Es sei ein "Kalt-Warm-Jahr" gewesen, erzählt Hartwig Kirner mit Blick auf die eigenen Geschäfte im Jahr 2020. Am Ende aber, das ist heute gewiss, setzten sich bei Fairtrade in Österreich die Sonnenstrahlen durch. In einem Land, das ohnehin seit geraumer Zeit zu den weltweiten Top-5-Märkten von Fairtrade gehört, vermeldet Österreich-Chef Kirner jetzt neue Rekordzahlen.

Auf 390 Millionen Euro, so schätzt es Fairtrade, beläuft sich der 2020 in Österreich erzielte Umsatz mit Fairtrade-Produkten. Ein Plus von elf Prozent im Vergleich mit dem Jahr davor und in Summe bald eine Vervierfachung jenes Umsatzes, der vor zehn Jahren erzielt wurde. Was bei der Analyse der aktuellen Zahlen schnell auffällt: Egal ob es um Rohkaffee, Bananen, Kakaobohnen, Rohrzucker, Reis, Rosen oder Rohbaumwolle geht – überall legte die Fairtrade-Absatzmenge in Österreich 2020 zu. Fast überall sogar deutlich.

Fairtrade-Österreich-Chef Hartwig Kirner
Fairtrade-Österreich-Chef Hartwig Kirner © Fairtrade/Dominik Schallauer

48 Prozent des österreichischen Fairtrade-Umsatzes werden heute mit "Schokolade & Süßwaren" erzielt. Bald schon könnte dieser Wert noch deutlich höher liegen. Erst jüngst gab Manner bekannt, die Produktion aller Waffelprodukte auf Fairtrade-Kakao umzustellen, Backwarenhersteller Ölz und Berglandmilch folgten knapp danach. In den abgesetzten Mengen wird das aber erst 2021 schlagend, Fairtrade prognostiziert bei Kakao auch deswegen eine Verdopplung in den kommenden Jahren. Und das, obwohl man bei den verkauften Kakaobohnen schon 2020 ein Plus von 54 Prozent gegenüber dem Vorjahr registrierte. 

Jede vierte Banane ist heute "fair gehandelt"

Zugute kommen die steigenden Umsätze naturgemäß auch den Fairtrade-Produzenten. 51,8 Millionen Euro (63,2 Millionen US-Dollar) gingen durch den Verkauf von Fairtrade-Produkten in Österreich 2020 direkt an die Produzentenorganisationen. So viel wie nie zuvor. 

Die Banane gilt dabei als besonders wichtiges Produkt. Seit 2002 werden  Fairtrade-Bananen in Österreich gehandelt, heute ist in Summe jede vierte im Land verkaufte Banane "fair". Nur in der Schweiz liegt die Quote noch höher. Das Österreich-Plus im vergangenen Jahr, immerhin vier Prozent mehr Fairtrade-Bananen wurden abgesetzt, fällt verhaltener aus als bei anderen Produkten. Neben einem gesättigteren Markt hat das auch mit heftigem Verdrängungswettbewerb zu tun.

Erst 2019 beschloss Lidl, eigentlich ein Fairtrade-Vorreiter, nur noch fair gehandelte Bananen verkaufen zu wollen. Jetzt findet man dort aber, wie bei den meisten anderen Händlern, auch wieder billigere Konkurrenz. "Ich verstehe nicht, warum die Banane so billig sein muss und der Kilopreis für ein Produkt mit globaler Lieferkette häufig bei unter einem Euro liegt", erklärt Hartwig Kirner. "Es ist eigentlich sogar absurd. Aber so ist nun einmal der Markt."

Neue Entlohnung für Plantagen-Arbeiter

Fairtrade könne und wolle sich auf den Preiskampf nicht einlassen. Im Gegenteil. Ab Juni werden zertifizierte Fairtrade-Bananenplantagen verpflichtet, ihren Beschäftigten mindestens 70 Prozent eines "existenzsichernden Nettolohns", eines sogenannten "living wage", zu zahlen.

Das System löst die bisherige Herangehensweise ab, wonach gesetzliche Mindestlöhne für die Bezahlung herangezogen werden. Diese, erzählt Kirner, würden in den meisten Produktionsländern aber deutlich unter wem "living wage" liegen, der über die bloße Abdeckung von "Essen und Wohnen" hinausreicht. Der Schritt soll einer nach wie vor dramatischen Einkommenssituation im Bananenanbau entgegenwirken.

Ab Juli gelten neue Entlohnungs-Regeln auf Fairtrade-Plantagen
Ab Juli gelten neue Entlohnungs-Regeln auf Fairtrade-Plantagen © Fairtrade/Sean Hawkey