sicherheit nicht. Ich war einige Male in Situationen, wo ich nach kürzerem oder längerem Überlegen Nein gesagt habe.

Welche war die höchste Position, die Sie ablehnten?
Im Kabinett Schüssel I der Finanzminister.

Und warum sagten Sie Nein?
Es war eine Nacht Überlegung und Diskussion in der Familie. Es sprach viel mehr dagegen als dafür. Nicht nur die schwierigste, sondern wohl auch eine meiner besten Entscheidungen.

Werden die Falschen Politiker?
Bei uns werden Politiker in Medien wie Showstars nach oben gejubelt und fallen gelassen. In anderen entwickelten Demokratien wie in der Schweiz ist das nicht der Fall. Dort findet man mehr graue Mäuse.

Brauchen wir mehr graue Mäuse in der Politik?
Ja, mir wären mehr graue Mäuse, mehr strategische Köpfe und langfristige Denker lieber als Showstars.

Sie waren einst Gegenspieler von Hypo-Boss Kulterer – innerhalb Raiffeisens, dann wurde Kulterer Chef der dynamisch wachsenden Hypo, während Sie die eher fade RLB leiteten. Gab es je den Moment der Genugtuung?
Ich kam 1982/83 zufällig zu Raiffeisen, in einer Situation, in der Wolfgang Kulterer ganz klar als Nachfolger des Generaldirektors in Position war. Der Kompromiss war, dass er die Ware und ich den Bankbereich übernehme. Das passte ihm gar nicht ins Konzept, 1992 wechselte er zur Hypo und wollte Raiffeisen zeigen, was alles möglich ist.

Selbst Aufsichtsratsmitglieder fragten, warum Raiffeisen das nicht kann, was die Hypo vorlegte.
Es war extrem schwierig, unseren eigenen Weg zu verfolgen, trotz täglicher Querschüsse und Rechtfertigungszwang, warum wir so konservativ in der Geschäftspolitik sind. Die Stimmung im Land war gegen uns.

Die Hypo wuchs jährlich um 15, 20 Prozent, eröffnete alle paar Wochen glamourös Bankfilialen. Raiffeisen wirkte abgemeldet.
Wir luden zur Brettljause, bei der Hypo wurden die Leute drei Tage mit Jachten durch die Gegend gejettet. Dahinter stand der Kärntner Minderwertigkeitskomplex: Jetzt zeigen wir’s den Etablierten in Wien. Mit den Chefs der Sparkasse und BKS sind wir zu den Politikern gepilgert und warnten vor der Übernahme von Haftungen, die die Risikotragfähigkeit des Landes bei Weitem übersteigen.

Erfolglos, wie man weiß.
Alle, die jetzt g’scheit reden, waren sich damals einig. Milde lächelnd bot man uns Kaffee an. Es hieß, das ist der Neid der Konkurrenz, die der supergeilen Hypo den Erfolg nicht vergönnt. Das Scheitern der Hypo in nahezu europäischer Dimension hat bei mir nie Genugtuung ausgelöst. Man hätte aber viel an Schaden ersparen können.

Was hat die Kärntner Landespolitik damals geritten?
Es sind die richtigen Typen aufeinandergetroffen. Kulterer war extrem visionär, hatte ein enormes Gespür. Er hätte aber ein zweites Augenpaar gebraucht. Jörg Haider, der Eigentümervertreter, hätte löschen müssen, war aber der Brandbeschleuniger. Dieser Mix plus die Bereitschaft der Landespolitik, das zu ermöglichen, war ein Systemversagen allererster Güte.

Das Beziehungsthema zweier Manager entwickelte also eine verheerende Eigendynamik.
Von der Dimension des Schadensausmaßes ist das Ganze unvorstellbar. Ich muss jetzt, wenn ich Bilanz ziehe, oft daran denken, hätte sich Wolfgang Kulterer gegen mich bei Raiffeisen durchgesetzt, wäre dieses Unglück wohl nie passiert.