Junge Italiener nutzen Einkaufszentren nicht nur, um sich die Zeit mit sehnsüchtigen Blicken in Fensterläden zu vertreiben. Immer mehr Kunden probieren in Geschäften Produkte wie Schuhe und Kleidung an, die sie anschließend aber nicht kaufen, sondern billiger im Internet erwerben. Die Händler vor Ort gehen leer aus. Um dem als wachsende Plage empfundenen Phänomen Einhalt zu gebieten, verlangen immer mehr Einzelhändler sehr zum Unwillen ihrer Kundschaft Gebühren. Zehn Euro für die Anprobe von Schuhen sind kein Einzelfall mehr. Ob sie potenzielle Käufer vergraulen oder nur Kaufunwillige vertreiben, ist umstritten.

Viele junge Käufer wählen meist zuvor gezielt bei Internetriesen die Ware aus. Im Laden probieren sie anschließend nur das, was sie online erwerben und nicht im Laden erwerben wollen, dessen Preise mit der Billigkonkurrenz der Internet-Riesen nicht mithalten kann. Probieren muss aber dennoch sein, denn wer weiß schon vorher, ob ihm oder ihr eine bestimmte Farbe oder ein Schnitt wirklich steht und ob der Schuh trotz passender Größe nicht doch irgendwo drückt.

Beschwerde beim Verbraucherschutz

Die Kundin eines Sportwarengeschäfts in Mirandola in der Emilia Romagna verweigerte nun schlicht die Zahlung der geforderten zehn Euro. Schließlich habe kein Schild auf die Gebühr hingewiesen, rechtfertigte sie ihre Beschwerde beim Verbraucherschutzbund Federconsumatori. Als sie wenige Tage später in das Geschäft zurückgekehrt sei, habe es einen entsprechenden Hinweis gegeben. Dennoch will sie dort nicht mehr einkaufen.

Der Verbraucherschutzbund fordert dazu auf, die Zahlung zu verweigern, wenn die Kunden nicht vorab informiert würden. Wenn es keine Hinweisschilder gebe und das Personal dennoch auf der Zahlung bestehe, solle man die Polizei rufen. Den darauf folgenden Streit kann man sich gut als Szene aus einem der in der Nähe von Mirandola gedrehten Filme mit Don Camillo und Peppone vorstellen. Dabei geht es aber nicht um den Kampf zwischen Priester und Bürgermeister, sondern um Kunden, die König sein wollen, Ladeninhaber die verdienen müssen, und Internetriesen wie Amazon, die ohnehin am längeren Hebel sitzen.

Keine Lösung in Sicht

Gegen eine "Beratungsgebühr" kompetenter Verkäufer sei nichts einzuwenden, allerdings nur wenn sie als Anzahlung auf einen künftigen Kauf angerechnet werde, meinen die Verbraucherschützer. Um Missverständnissen vorzubeugen, müssten entsprechende Hinweisschilder bereits am Eingang angebracht werden. Denn so könnten Kunden entscheiden, ob sie sich auf eine Shopping-Tour unter diesen Bedingungen überhaupt einlassen wollen. Viele Kunden dürften allerdings unter diesen Bedingungen gleich ganz auf einen Besuch in Geschäften mit Anprobe-Gebühr verzichten, warnen die Verbraucherschützer.

Lösungsvorschläge, wie der Einzelhandel sich vor Kunden schützen kann, die die anprobierte Ware anschließend lieber bei günstigeren Internetriesen erstehen, kann Federconsumatori auch nicht vorlegen. Der Unmut wächst auf beiden Seiten und der Konflikt wird weiter angefacht. Kundenbeschwerden häufen sich – vor allem im wohlhabenden Norden des Landes.