Die Kritik von Unternehmern an der Umsetzung der Coronahilfen nimmt rasant zu. Was hören Sie von Ihren Klienten?
FRIEDRICH MÖSTL: Es sind zahlreiche Programme in Aussicht gestellt und zugesagt worden, die Betriebe sind in Erwartung, aber die Umsetzung lässt in vielen Bereichen auf sich warten. Für viele Unternehmer ist das also noch immer nicht mehr als eine Karotte, die ihnen vor die Nase gehalten wird. Entscheidend ist sicherlich, wie schnell es nun tatsächlich zu den ersten Auszahlungen von Fixkosten-Zuschüssen kommt, dort sind die Anträge seit 20. Mai möglich.

Die ersten Auszahlungen wurden nach zehn Tagen versprochen.
Aber leider hat es fast eine Woche gedauert, bis sich für die Antragsteller die Nebel gelichtet haben. Am ersten Tag war es technisch noch nicht möglich, über FinanzOnline den Antrag zu stellen, dann hat es einige Tage gedauert, bis Ausfüllhilfen und FAQ ausformuliert waren.

Wo ist der Frust am größten?
Die Hauptkritikpunkte beziehen sich auf die zu bürokratische Abwicklung vieler Hilfsprogramme und auf die Dauer, bis dann tatsächlich Liquidität bei den Unternehmen ankommt. Damit die Stimmung nicht kippt, müssen diese angekündigten Hilfen schnell und professionell umgesetzt werden. Es muss mit Hochdruck daran gearbeitet werden. Die Fixkostenzuschüsse sind sicher ein richtiges Instrument, aber die Zeitpläne müssen eingehalten werden.

In welchen Branchen ist die Not am stärksten ausgeprägt?
Ganz besonders betroffen sind vor allem kleinere Unternehmen, die schon zuvor gekämpft haben. Große Schwierigkeiten nehmen wir vor allem in der Gastronomie, im Tourismus und im Handel wahr. Man darf auch nicht vergessen, dass es bestimmte Bereiche gibt, wo noch alles unklar ist, etwa in der Eventbranche. Die schreien zu Recht auf, dass für sie das Modell der Fixkostenzuschüsse in der Form nicht passt. Auch bei den Non-Profit-Organisationen ist der Frust groß, da wurden vor Wochen 700 Millionen Euro angekündigt, geflossen ist noch nichts, keine der in Aussicht gestellten Zeitspannen hat gehalten. Hier ist das politische Management dringend gefordert, etwas Sinnvolles vorzulegen. Viele sind längst an der Existenzgrenze angelangt.

Wird sich das auch in den Insolvenzzahlen niederschlagen?
Das wird man sehen. Aber klar ist, dass es spätestens im Herbst, wenn dann die vielen Steuerstundungen nachzuzahlen sind, zu einer Doppelbelastung kommt. Die Stundungen sind ja für viele Unternehmer keine Problemlösung, sondern letztlich eine Art Schneeballsystem, da wird ein Ball gerollt, der immer größer wird, zumal viele Branchen ja nachhaltig beeinträchtigt sind.

Was könnte eine Lösung sein?
Die gibt es nur über rasche direkte Zuschüsse, umso wichtiger ist es, dass die Mittel aus Kurzarbeit und Fixkostenzuschuss schnell fließen. Die Unternehmen müssen wissen, worauf sie vertrauen können, um auch wieder eine sinnvolle Fortbestandsprognose treffen zu können. Man darf ja nicht vergessen, dass sich in der jetzigen Phase nicht nur die Staaten, sondern auch die Unternehmen verschulden, das muss ja zurückgezahlt werden, irgendwann kommt die Stunde der Wahrheit.

Wäre eine temporäre Mehrwertsteuersenkung wie in Deutschland als Konjunkturimpuls auch für Österreich sinnvoll?
So eine Maßnahme kostet extrem viel, es stellt sich aber die Frage, wie hoch der Wirkungsgrad tatsächlich ist, vor allem in einer Zeit, in der das Konsumklima schlecht ist. Ich bin skeptisch – und für gezielte Maßnahmen.

Welche?
Kurzarbeit und Fixkostenzuschuss sollten weiter gefördert werden. Man könnte für betroffene Branchen auch nachhaltige Umschuldungen in Betracht ziehen, auch eine Investitionszuwachsprämie für zusätzliche Beschäftigte wäre sinnvoller. Es wird auch nötig sein, die Rückzahlung der Corona-Hilfskredite über einen Zeitraum von zehn Jahren zu strecken, weil für viele fünf Jahre sicher zu wenig sind.

Welche steuerlichen Maßnahmen sind nötig?
Eine Entlastung bei der Lohnsteuer wäre wichtig, weil so mehr Geld direkt beim Konsumenten ankommt, das belebt die Kaufkraft. Es freut uns, dass die Regierung offenbar die Forderung unserer Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nach einem Verlustrücktrag aufgreift. Das bietet die Möglichkeit, Verluste aus der Coronakrise sofort mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnen zu können. Wenn man 2019 noch ein gutes Jahr hatte, die Verluste von 2020 aber gleich verwerten kann, dann wirkt sich das unmittelbar auf die Steuerlast und die ansonsten nötige Steuervorauszahlung im Herbst aus – das ist eine sofort wirksame Hilfe.

Wie geht es dem Berufsstand der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in dieser Krise?
Wir haben als Kammer ja auch einen eigenen Härtefallfonds für unsere Kollegen eingerichtet, für jene, die zu kämpfen haben. Der Beratungsaufwand rund um die Coronahilfen ist enorm, wir haben aber auch gesehen, dass die Anpassungsfähigkeit, die viel zitierte Resilienz, in unserem Berufsstand stark ausgeprägt ist. Der Fokus auf die Digitalisierung wird noch zunehmen, wir werden, auch über unsere Akademie, noch stärker in Schulungsmaßnahmen investieren und die Buchhaltung noch weiter in Richtung Digital Accounting entwickeln.

Friedrich Möstl und Klaus Gaedke
Friedrich Möstl und Klaus Gaedke © (c) Foto Fischer