Privatjet, Luxuslimousine, Champagner-Empfänge, Büros in Glas- und Marmoroptik, es wird alles getan, um Erfolg und Reichtum darzustellen. Im Zuge des Booms mit Kryptowährungen entwickelten Cyberkriminelle ein Abzocksystem, das Pyramidenspiel und Schneeballsystem kombiniert. Eines der ersten war „Onecoin“, das die „Revolution des Finanzwesens“ versprach. Gegründet von der Rumänin Ruja Ignatova sammelte das System rund 4,7 Milliarden Euro ein, 50 Millionen davon in Österreich. Die Gründerin tauchte 2017 ab, ihr Bruder sitzt in den USA in Haft und hat den Betrug eingestanden.

Onecoin gilt als Blaupause für zahlreiche Betrugssysteme auf Kryptobasis. Die Vorgehensweise ist immer gleich: Anleger sollen schnell reich werden, dank einer besonders „innovativen“ Kryptowährung, von Finanzwelt bis Umwelttechnologie reichen dabei die angeblichen „Erfindungen“. Die Namen klingen exotisch, begleitet von Worten wie „Wallet“, „Network“, „Cloud“, „Token“ oder „Coin“. Dazu kommen Gewinne aus dem Reich der Fantasie. So wirbt aktuell eines dieser Systeme mit 0,32 Prozent Rendite – pro Tag!

Fake-Zinsen

Möglich ist das, weil die Verzinsung nicht in Euro geschieht, sondern in einer Pseudokryptowährung, einem sogenannten Token. Auf Basis des Ethereum-Systems lässt sich so etwas in kurzer Zeit realisieren. Dieser Betrugstoken, in der Szene „Shit-Coin“ genannt, ist so programmiert, dass er wie ein betrügerisches Ponzi-System funktioniert. Ein potenzielles Opfer, im System „Investor“ bezeichnet, bekommt einen Anteil des „Gewinns“ von Personen, die er angeworben hat, und jenen, die diese anwerben, und so weiter. Das geht 20 bis 30 Ebenen nach unten.

In der „Wallet“ dieser Betrugskryptowährung vermehrt sich diese dann wie von Zauberhand. Der Haken: Kaufen und verkaufen kann man diese Coins nur bei den jeweiligen Vertriebspartnern. Es gibt kein anderes Unternehmen, das sie gegen echte Euros eintauscht. Auf Veranstaltungen in Österreich und Deutschland wird derzeit versucht, neue Opfer anzuwerben. Und tatsächlich: Solange Geld hereinkommt, frische „Investoren“ geworben werden, werden auch Beträge ausbezahlt, und zwar mit dem Geld der neuen Betrugsopfer. Kommt kein Geld mehr herein, machen sich die Betreiber aus dem Staub.

Experten nennen diese Systeme Exit-Scam. Die Firmensitze liegen oft in Steueroasen, Strohmänner sind als „Eigentümer“ eingetragen und Geschäftsführer werden schon einmal auch einfach erfunden. Operativ gelenkt werden solche Systeme oft aus Österreich. „Das ist besorgniserregend“, sagt Johannes Grill, Präsident von Bitcoin Austria, einer Organisation, die über seriöse Einsatzmöglichkeiten von Kryptowährungen informiert. „Es ist offenbar nicht möglich, Leute hochzunehmen, die online Tausende Menschen abzocken“, kritisiert Grill. „Die FMA reagiert erst, wenn es eine Meldung gibt, Staatsanwälte ermitteln erst, wenn es Geschädigte gibt.“ Tatsächlich gibt die FMA auch zu bereits gemeldeten Fällen, die der Kleinen Zeitung bekannt sind, keine Auskunft.

Hackerangriffe gegen Kritiker

Was geschieht, wenn man so ein System aufdecken will, erlebte der deutsche Fachjournalist Markus Miller. Der Experte für Bitcoin und Co. hat schon in der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ vor Krypto-Betrügern gewarnt und wird von der Börse Stuttgart als Fachmann für Kryptowährungen herangezogen. „Bei der Börse sind Meldungen über ein neues System eingegangen, deshalb habe ich mir die genau angeschaut.“ Sein Urteil fällt in zwei Videos recht deutlich aus. „Es fehlen die nötigen Banklizenzen und es gleicht den bisherigen Betrugssystemen in Aufbau und Aussehen.“  Was nach der Veröffentlichung der Videos geschehen sei, habe Miller noch nicht erlebt. „Seitdem gibt es auf meiner Seite krypto-x.biz massive Hackerattacken.“

Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung betont einer der Gründer des von Miller kritisierten Systems (Name ist der Redaktion bekannt), dass die „Investoren“ stets vor dem drohenden Totalverlust ihrer Einlagen gewarnt wurden. Auch den Vorwurf, Kritiker mit Hackerattacken zu überziehen, weist er zurück. Man hätte das nicht nötig, sondern gehe juristisch gegen solche Meldungen vor.

Bundeskriminalamt warnt

Tatsächlich ist Miller inzwischen in einen Rechtsstreit mit dem besagten System und seinen Hintermännern verwickelt. Beide werfen sich gegenseitig üble Nachrede vor. Inzwischen liegen mehrere Anzeigen gegen die Betreiber dieses Systems in Österreich vor.

Ob die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnimmt, ist aber unklar. Immerhin: Inzwischen warnt sogar das Bundeskriminalamt vor einer Zunahme von Betrugsmaschen mit angeblichen Kryptoanlagen. „Wenn die Behörden eingreifen, ist das Geld halt oft schon weg“, wendet Grill ein. Anleger warnt Grill eindringlich vor solchen Maschen. „Niemand hat Geld zu verschenken.“