Die Trockenheit im Osten Österreichs war in den vergangenen Monaten so extrem, dass der Verbund die niedrige Wasserführung der Donau bereits deutlich durch eine geringere Stromerzeugung zu spüren bekommen hat. Geht uns bald das Wasser aus?

WOLFGANG ANZENGRUBER: Diese Trockenheit ist nicht etwas, das wir noch nie gesehen hätten. Im Moment liegen wir bei der Wasserführung um vier Prozentpunkte unter dem langjährigen 30-Jahre-Schnitt, bei einer Schwankungsbreite von fünf Prozent ist das noch im Rahmen. Aber dass sich das Klima erwärmt hat, ist wohl inzwischen jedem klar. Wir sehen seit Längerem eine ziemlich konstante Menge im Gesamtjahr bei einer viel stärkeren Saisonalität. Die Winter sind nasser, die Sommer trockener als früher. Dieser Sommer ist aber klar am unteren Level unserer Aufzeichnungen.

Was sind die Konsequenzen?

Vielleicht müssen wir irgendwann unsere Norm-Produktion revidieren, wenngleich das jetzt kein Thema ist. Wir alle sehen, die Gletscher schmelzen ab. Das hilft derzeit auf der einen Seite etwa bei der Wasserführung, wenn es dafür auch nicht von besonders großer Bedeutung ist. Die Wasserführung ist natürlich nicht nur auf der Stromseite elementar, sondern auch für das Grundwasser und die Schifffahrt. In Deutschland und Frankreich ist Kühlwasser ein riesiges Thema. Wir werden grundsätzlich viel mehr Speicher brauchen und aufpassen müssen, dass es nicht zu höheren Wasserentnahmen durch die vom Klimawandel betroffene Landwirtschaft kommt.

Sie sagen, es braucht viel mehr Speicher. Beim Vorzeige-Speicherkraftwerk Kaprun ist der Gletscherschwund schon sehr sichtbar. Funktioniert Kaprun noch problemlos ohne Gletscher?

Ja, in jedem Fall. Diese Kraftwerke leben von ihrem Spiel Pumpen und Turbinenbetrieb. Gerade in Kaprun funktioniert dieser Wechsel Ober- und Unterwasser sehr perfekt ohne große Nettoverluste.

Die Regierung muss ihre Klimastrategie 2030 in Kürze gegenüber der EU konkret mit Leben füllen. Noch heuer soll das Ausbaugesetz für  Erneuerbare Energien kommen. Was erwarten Sie?

Spannend ist das Thema Energiespeicherung in Form von Batterien oder Wasserstoff. Wird das ein freies Marktsystem oder reguliert? Ich bin immer für Markt, technologieneutral sollte der Rahmen auch sein. Innovation muss nicht nur im Bereich der Energieerzeugung stattfinden. Innovation brauchen wir auch bei den Rahmenbedingungen. Ich habe im Moment wirklich den Eindruck, dass man das Gesetz möglichst effizient und zweckdienlich gestalten will. Was am Ende des politischen Prozesses wirklich herauskommt, kann ich schlecht vorhersagen.

Sind Sie da guten Mutes?

Schlecht wäre das Setzen falscher Anreize, eine Outputförderung halte ich für die schlechteteste Variante. Aber wenn sich jemand am Haus privat eine Fotovoiltaikanlage installiert und einen Batteriespeicher dazu baut, mit dem die Eigennutzung verdoppelt werden kann, muss ein Regulierungssystem das unterstützen. Über kurz oder lang müssen auch Private mit Power Pools eine Rolle nicht nur als Abnehmer, sondern als Produzenten spielen. Die Industrie ist da schon ein paar Schritte voraus.  Bisher gab es für Private immer nur Einbahnstraßen. Hausbesitzer durften nicht einmal den Nachbarn mit überschüssigem Strom versorgen. Das ist jetzt vorbei.

Der Ausgleich der schwankenden Produktion durch Wind und Sonne wird immer teurer.

Die APG (Austrian Power Grid als Österreichs Netzbetreiber, Anmerkung) gibt dafür zehn Millionen Euro im Monat aus. Deutschland hat damit noch viel größere Probleme. Hier könnte neben dem Netzausbau die verstärkte Nutzung von Power-to-Gas, bei dem mit überschüssigem Wind- oder Solarstrom Wasserstoff erzeugt und etwa ins Gasnetz gespeist wird, Entspannung bringen.

Österreich wird künftig enorm viel mehr Strom produzieren müssen, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Was bringt schnell die größten Effekte?

In den vergangenen zwölf Jahren haben wir ein Plus von neun Terrawattstunden geschafft. Bis 2030 müssen wir also die Schlagzahl verdreifachen. Wir werden alles, was an zusätzlicher Erzeugung möglich ist brauchen. Das müssen wir alles gut orchestrieren.

Können Sie einfache Beispiele nennen?

Es sollte künftig kein neues Haus mehr ohne Fotovoltaikanlage gebaut werden dürfen. Mir ist aber wichtig, die Erneuerbaren im Kampf gegen den Klimawandel nur als wichtigen Teil des Ganzen zu sehen, trotzdem sind sie kein Selbstzweck. Das wirkliche Problem sind ja die CO2-Emissionen. Wir sollten noch viel mehr als bisher von konsumiertem CO2 reden.

Die Strompreise ziehen schon kräftig an, wie geht das noch weiter?

Die Preise werden weiter steigen. Aber auch was wir derzeit nicht auf der Stromrechnung haben, flattert uns über andere Rechnungen indirekt ins Haus. Wenn von globalen Anpassungkosten in Höhe von 300 Milliarden Dollar in Folge des Klimawandels die Rede ist, wird das unser Wohlstandsniveau beeinträchtigen.

Droht eine Zwei-Klassengesellschaft beim Thema Energie? Die Arbeiterkammer warnt davor.

Das ist mir zu konfrontativ gedacht. Jeder wird Verantwortung tragen müssen.

Das Schürfen der Kryptowährung Bitcoin verbraucht weltweit etwa 30 Terrawattstunden Strom im Jahr, das entspricht dem Stromverbrauch von ganz Dänemark. Wenn Sie so etwas lesen, was denken Sie sich?

Man muss sich schon fragen, wie das Verhältnis Aufwand Nutzen ist. Die Fragen, ob man das braucht oder jene der Kontrolle der Kryptowährungen betrifft aber in erste Linie die Nationalbanken. Bei solchen Meldungen warne ich auch vor Polemik. Man darf nicht das ganze System Blockchain diffamieren, das hat mit Bitcoin nichts zu tun. Bitcoin ist allerdings beim Schürfen besonders energieintensiv. Wenn die Preise für das Schürfen steigen, wird das wohl Bewegung ins Spiel bringen.

Was bringt die umoperierte Staatsholding ÖBAG dem Verbund? Offiziell untersteht ihr der Verbund nicht, die ÖBAG verwaltet die Anteile aber.

Das so zu organisieren, ist das legitime Recht eines Finanzministers. Einen unmittelbaren Einfluss sehe ich jetzt nicht. Eine wirkliche Veränderung in der Struktur ist das für uns nicht.