“Es ist wie auf einer Hochschaubahn im freien Fall, aber man weiß nicht, wann man unten ankommt”, sagt Maryam Yeganehfar. Seit elf Wochen erlebt die Geschäftsführerin der Wiener Eventagentur “yamyam”, wie eine ganze Branche auf den Abgrund zusteuert. Veranstaltungstechniker, Mietmöbelfirmen, Floristen, Fotografen, Cateringfirmen usw. – sie alle leben von privaten Events oder Firmenveranstaltungen, die von Full-Service-Agenturen wie jener von Yeganehfar geplant und organisiert werden. 

Anfang März wurde noch von Verschiebungen gesprochen. Zwei Wochen später sind täglich Veranstaltungen bis September abgesagt worden – normalerweise die wichtigsten Monate für die Branche. 149 Kongresse fanden im Vorjahr in Wien statt. Auch der europäische Kongress für Radiologie (ECR), mit rund 30.000 Teilnehmern für gewöhnlich der Jahresauftakt größerer Veranstaltungen dieser Art. Heuer muss er wie viele andere ausfallen. “Bei manchen meiner Lieferanten und Partner sind durch die Absage des ECR Umsätze von sechs bis acht Millionen Euro einfach verschwunden”, sagt Yeganehfar.

Irgendwann gab es nichts mehr zu stornieren. Aber auch versprochene Hilfeleistungen der Regierung kamen nicht an oder wurden nicht weit genug gefasst. Weder im Bereich der Kurzarbeit, noch bei Zuschüssen und Überbrückungskrediten. “Oder wenn der Staat sagt, er bietet Stundungen an. Was bringen mir die, wenn ich gar kein Geld verdiene?”, so Yeganehfar. “Seit 1. März zahle ich Fixkosten, Mitarbeiter und das eigene Leben mit Familie und Kind aus eigener Tasche. Dann soll ich im Dezember das Doppelte oder Dreifache zahlen, ohne einen Cent verdient zu haben? Nach Woche elf fühle ich mich nur noch veräppelt. Die Versprechungen waren eine reine Marketingkampagne.

Während für den Kunst- und Kulturbetrieb erste Möglichkeiten einer Wiederaufnahme präsentiert wurden, ist eine Regelung für Events und Kongresse, bei denen Personen nicht sitzen, sondern auch stehen und sich bewegen, noch nicht in Sicht. Und wenn sie wieder möglich wären, sind für größere Veranstaltungen mehrere Wochen oder Monate an Planung notwendig. “Wenn ich erst 2021 wieder zu arbeiten beginnen kann, schreiben wir die ersten Honorarnoten im zweiten oder dritten Quartal des Jahres. Was dann heißt, dass ich mein ganzes Unternehmen mit meiner eigenen Liquidität ein Jahr lang durchtragen muss”, erklärt Yeganehfar.

Überleben könne die Branche ihrer Meinung nach nur, wenn sie in eine Art Dornröschenschlaf versetzt wird. Heißt: Verlängerung der Kurzarbeit, bis wieder gearbeitet und Geld verdient werden kann, Erhöhung der Zuschüsse und ein Stopp aller Abgaben. So hat es Yeganehfar auch in einem Offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz, Finanzminister Gernot Blümel und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck formuliert, den sie im Namen von mittlerweile über 900 Unternehmen aus ganz Österreich verfasst hat, die sich in den Initiativen “Ohne uns” bzw. “Kein Event” zusammengeschlossen haben. Laut den Organisatoren geht es um insgesamt 140.000 Menschen, die im Veranstaltungssektor arbeiten

Die Initiative fordert auch einen Runden Tisch mit Verantwortlichen aus der Politik. Konkrete Rückmeldung gab es bislang keine. Einzig Wirtschaftsministerin Schramböck zeigte sich bei einer Pressekonferenz am Dienstag – wenn auch erst auf Nachfrage eines Journalisten – bereit zu einem Treffen. “Ich habe sie daraufhin persönlich angeschrieben und warte jetzt auf einen Anruf”, sagt die Event-Managerin, hat aber Zweifel. So meinte Schramböck, dass sie zu einem Treffen die “dafür zuständige” Ministerin Elisabeth Köstinger hinzuziehen wolle. “Der Tourismus hat eigentlich nur bedingt mit unserer Welt Überschneidungen”, so Yeganehfar.