Die USA warten auf den Amtsantritt von Präsident Donald Trump, die EU ist nach dem britischen Brexit-Votum mit sich selbst beschäftigt - nun will China die daraus entstehende Lücke nutzen. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos tritt Staats- und Parteichef Xi Jinping auf die Bühne und hält an diesem Dienstag die Eröffnungsrede.

Es ist das erste Mal, dass ein chinesischer Präsident an dem Gipfeltreffen in den Schweizer Bergen teilnimmt. Im Vorfeld gibt sich China betont offen - und grenzt sich zugleich von populistischen Kräften wie Trump ab.

"Wir treffen uns in einer Zeit der Angst über die Perspektiven der Weltwirtschaft, wachsender Gegenreaktionen gegen die wirtschaftliche Globalisierung sowie steigendem Populismus und Handelsprotektionismus", schreibt Xi Jinping in einem Gastbeitrag für die "Neue Züricher Zeitung". China werde als riesiger Markt das Wachstum der Weltwirtschaft weiter unterstützen.

Historische Weggabelung

Noch deutlicher wird Jiang Jianguo, Chef des Informationsamtes des Staatsrates. In einer Rede bei der Welthandelsorganisation WTO in Genf sah Jiang die Welt kürzlich an einer historischen Weggabelung angelangt. Es gelte sich zu entscheiden "zwischen Krieg und Frieden, Armut und Entwicklung, Konfrontation und Zusammenarbeit, Monopol und einer Lösung zum Wohle aller". Und Jiang machte klar, auf welcher Seite China steht: Xi Jinping werde sich in Davos für friedliche Entwicklung einsetzen sowie für den wirtschaftlichen Erfolg aller und die "Einrichtung einer gemeinsamen Schicksalsgemeinschaft für die Menschheit".

Damit kommt der chinesische Staatschef dem Motto der 47. WEF-Jahrestagung auf dem Papier sehr nahe. Angesichts der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umbrüche steht "anpassungsfähige und verantwortungsvolle Führung" ("responsive and responsible leadership") im Mittelpunkt des viertägigen Treffens. "Es ist die respekteinflößende Aufgabe der heutigen Anführer, die richtigen Entscheidungen zu treffen in einer komplexen Welt, die an vielen lange bestehenden Problemen und emotionalem Aufruhr leidet", gibt WEF-Gründer Klaus Schwab (78) den etwa 3.000 Gästen auf den Weg.

Im Schatten Trumps

Schließlich steht das Treffen stark im Schatten von Trumps Amtsübernahme in Washington am kommenden Freitag (20. Jänner), dem Schlusstag des WEF. Von Trumps Übergangsteam wird der frühere Hedgefonds-Manager Anthony Scaramucci in Davos erwartet. Gespannt warten Spitzenpolitiker, Topmanager und Wirtschaftswissenschafter auf Antworten zum künftigen Kurs der US-Regierung. Wiederholt hatte Trump eine protektionistischere Wirtschaftspolitik und den Austritt aus internationalen Freihandelsabkommen angekündigt.

Chinas Vize-Außenminister Li Baodong betonte nun demonstrativ, sein Land sei ein Gegner von Handelsschranken und Protektionismus. Dabei bemängeln Kritiker, dass auch in China mächtige Staatsbetriebe und lokaler Protektionismus Reformen behinderten. Von "ökonomischem Nationalismus" ist die Rede, die Vorwürfe umfassen Wirtschaftsspionage und das Abgreifen wichtiger Unternehmensdaten. Gespannt warten Davos-Teilnehmer, ob Xi darauf eingehen wird. Zudem kritisieren Menschenrechtler jahrelange Haftstrafen für Dissidenten, Anwälte und Aktivisten.

Auf dem WEF könnte es zudem zu einem Treffen zwischen dem Trump-Team und der chinesischen Delegation kommen. Zuletzt hatte der künftige US-Präsident kräftig gegen China ausgeteilt und auch mit einem Telefonat mit der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen für Ärger in Peking gesorgt. Nun zeigte sich China grundsätzlich bereit für Gespräche in Davos - nötig seien aber "Bereitschaft und eine geeignete Zeit", mahnt Vize-Außenminister Li. Man stehe mit dem Trump-Team in Kontakt.

Der Tagungsort ist weitreichend abgeschottet: Bis zu 5.000 Soldaten sollen die Gäste in der "Berg-Festung" schützen, der Luftraum wird von Kampfjets überwacht.