Unvorstellbare 17,7 Milliarden Kilometer müsste ein Auto zurücklegen, damit man daraus hinreichend Erfahrung für ein selbstfahrendes Fahrzeug ziehen kann.

Unmöglich. Was, wenn jemand rechts überholt? Zu eng auffährt? Wie reagiert der Fahrer auf einen Bremsvorgang, den er nicht selbst einleitet? Das Grazer ALP.Lab (kurz für Austria Light Vehicle Proving Region für Automated Driving) soll als Testzentrum für automatisiertes Fahren Daten für all diese komplexen Szenarien sammeln. Im Auftrag seiner fünf Gesellschafter AVL List, Magna Steyr, des Kompetenzzentrums Virtual Vehicle (vif), des Joanneums Research und der TU Graz.

Denn: Automatisiertes Fahren kommt. Schrittweise implementieren die Fahrzeughersteller bereits Teilfunktionen. Von sechs Stufen der Automatisierung stehen wir derzeit zwischen zwei und drei: Autos können bereits autonom eingreifen, wie zum Beispiel bremsen. Und: Fahrer können das Lenkrad teilweise aus der Hand geben, müssen aber bereit sein, jederzeit die Kontrolle wieder zu übernehmen.
Weshalb Ministerium bzw. Forschungsförderungsgesellschaft das ALP.Lab fördern, dessen Budget acht Millionen Euro auf fünf Jahre beträgt, danach soll die GesmbH freilich weitergeführt werden.

"Das ist eine Katze"

Der Mensch darf den Führerschein erst mit 17 Jahren machen, weil er dann erst Situationen im Verkehr abschätzen kann – und sei es nur eine solche: Was da die Straße quert, ist eine Katze. Das Auto weiß das nicht. ALP.Lab arbeitet daher auf geschlossenen, asphaltierten Teststrecken, auf denen die „auszubildenden“ Autos mit Fahrrobotern konfrontiert werden, die wiederum Fußgänger, Radfahrer oder andere Autos simulieren. „Proving Ground“ nennt sich eine solche Strecke.
„Pro Tag schaffen wir zwei bis vier Szenarien“, berichtet ALP-Lab-Prokurist Gerhard Greiner. Wobei die Szenarien freilich wiederholt werden müssen: Fußgänger kommt aus anderem Winkel, Straße ist nass. Im Wagen sitzen geschulte Testfahrer. Um die Wiederholbarkeit zu gewährleisten, setzt das ALP.Lab aber auch Lenk- und Pedalroboter ein.

Datensammlung in der "Wolke"

Die Daten aus der Fahrzeug-Software werden in eine eigene Cloud gespeist, die ihrerseits als Daten-Input für Simulationen im Labor dient: So arbeitet ALP.Lab auch an Prüfständen, die für den Laien wie ein 3D-Kino am Jahrmarkt aussehen. Die Software ist freilich diffiziler: Dort wird ein reales Auto an Rollen befestigt, die Straßenwiderstand bzw. Steigung simulieren. Vor dem Wagen läuft ein Video ab, das ihm, zum Teil mit GPS-Daten, die reale Welt vorgaukelt. „Auch reale Systeme im Wagen können wir durch Simulation ersetzen: Antriebsstränge zum Beispiel, den Motor oder das Bremssystem“, sagt Greiner. Am Ende soll das Auto bzw. sein Computer all das gelernt haben, wozu ein Mensch kognitiv fähig ist. Sei es auf einer Kreuzung in Rom, sei es im Stau in Taipeh.

Dass Autos bald in Parkhäusern bzw. auf Parkplätzen selbstständig einparken können werden und später über eine App wieder ausparken – das könnte schon bald Realität sein.

Klingt alles sehr technisch. Dabei geht es um den Menschen – und seinen Fahrkomfort. Einem selbstfahrenden Auto ist es egal, wenn es mit 80 übers Kopfsteinpflaster brettert, seinen menschlichen Insassen weniger.

Beim ALP.Lab ist daher auch Fahrkomfort ein großes Thema. Greiner sagt: „Das Schlimmste wäre, dass niemand das selbstfahrende Auto nützt, weil man sich darin nicht wohlfühlt.“