Den Subkontinent kennt er ziemlich gut. Schließlich hat Markus Feichtner über 20 Jahre in Indien gelebt und gearbeitet, das mit 1,38 Milliarden Bewohnern hinter China als das bevölkerungsreichste Land der Erde gilt. Vor 20 Jahren entsandte ihn sein damaliger Arbeitgeber AVL List nach Indien, wo er für den Grazer Antriebsspezialisten in Neu-Delhi das India Technical Center aufbaute und es 13 Jahre lang als Executive Director führte. Im Jahr 2013 wechselte Feichtner schließlich zu „Hero“, dem größten Motorrad-Hersteller der Welt.

Bis vor wenigen Wochen verantwortete Feichtner, der an der TU Graz studierte, die Motorenentwicklung der Hero MotoCorp. Die Motorradsparte ist das Herzstück des indischen Industrie-Riesen, der im Besitz der Familie Munjal steht und zu den größten Unternehmen des Landes zählt. Die Hero Moto-Corp produziert heuer 6,8 Millionen Motorräder, den Großteil davon für den Heimmarkt, wo das motorisierte Zweirad das automobile Grundbedürfnis abbildet. Feichtner: „Das Motorrad ist in Indien unverändert die wichtigste Investition nahezu aller Menschen, es ist die Lebensgrundlage jeder Familie.“ Der Preis für das günstigste Hero-Motorrad liegt in Indien bei umgerechnet 550 Euro.

Der Gesamtfahrzeugmarkt in Indien lag 2020 bei 26,2 Millionen Stück, 24 Millionen davon waren Motorräder. Das automobile Erwachen dauert an. Feichtner: „Indien ist nicht China, der Level ist wesentlich niedriger. Der Automarkt in Indien wird langsamer wachsen, dann aber stabiler.“ Längst sind alle Autobauer von Rang in Indien vertreten, um mit erschwinglichen Budget-Cars startklar zu sein, wenn das Automobil an Fahrt gewinnt. Das sollte in den nächsten fünf Jahren passieren.

"Da bin ich skeptisch"

Der technologische Wandel und die Transformation der Autoindustrie sind in Indien allerdings noch nicht angekommen. Feichtner: „Die Regierung spricht zwar davon, bis 2030 komplett auf Elektromobilität umzusteigen, aber da bin ich skeptisch. Dazu fehlt es einfach an der Infrastruktur, in Indien sind viele Menschen am Land froh, wenn sie überhaupt Strom haben.“ So produziert Hero bis heute seine Motorräder zu 100 Prozent mit Viertakt-Verbrennungsmotoren.

Auch wenn kein Weg an der Elektromobilität vorbeizuführen scheint, sieht der Grazer Techniker „den Verbrenner weltweit noch für viele Jahre als dominanten Antrieb. Die Elektromobilität wird sich durchsetzen, speziell im urbanen Bereich, aber wir werden sicher lange Zeit ein Nebeneinander der Systeme erleben. Ein Ende der Reise sehe ich noch nicht“, so Feichtner, der mit seiner Familie nach 21 Jahren Indien wieder in Graz gelandet ist, um durchzuatmen.

Den Vertrag bei Hero als Vice President R&D wollte Feichtner nicht verlängern, doch die Pension ist für ihn noch keine Option. Am Tisch hat er zwei Angebote liegen. Aus Asien, übrigens.