Die EZB-Bankenaufsicht hält die Überlebensfähigkeit der europäischen Töchter der russischen Sberbank wegen der Auswirkungen der Finanzsanktionen für stark gefährdet. Die Europäische Zentralbank sei zur Beurteilung gelangt, dass die Sberbank Europe AG mit Hauptsitz in Wien sowie ihre beiden Tochtergesellschaften in der Bankenunion, die Sberbank d.d. in Kroatien und die Sberbank banka d.d. in Slowenien, "ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen" werden.

Mit dieser Formulierung kennzeichnet die EZB-Bankenaufsicht Institute, die aus ihrer Sicht nicht mehr existenzfähig sind. "Bei der Sberbank Europe AG und ihren Tochtergesellschaften kam es zu erheblichen Abflüssen von Einlagen infolge der Auswirkungen der geopolitischen Spannungen auf ihre Reputation", teilte die EZB in der Nacht zum Montag mit.

Kein Geschäftsbetrieb

"Dadurch hat sich ihre Liquiditätslage verschlechtert. Zudem sind keine Maßnahmen verfügbar, bei denen realistische Aussichten darauf bestehen, dass diese Position auf Gruppenebene und auf Ebene der einzelnen Tochtergesellschaften in der Bankenunion wiederhergestellt wird."

Als Reaktion auf die EZB-Einschätzung hat die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) den Geschäftsbetrieb der Sberbank-Europatochter vorübergehend fast komplett unterbunden. Wie die FMA mitteilte, darf die in Wien ansässige Bank "keinerlei Auszahlungen, Überweisungen oder andere Transaktionen durchführen".

Vor allem in Osteuropa haben Anleger und Sparer versucht, ihr Geld in Sicherheit zu bringen, und zwar schon bevor es zu konkreten Sanktionen gegen russische Banken bekommen war, wie die EZB auf Nachfrage betont. Schon alleine die Aussicht auf mögliche Sanktionen hätte genügt, damit Menschen ihr Geld abheben wollten. Als Folge kam es in den osteuropäischen Sberbank-Töchter zu Liquiditätskrisen, es fehlte das Geld.

Nun wäre es die Aufgabe Sberbank Europe, mit Sitz in Wien, als aktuelle Mutterbank, diese Töchter mit frischem Kapital zu versorgen. Doch auch hier fehlte es schnell an den Mitteln. Die EZB wollte daraufhin wissen, ob die Sberbank Europa von ihrer russischen Mutter mit der nötigen Liquidität versorgt wird. Die Antwort war für die Bankenaufseher nicht zufriedenstellend. Deshalb wurde das sogenannte Single Resolution Board, das SRB, mit weiteren Schritten beauftragt.

48 Stunden Zeit

Das SRB hat sich für ein 48-stündiges Moratorium entschieden, das in Österreich von der FMA durchgesetzt wird. Es gibt keine Überweisungen mehr. Die einzige Ausnahme von diesem Zahlungsmoratorium gibt es für Einleger, die zur Sicherung des nötigsten täglichen Bedarfs 100 Euro pro Tag abheben dürfen. In Kroatien und Slowenien, die auch unter die Aufsicht des SRB fallen, sind die Beträge jeweils etwas höher, da es dort ja auch einen richtigen Filialbetrieb gibt.

Bis Mittwoch wird beim SRB nun über die Zukunft der Bankengruppe entscheiden. Konkret gibt es drei Szenarien. Als unwahrscheinlich gilt, dass die Prüfer entscheiden, mit der Bank sei alles in Ordnung. Wahrscheinlicher sind die Entscheidungen über eine Abwicklung der Bank oder eine Insolvenz.

Öffentliches Interesse

Wobei für eine Abwicklung ein öffentliches Interesse bestehen müsse, wird seitens der EZB erklärt. Konkret würde dann in einem ersten Schritt nach einem möglichen Käufer gesucht werden. Erst wenn sich hier kein Interessent findet, würde die Abwicklung, also die Liquidierung der Bank erfolgen.

Wobei die Konzernstruktur durchaus für unterschiedliche Ausgänge sorgen könnte. Denn die Sberbank Europe ist eine 100-prozentige Tochter der mehrheitlich in Staatsbesitz stehenden Sberbank in Moskau. Die Europatochter hat wiederum neun weitere Tochterbanken in Osteuropa. Davon fallen die Banken in Slowenien und Kroatien ebenso unter das Regime der EZB, wie die Bank in Österreich. Für die Töchter in Tschechien und Ungarn sind die nationalen Behörden zuständig, aber es gilt EU-Recht. Die Sberbank-Töchter in Serbien und Bosnien-Herzegowina unterstehen dort nationalem Recht.

Die Folgen im Falle einer Abwicklung oder Insolvenz Sberbank Europa und ihrer Töchter in den einzelnen Staaten ist aber die gleiche: Die russische Mutterbank würde die Kontrolle über ihr Geschäft in Europa verlieren. 

Bargeldbehebung beschränkt

Das Unternehmen in Wien betonte in einer Stellungnahme seine Kooperation mit den Aufsichtsbehörden. "Wir unternehmen alle Anstrengungen und unterstützen die Behörden uneingeschränkt, damit diese ihre Befugnisse einsetzen können, um diese beispiellose Situation im Sinne der Kunden zu meistern", sagte Sberbank-Europe-Chefin Sonja Sarközi laut Mitteilung. Sie wies darauf hin, dass mehrere Banken der Gruppe "innerhalb sehr kurzer Zeit einen deutlichen Abfluss an Kundeneinlagen" verzeichnet hätten, weswegen teilweise die tägliche Bargeldbehebung eingeschränkt worden sei.

Das Moratorium folgt auf den Beschluss von umfassenden Finanzsanktionen gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine. Sberbank Europe AG hat eigenen Angaben zufolge 187 Filialen mit 3800 Mitarbeitern und rund 773.000 Kunden in Zentral- und Osteuropa, davon 65.000 Kunden mit einer Bilanzsumme von 2,2 Milliarden in Deutschland und Österreich. Allerdings gab das Unternehmen erst im November den Verkauf ihrer Balkan-Töchter mit einer Bilanzsumme von 7,3 Milliarden Euro angekündigt. Die Präsenz in Österreich, Deutschland und Tschechien sollte aber beibehalten werden.

Einlagen bis 100.000 Euro gesichert

Einlagen von Privatanlegern sind in der EU bis zu einer Höhe von 100.000 Euro je Einleger und Bank gesetzlich geschützt. Dieser Schutz werde durch die Einlagensicherungssysteme in Österreich, auch für die Zweigniederlassung der Bank in Deutschland, sowie in Kroatien und in Slowenien gewährt, erklärte die EZB. Die deutsche Online-Privatkundenbank Sberbank Direct unterliegt damit auch den österreichischen Bestimmungen zur Einlagensicherung und Anlegerentschädigung.

Die EZB beaufsichtigt seit November 2014 die größten Banken und Bankengruppen im Euroraum direkt. Derzeit sind dies 115 Institute, die für fast 82 Prozent des Marktes im Währungsraum der 19 Länder stehen.