Wie sehr beunruhigt Sie der diesjährige Spätstart des Winters?
WOLFGANG MAYRHOFER: Bis jetzt ist es wirklich relativ warm gewesen und ich verstehe, wenn da das Animo, an Wintersportausrüstung zu denken und sie zu kaufen, fehlt. Aber wenn es jetzt kalt wird, wird es zwar nicht so perfekt wie letztes Jahr, es ist aber immer noch okay.

Gibt es für heuer spezielle Ausrüstungstrends?
Der Aufwärtstrend im Bereich Backcountry, also Freeride/Tourengehen, hält an. Wir haben nach wie vor zweistellige Zuwachsraten. Das liegt auch an den Produktinnovationen. Die Ausrüstung wird durch neue Werkstoffe wie Karbon, immer leichter, Bindungen sind für Touren- und Alpinskischuhe kombinierbar. Dadurch ist der Kaufanreiz ziemlich groß.

Aber wie soll man sich angesichts der Produktvielfalt als Kunde noch auskennen? Wie finde ich für mich den richtigen Ski?
Das Angebot ist tatsächlich groß, vielleicht zu groß. Deswegen versuchen wir, möglichst einfach zu sein. Bei Atomic haben wir in den einzelnen Produktgruppen sogar Modelle herausgenommen und haben jetzt weniger, dafür mit stärkerer Differenzierung untereinander.

Immer mehr Skiproduzenten bieten ein All inclusive-Angebot vom Ski über Schuhe und Stöcke bis zu Helm und Brille. Warum?
Das ist die Konsequenz aus dem Einbruch am Skimarkt, der von einst sieben bis acht Millionen verkauftem Paar pro Jahr auf drei Millionen abgesackt ist. Deshalb sind wir Erzeuger in die Breite gegangen.

Wohin führt das? Verzichten Sie irgendwann einmal auf den Sportartikelhandel und bieten Ihre Produkte in eigenen Flagshipstores an?
Nein. In Europa ist der Handel schon sehr gut entwickelt und wir kooperieren zum Beispiel in Form eigener Ladenflächen.

Dennoch gehen mittlerweile über 50 Prozent der Ski in den Verleih. Macht Ihnen das Sorgen?
Nein. Wir hätten sonst noch mehr Skifahrer verloren. Österreich ist ohnehin nach wie vor ein wichtiger Verkaufsmarkt. In Frankreich liegt der Verleihskianteil bei 70 Prozent.

Eine Perspektive für Österreich?
Das glaube ich nicht. In Österreich ist mit rund 50 Prozent im Verleih alles „z’sammg’räumt“.

Atomics heißeste Aktie: Marcel Hirscher
Atomics heißeste Aktie: Marcel Hirscher © APA/AFP/Lehtikuva/MARKKU ULANDER

Es heißt, der chinesische Sportartikelhersteller Anta Sports könnte die finnische Amer-Gruppe, zu der auch Atomic gehört, übernehmen. Wem gehören Sie noch wie lange?
Das läuft auf Aufsichtsratslevel. Es haben Gespräche begonnen und man hat Informationen ausgetauscht. Das ist der Status.

Was könnte ein Eigentümerwechsel für den Atomic-Standort in Altenmarkt bedeuten?
Wir sind mit Abstand die größte Skifirma der Welt und so stark, dass wohl keine Gefahr besteht, das hier aufzugeben. Im Gegenteil: Wir beschäftigen hier 900 Mitarbeiter und investieren im kommenden Jahr rund 15 Millionen Euro in die Logistikinfrastruktur. Diese Kette von der Forschung und Entwicklung über die Produktion bis zur Logistik kann man nicht einfach woanders hinbauen.

Auch nicht, wenn der Hoffnungsmarkt China anzieht?
Wir haben in Österreich noch genügend Kapazität. China wird in drei bis vier Jahren so groß werden wie der Schweizer Markt (300.000 Paar verkaufte Ski pro Jahr, Anm.) oder Österreich (370.000). Aber wenn die ihre Ankündigungen wahr machen und ihr Potenzial abrufen, kann der chinesische Markt natürlich viel größer werden.

Marcel Hirscher spricht immer wieder vom Karriereende. Was würde das für Atomic bedeuten?
Für uns ist wichtig, dass er präsent ist und gewinnt. Aber ich bin überzeugt, dass wir – auch wenn er irgendwann einmal aufhört – weiter zusammenarbeiten werden. Er hat uns durch seinen Ehrgeiz und auch seine Härte zu sich selbst in Sachen Skitechnologie derart weitergebracht. Er ist ein brutaler Perfektionist. Seine Art Ski zu fahren, begeistert die Leute.

Ihn würden Sie also um jeden Preis halten wollen? Hermann Maier ist am Ende seiner Karriere ja zu Head gewechselt.
So etwas werden wir nicht mehr machen. 99 Prozent seiner Rennen hat der Hermann ohnedies auf Atomic gewonnen. Deshalb wäre der Wechsel nicht notwendig gewesen.

Im Vergleich zu anderen Sportarten ist die Markenwechsel-Intensität im Skisport ohnehin harmlos. Verwöhnen Sie Ihre besten Pferde im Stall so?
Nein, man hat eben welche, die man nicht verlieren möchte. Aber wir sind keine endlosen Zahler. Wir haben im Nachwuchsbereich ein extrem gutes Scouting, aber wenn es um die großen Schecks geht, machen wir einen Schritt zurück, weil der Rennsport bei uns als börsennotiertes Unternehmen nur ein Teil des Marketings ist. Wenn es wie bei Head vom Eigentümer anders gesehen wird, ist das deren Sache.

Wird es irgendwann im Weltcup statt des Nationenformats Rennställe von Skifirmen geben wie in der Formel 1? Also Atomic gegen Head gegen Fischer etc.?
Im Hintergrund läuft das ja jetzt schon so, aber der Weltcup, so wie er ist, ist eine starke Marke. Wir versuchen aber, uns bei der Entwicklung neuer Formate wie Parallelrennen, mehr Flutlicht etc. stärker einzubringen.

Wollen Sie auch mehr Rennen in Städten?
Wir wollen höhere TV-Quoten, also nicht Rennen am Sonntag um 10 und 13 Uhr, wenn die Leute selbst Skifahren, sondern um 16 Uhr und einen zweiten Durchgang vor dem Hauptabendprogramm. Da wird es bald etwas geben. Dass es das schon lange geben sollte, ist etwas anderes.