Anfang des Jahres war die Hoffnung vieler europäischer Sparer noch groß wie lange nicht mehr. Die Europäische Zentralbank, geldpolitischer Schrittmacher des Kontinents, hatte mit Neujahr die umstrittenen wie milliardenschweren Anleihenkäufe zurückgefahren. Nach dieser Straffung rechneten einige Kommentatoren auch mit einer bald folgenden Zinserhöhung und dem vielerorts herbeigesehnten Ende der seit zehn Jahre andauernden Niedrigzinsphase. EZB-Chef Mario Draghi, in Deutschland oder Europas Norden geächtet, stellte das schnell in Abrede – und könnte bei der heutigen EZB-Sitzung in Frankfurt sogar eine gänzlich andere Richtung einschlagen.

Vieles spricht nämlich dafür, dass die Zentralbanker das Anleihenkaufprogramm bald wieder ausweiten. Zudem steht dem Vernehmen nach eine weitere Senkung eines Schlüsselzinssatzes auf der EZB-Agenda. Voraussichtlich im September könnte der Einlagezins für Banken, die kurzfristig nicht benötigtes Geld bei der EZB anlegen, weiter ins Minus wandern und von derzeit -0,4 Prozent auf -0,5 Prozent sinken.

Irritationen schaden

Dabei gilt es heute vor allem auf die Zwischentöne zu hören. Von einer Kommunikation seitens der Zentralbank-Verantwortlichen, die an jene von „Diplomaten“ erinnert, spricht Gerhard Fabisch, Präsident des österreichischen Sparkassenverbands. Kein rhetorisches Mittel ließen Draghi & Co. unversucht, um „Überraschungseffekte oder Irritationen am Markt zu vermeiden“. Auch deswegen rechnet heute kaum jemand mit finalen Beschlüssen, sondern eher mit Ankündigungen, was die EZB in den nächsten Monaten potenziell ändern will.

Rückkehr der lockeren Geldpolitik?

Wie aber würde sich die Rückkehr der extralockeren Geldpolitik auf das Leben der Österreicherinnen und Österreicher auswirken?
Jedenfalls weiter frohlocken können heimische Kreditnehmer. Diese gelten schon jetzt als Profiteure von Niedrigzinsumfeld und einem intensiven Wettbewerb zwischen den Banken. Allerdings, das führte jüngst die Österreichische Nationalbank aus, kamen die zuletzt günstiger gewordenen Kreditkonditionen nur Kunden mit guter Bonität, also Zahlungsfähigkeit, zugute. Bei risikoreicheren Krediten senkten die Banken ihre Margen (Aufschläge auf Referenzzinssätze, Anm.) nicht. Belastet werden neben dem klassischen Sparer dafür in Zeiten wie diesen Vorsorgeeinrichtungen oder Pensionsfonds.

Anstieg frühestens in den 2020er Jahren

Wann sich die Zinssituation – bereits seit 2016 hält die EZB die Leitzinsen auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent – ändern könnte? Gerhard Fabisch, der sich „zumindest positive Zinsen“ wünscht, rechnet mit keiner „wesentlichen Zinswende in den Jahren 2019 und 2020“. Auch in EZB-Kreisen hieß es zuletzt, dass die Zinsen frühestens in den 2020er-Jahren wieder ansteigen könnten. Das lässt eine ältere Diskussion aufflackern. In Deutschland etwa warnt der Präsident des baden-württembergischen Sparkassenverbands, Peter Schneider, bereits wieder vor drohenden Minuszinsen für Sparer.

Amerika macht's anders

Anders verhält sich die Situation in den USA. Dort erhöhte die Notenbank Federal Reserve (Fed) in den letzten Jahren regelmäßig die Leitzinsen. Für Mitte nächster Woche aber wird eine Zäsur erwartet. Zum ersten Mal seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2009 könnte die Fed Zinsen senken. Erwartet wird eine Reduktion um einen Viertelprozentpunkt auf eine Spanne zwischen 2,0 und 2,25 Prozent.
Zur Freude von US-Präsident Donald Trump. Dieser warf der Fed häufig vor, mit hohen Zinsen den Aufschwung zu gefährden. „Verschlafen Sie es nicht wieder“, ließ er die Fed-Manager deswegen bereits Anfang dieser Woche via Twitter wissen. Ein weiterer unverschämter Beeinflussungsversuch der politisch unabhängigen Notenbank. Aber das ist eine andere Geschichte.

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