Die Frage, die wohl die meisten Menschen derzeit bewegt, ist eine ganz schlichte: Wann können wir endlich wieder normal verreisen?
HELGA FREUND: Was wird normal sein? Im vergangenen Sommer war Reisen ja möglich, nur eben nicht so wie vor der Pandemie. Eine Rückkehr auf ein Niveau wie vor Covid-19-Zeiten wird nur stufenweise erfolgen. Wir gehen davon aus, dass diesen Sommer wieder mehr gereist werden kann. Ich hoffe, es geht doch schneller mit den Impfungen. Die Sehnsucht nach Reisen ist jedenfalls sehr groß. Das zeigt eine Umfrage, die wir mit 4511 Menschen gemacht haben, ganz deutlich. 98 Prozent wollen heuer verreisen. So einen hohen Wert hatten wir in unseren Umfragen noch nie.

Das ist verständlich, aber soll man tatsächlich jetzt schon Urlaubspläne schmieden oder doch lieber noch etwas abwarten?
Unbedingt sollte man planen. Wir wissen nicht nur durch die Umfrage, dass neben dem Reisebedürfnis auch das Sicherheitsbedürfnis der Menschen sehr hoch ist. Das merken wir in den Reisebüros.

Sind die derzeit denn überhaupt besetzt?
Sie sind telefonisch erreichbar. Die meisten Mitarbeiter sind zwar im Homeoffice, aber manche Büros sind sogar tatsächlich mit einzelnen Kollegen besetzt. Beratung ist gefragt, deshalb gibt es auch eine Service-Zentrale im Headoffice. Viele wollen wissen, wo sie denn überhaupt hinfahren können. Oder zum Beispiel, ob ich für Griechenland eine Impfung brauche. Oder ob ich auch wieder stornieren kann, wenn ich die nicht rechtzeitig bekomme. Wir sehen da bei uns eine große Verantwortung in der Aufklärung. Es gibt ja dauernd neue Information zu den einzelnen Ländern. Da haben wir ein ganzes Team dahintergesetzt, das sich nur darum kümmert.

Ist es aus rechtlicher Sicht gescheit, schon jetzt fix zu buchen?
Wer sich Reisen selbst zusammenstellt, Flüge im Internet bucht, hat ein hohes Risiko. Das sagen die Konsumentenschützer klar. Wenn Reisen wieder möglich ist, wird das vor allem in Europa sein. Deshalb bieten wir jetzt schon einige Pauschalreisen an, wenn man die frühzeitig bucht, konkret bis Ende März, dann kann man bis zu 14 Tage vor Reiseantritt ohne Angabe von Gründen stornieren und man bekommt seine Anzahlung zurück. Das sind vor allem Ziele am Meer etwa in Griechenland, Italien oder Kroatien. Da wird es eher beschränkte Kapazitäten geben.

Wie ist die Nachfrage?
Sehr gut. Ein Viertel der Umfrage-Teilnehmer würde sogar schon wieder gerne eine Fernreise buchen. Aber das wird wahrscheinlich erst wieder im Herbst oder im kommenden Winter möglich sein. Wir haben Expeditionskreuzfahrten für den Sommer 2022, die jetzt schon völlig ausgebucht sind.

Wegen der britischen Virusvariante erwarten Infektiologen allerdings einen neuen Höhepunkt der Pandemie im März. Wünscht man sich bei derart unsicheren Aussichten nicht noch kurzfristigere Stornomöglichkeiten?
Wir reden ja jetzt vor allem über Juli und August. Es geht sozusagen um null Risiko für alle, die sich ihren Sommerurlaub zum richtigen Termin am Wunschplatz sichern wollen.

Wie wird das bei kurzfristigen politischen Entscheidungen sein, falls Länder weiter oder wieder als Risikogebiet gelten?
Bei kurzfristigen Lockdowns oder Grenzschließungen werden wir umbuchen oder kulant stornieren.

Erwarten Sie, dass der Impfpass zu einer Art Reisepass wird?
Ich kann mir schon vorstellen, dass die Impfung für Reisen sehr wichtig werden wird. Wir werden Kunden auf alle Bestimmungen aufmerksam machen.

Auf der Seite der Partner, sehen Sie da ein Hotel-Sterben?
Das sehen wir so nicht, unsere Partner sind alle zuversichtlich, dass das eine gute Saison wird.

Wie kommt das Verkehrsbüro selbst als Gruppe durch die Krise?
Den Winter können wir natürlich völlig abhaken. Für den Somer sind wir optimistisch. Wir gehen in der Ruefa davon aus, dass der Umsatz heuer bei 50 Prozent des Umsatzes von 2019 liegen wird. 2020 waren wir 70 Prozent hinter 2019.

Wann erwarten Sie eine Rückkehr auf das Niveau von 2019?
Ungefähr 2023. Wir haben noch eine Durststrecke vor uns.

Die Hilfen der Regierung waren bisher ausreichend?
Die Kurzarbeit haben wir über die ganze Gruppe umgesetzt. Generell sind die Hilfen in Österreich umfangreicher als in anderen Ländern. Wichtig wäre, nicht alles auf kleine Unternehmen auszurichten.

Verlängern Sie die Kurzarbeit?
Das schauen wir uns erst an.

Oder droht bei den Reisebüros durch Digitalisierung eine Schließungswelle?
An der Digitalisierung arbeiten wir intensiv. Da wollen wir viel investieren. Aber wir sind trotzdem davon überzeugt, dass die menschliche Komponente ganz wichtig bleibt. Einzelne Standorte prüfen wir immer ganz genau, eine Schließungswelle sehe ich nicht.

Ist Personalabbau ein Thema im Zuge der Umstrukturierungen?
Wir evaluieren gerade, wie wir uns da aufstellen. Für Details ist es zu früh.

Wie viel Substanz hat die Krise die Gruppe gekostet?
Unsere Bilanz wird rot sein, das geht gar nicht anders. Wir sind trotzdem gut aufgestellt und wir haben Eigentümer, die uns unterstützen (AVZ-Stiftung und Wr. Städtische, Anm.). Es ist auch für uns schwierig, aber ohne Gefahr einer Schieflage.

Sieht die neue Strategie vor, einige Bereiche abzustoßen?
Wir sind noch in der Endphase der Strategiearbeit, der letzten Feinabstimmung. Da kann ich jetzt nichts vorwegnehmen.

Aber können Sie zu Grundzügen der Strategie etwas sagen?
Wir wollen natürlich klar definieren, worauf wir uns in Zukunft konzentrieren wollen, um wieder zu wachsen.

Was ist die wichtigste Lehre aus der Pandemie und was macht Ihnen derzeit die meisten Sorgen?
Flexibilität, Erreichbarkeit ist ganz elementar, wir haben schnell ein eigenes Krisenteam aufgestellt. Jetzt ist wichtig, dass weltweit schnell geimpft wird.

Wird beim Reisen künftig stärker dem Klimaschutz Rechnung getragen?
Natürlich. Das Thema wird sicher nicht mehr weggehen, aber wir können es auch nicht über alle Reisen drüberziehen. Das würde nicht funktionieren, weil es einfach sehr viele Reisende gibt, die gern Kreuzfahrten buchen oder auch weit wegfliegen möchten. Es wird von uns aber eine ganz eigene Linie geben, wo Nachhaltigkeit die zentrale Rolle spielt. Wir glauben, dass das ein großes Zukunftsthema ist.