Mit mehr als 500.000 Arbeitslosen zum Höhepunkt der Wirtschaftskrise im Winter rechnet AMS-Kärnten-Chef Peter Wedenig. Um 80.000 Menschen mehr als jetzt, aber auch deutlich weniger als die vom Chefökonom der IV Christian Helmenstein zuletzt prognostizierten 800.000 Personen auf Jobsuche. Helmenstein sprach zuletzt auch davon, dass die Krise in Österreich enormes Rationalisierungspotenzial aufgezeigt haben. Für Wedenig nachvollziehbar: „Ja, Rationalisierungseffekte treten jetzt ein, man sieht, dass Betriebsinhaber die Gelegenheit nutzen, Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen.“

"Können uns Arbeitslosenheer nicht leisten"

Es sei möglich, dass „gewisse Bereiche komplett verschwinden, aber es werden auch neue entstehen.“ Historisch betrachtet hätten solche Ereignisse „immer dazu geführt, dass es letztlich mehr Beschäftigte gab.“ Für die vielen neuen Arbeitslosen müsse die Regierung die nötigen Milliardenhilfen lockermachen: „Denn wir können uns ein so großes Heer an Arbeitslosen nicht leisten.“ Am stärksten von der Krise betroffen seien nach wie vor Frauen und Geringqualifizierte. „Zukunftssicher“ seien Gesundheitsberufe, „und alles was Richtung Digitalisierung, IT und Software geht“.

Das AMS benötige zur Bewältigung der Krise zusätzliches Personal – nicht nur 350 neue Stellen, wie sie Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) ankündigte, sondern um 400 mehr - "österreichweit 750", sagt Wedenig: „Das ergibt unsere Personalbedarfsrechnung“

Dass Politikeraussagen von der Reindustrialisierung Europas der Realität nicht standhielten zeige der Fall MAN Steyr, wo bis 2023 2300 Mitarbeitern ihren vermeintlich gesicherten Arbeitsplatz verlieren – trotz modernster Anlagen und hochqualifiziertem Personal: „Aussagen der Politiker europaweit mit dem Ansatz, Europa zu reindustrialisieren, halten dem nicht stand“, sagt Wedenig. „Die Karawane zieht weiter. Die Lohnstückkosten sind eben ein wesentlicher Punkt, wo Unternehmen bleiben. Schwellenländer haben in der Qualität nachgeholt.“

"Bessere und intelligentere Produkte"

Österreich und Europa müssten jetzt „den Schritt nach vorne“ schaffen, in Bereiche, in denen es „bessere und intelligentere Produkte“ anbieten könne. „Wir müssen noch schneller gehen und innovativer sein.“ Er ist weiterhin davon überzeugt, dass Qualifizierung der Schlüssel zum Erfolg sei, es könne aber sein, dass „kurzfristig spezielle Qualifikationen nicht gefragt sind.“

Die Automobilindustrie sei besonders von der Krise betroffen, da sich in diesem so bedeutenden Industriezweig schon vor Corona große Fragezeichen zur Antriebstechnologie der Zukunft stellten: Unternehmensführer wüssten nicht, wohin die Reise geht, man könne nur einmal investieren, wer aufs falsche Pferd setzt, hat verloren. „Für Beschäftigte bedeutet das eine Freisetzung, wenn das Produkt am Markt nicht mehr nachgefragt wird – da geht es gar nicht mehr um die Lohnstückkosten.“

Ein zweiter Lockdown würde die noch deutlich erkennbare erste große Verwerfung am Arbeitsmarkt „noch einmal vergrößern“ – er wäre schwer zu stemmen, doch es wäre wohl „alternativlos, wieder Mittel in die Hand zu nehmen, um die Folgen abzufedern.“

"Art zweiter Lockdown in der Gastronomie"

In der Gastronomie sieht Wedenig bereits wieder „eine Art zweiten Lockdown“, nicht weil Geschäfte und Lokale behördlich schließen müssten, „sondern weil es zu Ausgangssperren und Einschränkungen kommen wird“ – dann werde Lust und Möglichkeiten der Leute auszugehen begrenzt sein. Das heißt: „Die Betriebe hätten zwar offen, aber es werden keine Kunden kommen.“ Das führe zu massiven Umsatzverlusten und der Frage: „Kann man dann den Betrieb überhaupt noch offenlassen?“

Der Sommertourismus sei in Kärnten überraschend gut verlaufen, viele Österreicher und Deutsche hätten wegen der geringen Fallzahlen ihren Urlaub in Kärnten verbracht. Wedenig: „Der Wintertourismus spielt in Kärnten nicht diese große Rolle. Man kann in Kärnten auch gut gegensteuern.“ Er gehe daher davon aus, dass der Wintertourismus in Kärnten 2020/2021 „nicht viel schwächer sein wird als in den Vorjahren“.