Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) hat mit der Kritik an den Arbeitszeitplänen der Regierung nichts anfangen können. In der Beantwortung der "Dringlichen Anfrage" der SPÖ Freitagnachmittag im Nationalrat meinte er: "Wir tun nichts anderes, als Probleme, die es derzeit in der Arbeitswelt gibt, zu lösen."

Die Grundprinzipien blieben dabei unangetastet. Es gebe unverändert einen 8-Stunden-Tag und eine 40-Stunden-Woche und die Mehrleistungen würden weiter abgegolten.

Heftige Debatten im Nationalrat in Sachen Arbeitszeit

Letztlich habe sich die Welt aber geändert und man müsse die rechtlichen Rahmenbedingungen an diese geänderte Arbeitswelt anpassen, "nicht mehr und nicht weniger". Schließlich habe es dazu auch lange Sozialpartner-Verhandlungen gegeben, die "leider" gescheitert seien.

Dass die Regierung keinen Kontakt mit der Arbeitnehmer-Vertretung will, wies Blümel zurück. Man pflege den ständigen Austausche mit Arbeitgebern wie Dienstnehmern und Zivilgesellschaft. Diese Behauptung hielt freilich Arbeitnehmer-Vertreter nicht ab, auf der Besuchergalerie mit T-Shirts gegen den 12-Stunden-Tag zu protestieren.

Aufregung ist freilich nach Ansicht des Kanzleramtsministers gerade in roten Reihen nicht angebracht, habe doch etwa der Plan A des damaligen Kanzlers Christian Kern (SPÖ) bei der Gleitzeit die selben Ziele verfolgt, wie sie nun die Regierung umsetze - und das gemäß den Positionen im Regierungsprogramm.

Nicht gerade ausführlich ging Blümel auf die Kritik der Bischofskonferenz ein, wonach vor einer Reform Kontakt mit dem Heiligen Stuhl wegen Störung der Sonntagsruhe aufgenommen werden müsse. Hier war von unterschiedlichen rechtlichen Auffassungen die Rede, man werde mit den zuständigen Stellen Kontakt aufnehmen.

Dass es höhere Arbeitslosigkeit durch längere Arbeitszeiten geben wird, wies Blümel zurück, indem er AMS-Vorstand Johannes Kopf zitierte, der diese Gefahr nicht sehe. Auch an weiteren Personalmangel im Tourismus durch die Einschränkung der Ruhenszeiten glaubt der Minister nicht. Vielmehr entspreche man hier den Bedürfnissen der Betriebe und den Wünschen der Mitarbeiter. Gesundheitliche Folgen sieht Blümel auch nicht. Entscheidend sei ja, dass es eine längere freie Phase nach Perioden längerer Arbeit gebe.

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch hatte in der - für diese Tage - fast sanft vorgetragenen Begründung der "Dringlichen" dagegen betont, dass alle Arbeitsmediziner sagten, zwölf Stunden Arbeiten machen krank.

Wenn es schon darum gehe, noch mehr und noch flexibler arbeiten zu können, dann nur mit klaren Spielregeln, ohne Einkommensverlust und ohne, dass Gesundheit und Familie unter die Räder kämen. Dass durch die von der Koalition heute vorgelegte Freiwilligkeitsklausel etwas besser wird, glaubt Muchitsch nicht: "Wie oft wird man in der Praxis Nein sagen können?", fragte sich der Bau/Holz-Chef. Letztlich sitze der Arbeitnehmer am kürzeren Ast.

Muchitsch ist insgesamt überzeugt, dass es keine Ausweitung der Arbeitszeiten brauche: "Die Wirtschaft kommt mit den bestehenden Regeln aus." Die Regierung ersuchte er, das Gesetz zurückzunehmen und unter Einbindung der Sozialpartner noch im Sommer eine konsensuale Lösung zu suchen.

Ungleich emotionaler trat dann Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ) auf:"Wenn Sie den Plan A mit dem Gesetzesvorschlag vergleichen, dann glauben Sie auch, dass Karli von Caorle kommt." Und später: "Sie knien vor dem Altar der Großsepnder, und die Bischofskonferenz muss sie daran erinnern, was die christliche Soziallehre ist."

Gratiswochenende in Wien?

Muchitsch meldete sich im Laufe der Debatte neuerlich zu Wort, um den Vorwurf von FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, die Gewrerkschaften würden den Demonstranten ein freies Wochenende in Wien ermöglichen, zu entkräften: "Für 39 Personen, die an der Organisation beteiligt sind, bezahlen wir eine Nächtigung im Doppelzimmer um 56 Euro."

Geharnischte Kritik an den Arbeitszeitflexibilisierungsplänen der Bundesregierung haben am Freitag in der Sondersitzung des Nationalrats SPÖ und Liste Pilz, aber auch die NEOS geübt. Die ÖVP lobte hingegen die "Win-win-Situation" für Arbeitgeber und -nehmer, die FPÖ das Mehr an Eigenverantwortung und Freiheit.

NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker unterstellte, dass eigentlich alle für die Arbeitszeitflexibilisierung seien, die Debatte wegen der Vorgehensweise der Regierung aber dennoch aus dem Ruder laufe: "Sie schaffen es gerade, dieses gemeinsame Anliegen kaputt zu schießen und es dem Vertrauen der Öffentlichkeit zu entziehen mit Ihrer Dampfwalzenpolitik, und Sie merken es nicht einmal."

Daniela Holzinger-Vogtenhuber (Liste Pilz) warnte vor der Schwäche der einzelnen, die nun (über die Betriebsräte) weniger kollektiv geschützt würden. Sie beantragte Volksentscheide über gesetzliche Eingriffe in Arbeitsrechte, bei denen keine Sozialpartnereinigung vorliegt.

Seitens der Regierungsfraktionen wischte man all diese Bedenken weg. ÖVP-Klubobmann August Wöginger gemahnte zur Ernsthaftigkeit, denn der Zwölf-Stunden-Tag bzw. die 60-Stunden-Woche sei aufgrund der EU-Arbeitszeitrichtlinie im Dauerbetrieb gar nicht möglich, "und das will auch niemand in dieser Republik".

Kurz meldet sich zu Wort

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) betonte in seiner Rede vor dem Nationalrat, dass die Reform keine allzu große sei, man daher auch die Menschen nicht verunsichern solle. Auch für Jubelchöre sei kein Anlass, wiederholte er seine Aussagen der vergangenen Tage.

Der Regierungschef glaubt, dass sich viel an Aufregung beruhigen werde, wenn die Regel in Kraft sei und man sehe, dass vieles Behauptete nicht eintrete. So wie es jetzt keine 50-Stunden-Woche gebe, obwohl es diesen Maximalrahmen gebe, werde es dann auch keine 60-Stunden-Woche gebe.

Betont wurde vom Kanzler die Notwendigkeit, sich auch über eine gewisse Flexibilisierung dem globalen Wettbewerb zu stellen. Denn Österreich müsse wettbewerbsfähig bleiben, wenn man den Sozialstaat finanzieren wolle.

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) betonte in seinem Redebeitrag wiederholt, das Ziel der Novelle sei, die Entscheidungsrechte des einzelnen zu stärken. Dieser solle den Rechtsanspruch haben, über Mehrarbeit zu entscheiden und nicht der Betriebsrat über den einzelnen entscheiden.

Im Sinne der Flexibilität müsse man moderne Rechtssysteme einrichten. Dies geschehe nun und dies ermögliche jenen, die länger arbeiten wollten, dies auch tun zu dürfen. Dabei gebe es eine "Freiwilligkeitsgarantie", betonte der FPÖ-Chef. Gleichzeitig finde eine Entkriminalisierung statt.

Die Anwürfe der SPÖ wies Strache zurück. Denn auch er fände es asozial, wenn tatsächlich ein erzwungener 12-Stunden-Tage ohne Überstunden und Zuschläge komme. Das sei aber eben nicht der Fall.

Zum Abschluss der Sitzung wurde schließlich ein Antrag von SPÖ und Liste Pilz abgelehnt, der gefordert hatte, umgehend mit den Sozialpartnern zu verhandeln und dann nach einer Begutachtung ein neues Gesetz vorzulegen. Auch alle anderen Oppositionsanträge fanden keine Mehrheit.

Kurz kam verspätet

Wie erwartet große Aufregung hat die teilweise Absenz von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) heute im Nationalrat ausgelöst. Kurz wurde beim EU-Gipfel in Brüssel aufgehalten, laut seinem Sprecher "sollte er es schaffen, um 16.30 Uhr bei der Sitzung zu sein". Kurz trudelte gegen 17 Uhr aus Brüssel kommend ein.

Die SPÖ hatte eine Dringliche Anfrage unter dem provokanten Titel „12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche im Auftrag der ÖVP-Großspender – So nicht, Herr Bundeskanzler“ beantragt. Der geschäftsführende SPÖ-Klubchef Andreas Schieder glaubt, dass es von Anfang an der Plan war, das Parlament und damit auch die Bürger zu "verhöhnen und zu verachten". Schieder nahm dabei Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) direkt in Verantwortung: "Sie selbst haben in der Präsidiale auf unser wiederholtes Fragen hoch und heilig versprochen, dass der Bundeskanzler heute um 15 Uhr hier sein wird, komme, was wolle."

Sobotka reagierte verärgert und betonte, dass nicht absehbar gewesen sei, dass die Sitzung am EU-Gipfel nicht bis 22 Uhr sondern bis 4 Uhr 30 früh dauere. Gleich argumentierte ÖVP-Klubobmann August Wöginger, der auch betonte, wie wichtig es sei, dass Kurz Österreichs Interessen in Brüssel vertrete. Für den ÖVP-Chef sprang auch FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz in die Bresche. Er sei für die Republik dankbar, dass in Europa endlich eine Politik gemacht werde, wo Österreich maßgeblich sei.

"Sind S' mir nicht bös', das ist lächerlich"

SPÖ-Chef Christian Kern erklärte bereits im Ö1-Morgenjournal, dass er mit den Plänen der Regierung zum 12-Stunden-Tag nichts anfangen kann. Statt Selbstbestimmung werde auf Zwang gesetzt, die Grundlagen für bestehende Betriebsvereinbarungen würden "wegrasiert", Zuschläge würden laut Kern deutlich weniger. "Das ist, sind S' mir nicht bös', wirklich lächerlich." Dass Arbeitnehmer freiwillig ablehnen können, hält Kern für unrealistisch. "Aus der betrieblichen Praxis wissen wir: Das funktioniert gar nicht."

Überstunden können ohne Grund abgelehnt werden

Allerdings liegt inzwischen ein geänderter Antrag für die Flexibilisierung vor, der die Befürchtungen der Opposition weitgehend entkräftet. Laut der nun getroffenen Einfügung steht es Arbeitnehmern damit frei, Überstunden "ohne Angaben von Gründen" abzulehnen, wenn diese die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschreiten würden. Das betrifft explizit auch Wochenend- und Feiertagsarbeit. Im ursprünglichen Antrag war die Ablehnung der 11. und 12. Stunde nur aus "überwiegenden persönlichen Interessen" des Arbeitnehmers vorgesehen.

Nun darf ein Nein des Beschäftigten zu keinen Benachteiligungen hinsichtlich Entgelt, Aufstiegsmöglichkeiten und Versetzung führen. Kündigungen wegen der Überstunden-Ablehnung können bei Gericht angefochten werden, sieht der Abänderungsantrag vor. Arbeitnehmer können wählen, ob diese zusätzlichen Stunden mit Geld oder durch Zeitausgleich abgegolten werden.

Festgelegt wird auch, dass bei Gleitzeit das Arbeiten über die Normalarbeitszeit von zehn Stunden hinaus als Überstunden gilt, wenn es vom Arbeitgeber angeordnet wird. Gleitzeitvereinbarungen, die eine tägliche Normalarbeitszeit von zwölf Stunden zulassen, müssen künftig vorsehen, dass es einen Ausgleich durch längere zusammenhängende Freizeit gibt und auch eine Vier-Tage-Woche möglich ist.