Zu Lebzeiten galt David Carr als besonders intimer Kenner und Freund sozialer Medien. Als der Journalist 2015 mit nur 58 Jahren inmitten des Newsrooms, des pulsierenden Herzens seiner „New York Times“, kollabierte und kurz darauf starb, folgten ihm auf Twitter bereits 500.000 Menschen.

Ein Jahr später waren Carrs Fans erneut geschockt. Ein Sex-Bot hatte das Profil des toten Kolumnisten übernommen und unter dessen Twitter-Namen obszöne Nachrichten und Links gepostet. Auch wenn Twitter schnell reagierte und das Profil zurücksetzte, brach in den USA eine wuchtige Diskussion los. Im Zentrum stand die sensible Frage, wie die rasch größer und mächtiger werdenden Online-Netzwerke Konten von Verstorbenen schützen wollen.

Mittlerweile geht es zunehmend auch um andere, noch viel größere Fragestellungen: etwa, wie die Dauerhaftigkeit von Daten die Kultur des Erinnerns verändert. Und vor allem, wie ich als Einzelner schon zu Lebzeiten meinen digitalen Nachlass regeln kann. Klar ist, dass es für die noch jungen Giganten – Facebook wurde 2004 gegründet, Twitter 2006, Instagram 2010 – diesbezüglich vermehrt Handlungsbedarf gibt. Laut einer im April veröffentlichten Oxford-Studie werden in 50 Jahren mehr Profile von Toten als von Lebenden auf Facebook zu finden sein.

Ein Facebook-Profil im "Gedenkzustand"
Ein Facebook-Profil im "Gedenkzustand" © Facebook

Dort wiederum gibt es seit 2015 die Möglichkeit, das Profil in einen „Gedenkzustand“ umzuwandeln. Neben dem Namen findet sich dann ein „In Erinnerung an“, die Konten erscheinen nicht mehr als Geburtstagserinnerung oder Werbeanzeige. Schon zu Lebzeiten können Nutzer selbst einen „Nachlasskontakt“ wählen, der später über das Profil verfügt. Selbst die Löschung des Kontos im Todesfall kann vorab bestimmt werden. Verzichtet man darauf, können nach dem Ableben immer noch Familienangehörige oder der Nachlassverwalter das Profil umwandeln.

Ähnlich wird der Nachlass auch auf Twitter geregelt. Verstirbt ein Nutzer, kann ein unmittelbares Familienmitglied oder eine bevollmächtigte Person den Account löschen lassen. Dazu ist ein (elektronischer) Antrag an Twitter nötig, der unter anderem mit der Sterbeurkunde belegt werden muss. Twitter betont allerdings – wie übrigens auch Google –, dass Log-in-Daten nicht weitergegeben werden, unabhängig davon, welche Beziehung zwischen Verstorbenem und Antragsteller bestanden haben mag.

Die Pflege eines Twitterprofils als Gedenk-Account ist indes nicht vorgesehen. Und so ist das Profil des bekannten österreichischen Journalisten und heroischen Kämpfers für ein Rauchverbot, Kurt Kuch, mehr als vier Jahre nach seinem Lungenkrebstod noch immer online, und zwar genau so, wie er es hinterlassen hat. Mit mehr als 12.000 Followern.

Löschen, übertragen oder archivieren

Der digitale Nachlass freilich geht heute weit über soziale Netzwerke hinaus. Was passiert nach dem Tod eines Angehörigen zum Beispiel mit Online-Bankkonten, E-Mail-Accounts oder Abos bei Streamingdiensten wie Spotify oder Netflix? Eine Möglichkeit ist, im Interesse der Erben Ordnung zu schaffen und für Vertrauenspersonen Listen aller Konten und der Zugangsdaten zu erstellen und zu fixieren, was damit nach dem Ableben geschehen soll. Diese Liste, die freilich aktuell gehalten werden muss, kann bei einem Notar hinterlegt werden.

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Broschüre der ISPA zum

Einen Service für „Digitalen Nachlass“ bietet wiederum die Bestattungsbranche in Österreich an. Über einen Zeitraum von mehreren Monaten können Internetverträge, Nutzerkonten und Mitgliedschaften auf Wunsch der Erben gelöscht, übertragen oder archiviert werden.