Österreichs Konjunkturaufschwung fällt durch neue BIP-Berechnungen der Statistik Austria schwächer aus. Das hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) am Dienstag festgestellt. Im zweiten Quartal wuchs die Wirtschaft zwar fast ungebremst: Im Jahresabstand verringerte sich das reale Wachstum laut Wifo aber leicht von 0,8 Prozent zu Jahresbeginn auf 0,6 Prozent im Zeitraum April bis Juni.

Dafür legte das BIP im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr mit real 2,7 Prozent etwas stärker zu als zuletzt angenommen, gab das Wifo bekannt. Allerdings hatte der Anstieg im ersten Quartal noch 3,7 Prozent betragen.

Diese leicht revidierten Zahlen berücksichtigen bereits die erstmalige Berechnung des Bruttoinlandsprodukts durch die Statistik Austria für 2017, derzufolge die heimische Wirtschaft voriges Jahr real nur um 2,6 Prozent gewachsen ist statt der bisher von Experten angenommenen 3,0 Prozent. Andererseits korrigierte die Statistik Austria das österreichische BIP-Wachstum für 2016 um fast einen halben Prozentpunkt auf 2,0 Prozent nach oben.

Weniger Dynamik

"Durch die neuen Jahreswerte stellt sich der jüngste Konjunkturaufschwung weniger dynamisch dar", betonte das Wifo dazu. Die Quartalsverläufe würden aber weiterhin den konjunkturellen Wachstumshöhepunkt zum zurückliegenden Jahreswechsel (gegen Ende 2017/Anfang 2018) sowie einen robusten Fortgang widerspiegeln.

Ende Juli ging das Wifo für das zweite Vierteljahr von einem Wachstum im Quartalsabstand von 0,7 Prozent aus und von einer BIP-Jahresveränderungsrate von 2,3 Prozent. Fürs erste Vierteljahr wurden damals wie jetzt ebenfalls 0,8 Prozent im Quartalsabstand, aber 3,4 Prozent Plus gegenüber dem Vorjahr angenommen. Am 5. Oktober legen Wifo und IHS ihre Herbstprognosen vor, die erste BIP-Schätzung fürs dritte Quartal kommt Ende Oktober.

Im zweiten Quartal sei das Wachstum weiterhin solide gewesen, so das Wifo am Dienstag. Getragen worden sei es sowohl von der Binnenkonjunktur als auch vom Außenhandel. Der Konsum erwies sich dem Institut zufolge erneut als stabile Wachstumsstütze. Sowohl die Nachfrage der privaten Konsumausgaben (inklusive private Organisationen ohne Erwerbszweck) als auch die öffentlichen Konsumausgaben expandierten stark, nämlich um je 0,5 Prozent.

Auch die Investitionskonjunktur verlief demzufolge weiter gut. Die Bruttoanlageinvestitionen - Ausrüstungen, Bauten und sonstige Anlagen - stiegen wie schon im ersten Vierteljahr um 1,0 Prozent. Neben den Bauinvestitionen (+0,7 Prozent) wuchs die Nachfrage nach Ausrüstungsinvestitionen (+1,7 Prozent) deutlich, wobei hier laut Wifo vor allem jene nach Fahrzeugen sehr dynamisch verlief.

Die Importe expandierten im zweiten Quartal - mit der guten Konsum- und Investitionsdynamik - stark (+1,1 Prozent). Die Exporte legten ebenfalls um 1,1 Prozent zu, wobei sich hier aber vor allem bei den Warenexporten das Wachstumstempo abschwächte und "nicht mehr die hohe Dynamik aus dem Jahr 2017 aufwies", so das Wifo.

Im Gleichklang dazu flachte sich auch der Verlauf der Industriekonjunktur etwas ab. Die Wertschöpfung in der Sachgütererzeugung stieg im Zeitraum April bis Juni um 1,1 Prozent (nach +1,4 Prozent im ersten Quartal bzw. sogar noch +1,7 Prozent im vierten Quartal 2017). In der Bauwirtschaft verlief die Konjunktur robust, die Wertschöpfung stieg hier um 0,5 Prozent. Ebenso unterstützten laut Wifo die Marktdienstleistungen das Wirtschaftswachstum. Die Wertschöpfung im Handel stieg um 0,3 Prozent - im Bereich Beherbergung und Gastronomie wurde sie um 1,0 Prozent ausgeweitet.

Export schwächer

Verantwortlich dafür, dass die vorläufigen Schätzungen von 3,0 Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr 2017 nicht erreicht wurden, ist laut Statistik Austria die Herstellung von Waren. Dieser Bereich wuchs im Vorjahr zwar um kräftige 4,8 Prozent, blieb aber unter den ursprünglichen Annahmen.

Von der anziehenden Konjunktur hat im Vorjahr generell der produzierende Bereich deutlich stärker profitiert als der Dienstleistungsbereich. Im Bereich der Produktion betrug das reale Wachstum 4,7 Prozent, bei den Dienstleistungen nur 1,8 Prozent.

Der Bereich Energieversorgung erzielte mit 10,3 Prozent das kräftigste reale Wachstum. Auch die Bauwirtschaft konnte mit 3,1 Prozent deutlich zulegen. Im Dienstleistungssektor zeigten die unternehmensnahen Dienstleistungen mit 3,5 Prozent sowie die Finanz-und Versicherungsdienstleistungen mit 3,4 Prozent die stärksten Wachstumsraten, während die Wertschöpfung im Handel nur um 1,1 Prozent zulegte.

Mehr Investitionen

Die Bruttoanlage-Investitionen legten um 3,9 Prozent zu. Am stärksten mit 11,5 Prozent war sie bei Fahrzeugen. Maschineninvestitionen legten um 2,1 Prozent zu, mit den stärksten Zuwächsen für Güter der Informations- und Kommunikationstechnologie (+4,9 Prozent). Investitionen in Wohnbauten wuchsen mit 4,0 Prozent etwas stärker als jene in Nichtwohnbauten, die um 3,2 Prozent anzogen.

Vom Konsum gingen 2017 das zweite Jahr in Folge wieder stärkere Impulse aus. Nachdem das Wachstum in den Krisenjahren 2009 bis 2015 durchschnittlich nur bei 0,5 Prozent gelegen war, waren es 2016 wieder 1,5 Prozent und 2017 1,4 Prozent. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte wuchsen 2017 dabei ebenso wie die Konsumausgaben des Staates um 1,5 Prozent, während jene der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck auf dem Vorjahresniveau stagnierten.

Die Exporte legten mit 4,7 Prozent deutlich stärker zu als in den Jahren davor. 2015 waren es 3,5 Prozent und 2016 2,7 Prozent. Das vierte Jahr in Folge konnte im Warenverkehr auch ein Plus erwirtschaftet werden. Der größte Teil des positiven Außenbeitrags von 11,4 Mrd. Euro entfiel aber auf die stark positive Dienstleistungsbilanz von 10,5 Mrd. Euro, zu der wiederum der Reiseverkehrsüberschuss mit 7,8 Mrd. Euro am stärksten beitrug.

Das nominelle Arbeitnehmerentgelt, also die Summe aller Geld- und Sachleistungen von Arbeitgebern an Arbeitnehmer, stieg 2017 um 3,4 Prozent. Für das Selbstständigeneinkommen und den Betriebsüberschuss errechnet die Statistik Austria einen Anstieg von 4,9 Prozent. Das real verfügbare Nettoeinkommen der gesamten Volkswirtschaft stieg um 2,0 Prozent auf knapp 300 Mrd. Euro.

Mehr Beschäftigte

Die Beschäftigung in Vollzeitäquivalenten nahm um 2,6 Prozent zu. Die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse erhöhte sich um 1,7 Prozent auf rund 4,7 Millionen. Gleichzeitig ging die durchschnittlich geleistete Arbeitszeit je Beschäftigungsverhältnis leicht um 0,1 Prozent zurück. Gegenüber dem Vorjahr ergab sich somit ein um 1,6 Prozent gestiegenes Arbeitsvolumen (Summe der geleisteten Arbeitsstunden). Diese Entwicklung bei den Erwerbstätigen bedeutete für das Jahr 2017 ein leichtes Wachstum der Produktivität je geleisteter Arbeitsstunde um 0,9 Prozent.

Der "BIP-Deflator" - der implizite Preisindex, errechnet aus nominellem und realem Bruttoinlandsprodukt auf Vorjahrespreisbasis - stieg um 1,3 Prozent. Die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen inländischen Preisauftriebs fiel damit geringer aus als die Veränderungsrate des Verbraucherpreisindex (+2,1 Prozent).