Vor allem ältere Semester werden sich erinnern. Wer in Österreich bis in die 1980er Jahre von Industrie sprach, meinte meistens die verstaatlichte Industrie. Denn viele der großen Industriebetriebe standen im Eigentum des Staates und wurden eher politisch als wirtschaftlich geführt. Das änderte sich erst nach der Verstaatlichtenkrise, ausgelöst 1985 durch massive Spekulationsverluste einer Voest-Tochter. Nach und nach wurden die staatlichen Betriebe privatisiert.

Dennoch: Bis heute ist die Bundesrepublik, die Bundesländer und viele Gemeinden an Unternehmen beteiligt und bis heute geht es vor allem um politischen Einfluss. Mitte Februar wird deshalb aus der ÖBIB, erst 2015 aus der ÖIAG hervorgegangen, die ÖBAG. Hochrangige Manager die in den Aufsichtsräten der teilstaatlichen Konzerne tätig waren, haben inzwischen ihr Mandat zurückgelegt. Darunter Größen wie der Ex-Siemens-Chef Peter Löscher, der den Aufsichtsrat der OMV leitete oder jüngst Gerhard Roiss, der diese Rolle im Verbund innehatte. Der Grund: Durch die Umfirmierung will die Regierung wieder mehr Einfluss auf die Betriebe nehmen. Finanzminister Hartwig Löger bestreitet das.

Mit der Generalversammlung am 15. Februar nimmt die ÖBAG nun die Arbeit auf.  Der Aufsichtsrat der ÖBAG besteht aus den Kapitalvertretern Helmut Kern (Vorsitzender), Günther Helm (Stellvertreter), Karl Ochsner (Stellvertreter), Iris Ortner, Susanne Höllinger und Christian Ebner. Als Vertreter der Arbeitnehmer sitzen Christine Asperger, Helmut Köstinger und Werner Luksch in dem Kontrollorgan.

ÖBAG-Aufsichtsratsschef Helmut Kern
ÖBAG-Aufsichtsratsschef Helmut Kern © APA/LUDWIG SCHEDL

Enge Bande zwischen Politik und Industrie

Dieser starke Einfluss  der Politik mag jetzt aufregen, doch eigentlich ist sie ein elementarer Teil der österreichischen Geschichte, wie ein Blick auf die Geschichte der ÖIAG-ÖBIB-ÖBAG zeigt.

Am 26. Juli 1946 beschloss das Parlament die Verstaatlichung zentraler Industrie-Betriebe. Der Grund: Man befürchtete die Beschlagnahmung durch die Besatzungsmacht Sowjetunion. 1967 wurde dann beschlossen, die Staatsbetriebe unter einem Dach zu bündeln, der ÖIG, die 1970 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, die Österreichische Industrieverwaltungs-AG, kurz ÖIAG.

Über Jahrzehnte war die Staatsholding dem Willen der jeweiligen politischen Machthaber unterworfen. Wahlen und Klientelpolitik waren wichtiger als eine betriebswirtschaftlich solides Management. Diese Politik führte schließlich 1985 in die Katastrophe. Die staatliche Intertrading, eine Tochter der Voest, hatte mit Spekulationen 5,7 Milliarden Schilling verloren. Der gesamte Voest-Vorstand trat zurück, ein massiver Stellenabbau war die Folge, ebenso wie Neuwahlen.

Die Zeit der Privatisierung

Mit der großen Koalition unter Bundeskanzler Franz Vranitzky begann die stufenweise Privatisierung der Staatsbetriebe.1987 wurde die OMV an die Börse gebracht. Nach und nach wurde der Staatsanteil auf heute 31,5 Prozent reduziert. 1992 gingen 26 Prozent der Simmering-Graz-Pauker Verkehrstechnik (SGP-VT) an Siemens Österreich, 1993 kaufte Siemens weitere 48 Prozent. Auch wurden im selben Jahr 49 Prozent der VA Eisenbahnsysteme (VAE) über die Börse losgeschlagen. 1993 erfolgte der weitere Verkauf von 25 Prozent der VAE über die Börse - die Firma wurde mehrheitlich privat.

Die nächste größere Privatisierung folgte 1993 mit dem Verkauf von 74 Prozent der Austria Mikro Systeme International (AMI) über die Börse, die so zur austriamicrosystems AG (ams) wurde. 1994 wurden die übrigen 26 Prozent an der ams abgegeben. Das Unternehmen mit der Zentrale in Premstätten, südlich von Graz, ist heute ein zentraler Zulieferer für die Smartphone-Hersteller und hat beispielsweise die 3-D-Gesichtserkennung des iPhone X entwickelt.

Die bis zu diesem Zeitpunkt massivste Transaktion am österreichischen Kapitalmarkt erfolgte 1994 mit der Privatisierung von 51 Prozent der VA Technologie AG an der Börse. Im selben Jahr wurden weitere Teile der OMV veräußert. Insgesamt erlöste der Staat 1994 841,2 Millionen Euro, da die übrigen 26 Prozent an der VAE genauso verkauft wurden wie auch die ganze Austria Technologie & Systemetechnik (AT&S) aus Leoben, heute ein weltweit führender Hersteller von Leiterplatten für Computer und Smartphones.

Voest-Privatisierung

Die VA Stahl - die spätere voestalpine - spülte 172,7 Millionen Euro in den 1995er-Staatssäckel: Im Oktober wurden 31,7 Prozent über die Börse verkauft. Im Februar 1996 folgten weitere 4,6 Prozent an einen institutionellen Investor. Mit Antritt der schwarz-blauen Regierung 2000 wurde das ÖIAG-Gesetz novelliert, die VA Stahl stand vorerst nicht auf der Privatisierungsliste - vorerst.

An einer Kapitalerhöhung im April 2002 beteiligte sich die ÖIAG zur Hälfte, der ÖIAG-Anteil sank auf 34,7 Prozent, was dem Staat das 308,4 Millionen Euro einbrachte. Erst mit dem Privatisierungsauftrag der Regierung Wolfgang Schüssel II vom 1. April 2003 wurde die vollständige Privatisierung des in voestalpine umbenannten Stahlkonzerns fixiert.

Am 25. Juni 2003 erfolgte eine Präzisierung des Privatisierungsauftrags an die ÖIAG, unter Berücksichtigung eines österreichischen Aktionärskerns und der heimischen Standorte bei gleichzeitigem Ausschluss eines Verkaufs an einen strategischen Investor. Grund waren aufgedeckte Geheimabsprachen der ÖIAG u.a. mit dem Magna-Konzern von Frank Stronach, was einen politischen Wirbel auslöste, da ein "Filetieren" der voestalpine befürchtet wurde. Die Privatisierung 2003 brachte 246,5 Millionen Euro, die endgültige 2005 weitere 245,2 Millionen Euro.

Filletierung der Steyr Daimler Puch

Über die bis 1997 ebenfalls staatliche Creditanstalt war der Staat auch Eigentümer des Industrie-Konzern Steyr Daimlier Puch, der ebenfalls im Nachhall der Verstaatlichtenkrise aufgeteilt wurde. 1987 wurde die Waffenproduktion als Steyr Mannlicher ausgegliedert, das Buswerk in Griechenland, ebenso wie die Fahrrad- und Mopedsparte von Puch an Bianchi und Piaggio.

1990 wurde die LKW-Produktion an MAN verkauft, die Traktorherstellung ging an den Case-Konzern, heute CNH. Die Bus-Herstellung wurde an Volvo veräußert. 1998 ging die Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeug GmbH an eine österreichische Investorengruppe, die sie 2003 an General Dynamics weiterverkaufte. Im selben Jahr kaufte der Magna-Konzern von Frank Stronach die sparten Fahrzeugtechnik und Antriebstechnik.

Zigaretten und Salz

1995 erfolgte der Verkauf der Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment AG an die Berndorf AG. Diese griff sich auch 27,3 Prozent der Böhler-Uddeholm AG. Nach dem Verkauf von 47,7 Prozent der Böhler-Uddeholm AG 1996 war diese mehrheitlich privatisiert, in die Staatskasse flossen 299,4 Millionen Euro. Im selben Jahr wurden weitere 14,9 Prozent der OMV über die Börse verk1996 wurden auch insgesamt 87 Prozent der VAMED verkauft und die VA Bergtechnik komplett abgestoßen - wie auch die Austria Metall AG an die Bietergruppe Hammerer/Constantia Packaging. Insgesamt kassierte der Staat 1996 653 Millionen Euro bei Privatisierungen.

1997 brachte alleine das Abstoßen von 49,5 Prozent der Austria Tabak 384,4 Millionen Euro. Weitere 9,4 Prozent wurden 1999 verkauft, der Rest unter Schwarz-Blau 2001. 1997 wurden auch 100 Prozent der Österreichischen Salinen AG an eine Bietergruppe Androsch/RLB OÖ/Thomanek verkauft. Insgesamt lukrierte die Republik in diesem Jahr über Privatisierungen 444,7 Millionen Euro.

Abschied der ehemaligen Zentralsparkasse

Von Juni 1997 bis Jänner 1998 wurden auch insgesamt 4,354.000 Aktien der Bank Austria, hervorgegangen aus der Zentralsparkasse, verkauft. 1997 wurde auch die staatliche Creditanstalt mit der Bank Austria fusioniert. Im Februar 1998 wurden weitere 6,269.050 Aktien der Bank Austria durch die PTBG - die vom ÖIAG-Vorstand in Personalunion geführt wurde und 1996 die Bundesanteile an der Bank Austria erworben hatte - abgegeben. Der Verkauf der Bank-Austria-Anteile brachte 570,4 Millionen Euro. 1998 betrug der Privatisierungserlös insgesamt 2,55 Milliarden Euro.

Die PTBG verkaufte für die ÖIAG 1998 auch 25 Prozent plus eine Aktie der Telekom Austria um 1,98 Milliarden Euro an die STET International. Mit 1. Jänner 1998 kamen die Republiksanteile an Dorotheum, Flughafen und AUA in die ÖIAG.

Vor dem politischen Umbruch 2000 kam es auch noch zur Reduktion der ÖIAG-Anteile an der AUA - diese reduzierten sich auf knapp 40 Prozent, da die Staatsholding bei einer Kapitalerhöhung nicht mitzog.

Flughafen und Postsparkasse

Ab dem Jahr 2000 sollten die Flughafen Wien AG, die Telekom Austria AG, die Austria Tabak, die Österreichische Staatsdruckerei GmbH, die Dorotheum GmbH, die Print Media AG und die Österreichische Postsparkasse vorrangig privatisiert werden. Privatisierungskriterium ist der bestmögliche Erlös bei Wahrung der Unternehmens- und Republiksinteressen. Die P.S.K. wurde noch im selben Jahr um knapp 1,3 Milliarden Euro ganz an die BAWAG verkauft. Von der Telekom Austria wurden weitere 27,2 Prozent veräußert - um 1,01 Milliarden Euro. Insgesamt brachten die Privatisierungen anno 2000 der Staatskasse 2,38 Milliarden Euro.

Auch die Selbsterneuerung des Aufsichtsrates, die im Zuge einer angestrebten ÖIAG-Reform zumindest teilweise abgeschafft werden soll, damit die Regierung wenigstens manch "Aufpasser" im Gremium sitzen hat, stammt noch aus dieser ÖIAG-Gesetzesnovelle.

Unter Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP) ging es dann 2001 weiter Schlag auf Schlag mit Privatisierungen - auch abseits von Buwog und Co - in der ÖIAG. Anteile am Flughafen Wien wurden verkauft, vor allem aber auch das Dorotheum vollständig und die restlichen 41,1 Prozent an der Austria Tabak.

Pseudo-Privatisierung des Postbus

2003 kam es zum Verkauf der Postbus AG, die seit 2000 ÖIAG-Tochter war, um 119,2 Millionen Euro an die ÖBB - eine richtige Privatisierung war das natürlich nicht. Die ÖBB sind bis heute zu 100 Prozent im Staatseigentum. Der Verkauf des restlichen Viertelanteils an Böhler Uddeholm brachte in diesem Jahr weitere 133,4 Millionen Euro, dazu kamen die oben erwähnten 246,5 Millionen Euro für voestalpine-Anteile. 1,12 Milliarden Euro lukrierte die Republik 2004 - größtenteils durch den Verkauf von weiteren 17 Prozent an der Telekom Austria.

2005 brachte die vollständige Privatisierung der VA Tech an Siemens Österreich 146,3 Millionen Euro. Auch die komplette Privatisierung der voestalpine kam zum Abschluss.

Post an die Börse, AUA zur Lufthansa

2006 verkaufte die Republik 49 Prozent der Post über die Börse. Betrug der Angebotspreis 19 Euro je Aktie und der Wert damit 1,33 Milliarden Euro, lag der erste Kurs mit 20,90 Euro genau zehn Prozent über dem Erstangebot. Die ÖIAG musste sich verteidigen, die Aktien nicht zu billig ausgegeben zu haben.

2009 wurde die AUA privatisiert, die zur Lufthansa-Tochter wurde. Die Republik Österreich zahlte eine halbe Milliarde Euro Staatsbeihilfe für die Übernahme, auch das brachte der ÖIAG Kritik. 2007 hatte die Staatsholding nach dem Ausstieg der BAWAG noch auf 42,75 Prozent der Anteile aufgestockt. Zuvor war der Staatsanteil 1999 auf unter 50 Prozent gesunken, da die ÖIAG bei einer Kapitalerhöhung nicht mitgezogen war.

Syndikat mit Amerika Movil

2014 machte die ÖIAG wieder verstärkt von sich Reden, als sie ein Syndikat mit dem mexikanischen Telekomriesen America Movil einging. Damit sollen die Mexikaner und die Staatsholding mit einer Stimme sprechen.

Die alleinige Kontrolle hat allerdings America Movil, der Syndikatsvertrag liegt Telekom-Chef Hannes Ametsreiter nicht vor. Die Mexikaner rund um den Milliardär Carlos Slim halten 50,8 Prozent an der Telekom Austria.

Die Beteiligungen der ÖBAG

2015 wurde die ÖIAG zur ÖBIB umfiriert, einer GmbH. Der Grund: Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist weisungsfrei, während ein Geschäftsführer eine GmbH an die Weisung des Eigentümers, sprich der Regierung, gebunden ist. Mit dem Ergebnis ist die aktuelle Regierung allerdings nicht zufrieden. Deshalb wurde die ÖBIB in die ÖBAG umgewandelt.