"Sag hallo zu Alexa", fordert das Türschild auf. Gleich antwortet Alexa: "Wen wollen Sie treffen?" Per Gesichtserkennung öffnet die nächste Tür – zum Niederösterreicher Stefan Winkler, der für den Staat Singapur das Thema Künstliche Intelligenz (KI) vorantreibt.

Was macht AI Singapore?

STEFAN WINKLER: AI Singapore ist ein nationales Programm für den Aufbau von Wissen und Fähigkeiten für Künstliche Intelligenz. Wir fördern mit 150 Millionen Singapur Dollar (rund 100 Millionen Euro), die wir von der Nationalen Forschungsstiftung bekommen, Firmen und Universitäten bei AI-Forschung und Ausbildung. 30 Mitarbeiter kümmern sich um die Programme. Bei AI Research geht es um fundamentale Forschung, neue Algorithmen und Methoden.

Ein Programm heißt 100 Experiments. Worauf zielen die?

Das gehört zu unserem zweiten großen Bereich: Innovation. Es sind kleinere Projekte, mit denen Industriebetriebe mit ihren Daten zu uns kommen, wir bringen sie zu KI-Experten. Ein Beispiel ist die Anwendung von KI für Spracherkennung mit hoher Genauigkeit und Umwandlung in Text. Das brauchen auch Behörden. Wenn das Callcenter der Polizei Anrufe aufzeichnet, müssen die automatisch verständlich transkribiert werden, da Sprachen wie Englisch und Chinesisch in Singapur sehr vermischt sind. Da würde Alexa scheitern. Daher haben wir ein Sprachlabor aufgebaut, wo KI durch "deep learning", stetes Lernen, das Sprachsystem perfektioniert.

Singapur ist auch ein großer Finanz-Hub, Wie arbeitet der Finanzsektor hier schon mit KI?

Zum Beispiel mit KI-Anwendungen, welche die Bilanzen von Banken oder Versicherungen vorhersagen können – mit Maschinenlernen auf Basis großer Datensätze früherer Bilanzen. Per KI wird auch Betrugsfällen nachgespürt anhand von Bankbelegen oder Schadensangaben bei Versicherungen.

Wie bringen Sie die Leute dahin, mit all dem umzugehen?

Zum Programm Innovation gehört auch die Ausbildung. Sie beginnt mit "AI for Everyone", also KI für jedermann, da wird als Tageskurs der Bevölkerung erklärt, was KI ist und kann, ob sie Jobs kostet und was sie für Datensicherheit bedeutet. An Manager richtet sich "AI für Industry" über drei Monate, damit CEOs an Datensätzen Coding-Grundzüge lernen, um zu verstehen, was in ihren Betrieben bereits täglich passiert. Die Trainings sind überlaufen. Auch für Schüler von 16 bis 18 Jahren gemeinsam mit den Schulen. Das interessanteste Trainingsprogramm ist eine Lehre für Künstliche Intelligenz, ein Neun-Monatsprogramm für Lehrlinge, auch für bereits Erwachsene. Die sind dann auch in den Firmen, die als Partner die Ausbildung organisieren, sehr gefragt. Denn auch Singapur hat ein Experten- und Facharbeiterproblem. Die KI-Lehre zahlen wir und der Staat. KI wird in Zukunft zum Grundwissen gehören, so wie heute jeder Schüler schon eine Informatik-Ausbildung bekommt.

An der global weit vorne gereihten Nanyang Technological University mit 33.000 Studenten und Postgraduates gibt es hier wie selbstverständlich eine Medizinische Fakultät. Wie wendet man in Singapur KI für Gesundheit an?

Unser dritter Bereich Technology gilt "Grand Challenges", das steht für gesellschaftliche Probleme, wo KI für eine große zahl von Menschen hilfreich sein kann. Das erste Thema betrifft die drei großen Herausforderungen Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauferkrankungen. Wie kann man dies mit Technologie-Algorithmen so behandeln, dass Patienten und Ärzten geholfen wird. Forscher, Ärzte und Spitäler spüren Problemen nach, um Systeme zu verbessern, vom zeitaufwendigen Arztbesuche bis zur Animierung der Patienten, zu Hause die Medikamente rechtzeitig einzunehmen. Bei all dem hilft KI durch Daten, die man über diese Menschen weiß.

Mit dem Zugriff auf Patientendaten wird die Datennutzung aber extrem heikel.

Natürlich. Da kann es keinen ungeschützten Zugriff auf Daten geben. Hier arbeiten wir mit dem Innovationstechnologiearm des Gesundheitsministeriums in Singapur zusammen. Da werden die Daten anonymisiert und sind nur unter strengsten Sicherungen zugänglich.

Künstliche Intelligenz wird jedem begegnen, meist verdeckt. Darin steckt ein enormes Gefahrenpotenzial bei Datenschutz.

Künstliche Intelligenz ist nicht immer erkennbar und ist zeitweise nicht sehr transparent. Es kann gut passieren, dass man einen Kredit aufnimmt, eine Versicherung abschließt oder ein Auto least, wo Algorithmen diese Anträge beurteilen, ohne dass es kommuniziert wird. In Europa gibt es ja schon Bestrebungen, das einzuschränken oder transparent zu gestalten.

In Singapur und erst recht in China ist Kameraüberwachung und Bilderkennung an jeder Ecke Alltag. Droht sich das in Europa auch dahin zu entwickeln?

Ich glaube nicht. Verschiedene Länder finden verschiedene Ansätze. In Europa hat man strenge Datenschutzregeln geschaffen und man wird sehen, wie Forschung mit diesen Einschränkungen arbeiten kann, das erzeugt auch Kreativität. In China ist es aufgrund der laxen Vorschriften leicht, an Datensätzen der Gesichtserkennung von hunderten Millionen Gesichtern zu kommen, von alten Schulfotos angefangen. Singapur bewegt sich im Mittelfeld, firmenfreundlicher aber auch mit Daten-Einschränkungen.

Stephen Hawking sah Künstliche Intelligenz als große Chance, aber auch als mögliche größte Bedrohung für die Menschheit an. Wann müssen wir uns vor einer Superintelligenz fürchten?

Der Weg dahin ist noch lange. Bisher können die Systeme nur Daten ausgeben, für die wir Daten eingeben. Bei autonomen Autos wandeln Sensoren Daten in Kommandos um, Alexa kann nicht alle Fragen beantworten. Im Moment sehe ich noch keine Gefahr, dass sich die Systeme im Sinne einer menschlichen Intelligenz verselbstständigen. Die Systeme erschaffen wir, wir müssen wissen, was wir von ihnen wollen und ob sie eigenständig denken. Wir werden lernen, mit den Systemen die Grenzen zu setzen. Ich mache mir keine Sorgen, dass wir in 20 Jahren durch Roboter oder KI-Systeme ersetzt werden.