In der Raiffeisenbank International RBI geht man in der Ukraine-Krise derzeit nicht vom schlimmsten Fall – einer kriegerischen Auseinandersetzung – aus, sondern hofft auf erfolgreiche Diplomatie. Die Bank sieht sich auch gegen allfällige Russland-Sanktionen und deren Auswirkungen gut gewappnet.

Die RBI-Tochterbanken in Russland und der Ukraine sind finanziell jedenfalls bestens aufgestellt. Als die RBI am Mittwoch für 2021 mit 1,37 Milliarden Euro Gewinn – nach 1,23 Milliarden 2020 – ein besseres Ergebnis präsentierte und somit mehr verdiente als vor der Corona-Pandemie, dann haben diese Länder daran maßgeblichen Anteil. Das Russland-Geschäft steuerte 474 Millionen Euro bei. Die Ukraine-Tochter, an der auch die EBRD beteiligt ist, lieferte 122 Millionen Euro. 49 Millionen Euro kamen zudem aus Weißrussland. Zusammen macht das nahezu die Hälfte des gesamten Gewinns aus.

RBI-Chef sieht "ordentlichen Puffer"

"Da ist ein ordentlicher Puffer drinnen, was die Ertragskraft betrifft," sagt RBI-Chef Johann Strobl in einer Onlinepressekonferenz. In Russland und der Ukraine liege die Eigenkapitalrentabilität bei mehr als 25 Prozent. Insofern bestehe keinerlei Bedarf für Abwertungen. Über einen Ausstieg aus diesen Ländern denke man nicht einmal ansatzweise nach, so Strobl sinngemäß.

Mit etwas mehr als elf Milliarden Euro Kreditvolumen sei man in Russland eine relevante Bank, aber keine große. Das direkte Eigenkapital-Engagement der RBI beziffert Strobl mit 2,4 Milliarden Euro, aber alle Tochterbanken seien in der Mittelbeschaffung und Verwendung sehr unabhängige Banken, bei denen es keine Liquiditätsunterstützungen der Mutter gebe. Strobl: "Die Ausgangslage ist sehr solide."

Von einem Rauswurf Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift, das als möglicher Teil von Sanktionen immer wieder genannt wird, sei "eine gewisse Störung der Abläufe zu erwarten", erläutert der RBI-Chef, man werde dann auf andere Systeme umsteigen müssen. Welche Auswirkungen das auf das Kundengeschäft habe, sei allerdings schwer abzuschätzen. Auch für die aus Russland in den Westen exportierten Waren fänden sich nach einer gewissen Zeit auch woanders Abnehmer.

Auf dem falschen Fuß dürften Sanktionen die RBI jedenfalls nicht mehr erwischen – operativ wie finanziell wurden zahlreiche Vorsorgen getroffen, so wurde etwa das Fremdwährungsrisiko stark abgepuffert. In der Bilanz 2021 wird mit 115 Millionen Euro gegen Sanktionsrisiken vorgesorgt. Risikovorstand Hannes Mösenbacher: "Wir haben sehr fähige Teams in Russland und der Ukraine, die hochprofessionell wissen, was zu tun ist." Selbst für den Fall, dass Kunden ihr Geld schnell sehen wollten – etwa bei massiven Abwertungen – könne man das auch abdecken.

Märkte kommen gut durch die Krise

Die gesamten Risikokosten 2021 waren mit 295 Millionen Euro bei einem konzernweiten Kreditvolumen von 100 Milliarden Euro sehr gering. Die niedrige Zahl der Ausfälle spiegelt den RBI-Vorständen zufolge wider, wie stark die zentral- und südosteuropäischen Länder durch die Krise kommen. Kräftig gesteigerte Zinsüberschüsse und hohes Kreditwachstum waren im Vorjahr weitere Träger der Gewinnsteigerung.

"Wir sind, glaube ich, zu Recht sehr optimistisch, was den Ausblick auf die nächsten Quartale betrifft", so Strobl. "Wir sind in allen Bereichen, abgesehen von diesen geopolitischen Spannungen, sehr zuversichtlich." Man gehe nicht von einem Bremseffekt durch mögliche Zinserhöhungen aus.

RBI dürfte in den nächsten Jahren stark wachsen

Insgesamt habe die RBI mittelfristig ein durchschnittliches jährliches Wachstumspotenzial von acht bis neun Prozent. Nach wie vor gebe es in den RBI-Märkten noch Aufholpotenzial im Vergleich zu Westeuropa. Das optimal zu nutzen, war etwa der Grund für den Verkauf der bulgarischen Tochterbank im vergangenen November. Laut Strobl emotional "keine einfache Entscheidung, weil die Bank sehr erfolgreich ist und die Kollegen sehr kooperativ sind." Aber aufgrund des wirtschaftlichen Umfelds sei der Schritt richtig gewesen. Der Verkaufserlös von mehr als einer Milliarde Euro wird der Bank im Laufe dieses Jahres zufließen. Er wird für Wachstum in anderen Märkten eingesetzt. 2021 hatte es etwa Zukäufe in Tschechien und Serbien gegeben. Zuletzt hatten mehrere Institute die RBI-Aktie hinaufgestuft.

Die RBI hat sich in ihren Märkten zudem inzwischen zum größten Begeber von "Green Bonds", nachhaltigen Anleihen, entwickelt. Das sei eine wichtige, zukunftsorientierte Ausrichtung. Strobl: "Das macht uns stolz, weil wir hier unsere eigenen Arbeiten, die wir in den letzten Jahren geleistet haben, gut in die wirtschaftliche Entwicklung einbringen können." Dass die EU an diesem Mittwoch auch Atom- und Gaskraftwerke als grün einstuft, diesen Schritt will die RBI in den eigenen Produkten nicht nachvollziehen. "Damit wir in der Atomkraft finanzieren, müsste sehr, sehr viel passieren", erklärt Strobl. Solange das Problem der Endlagerung nicht gelöst sei, werde man es beim Nicht-Finanzieren belassen. Bei der Finanzierung von Gaskraftwerken gehe man selektiv vor. Grundsätzlich werde man in den nächsten Monaten die Überlegungen bezüglich Gas und auch Öl präzisieren. Aus Kohlefinanzierungen zieht sich die Bank bereits zurück.