Bei Volkswagen reichen die bisherigen finanziellen Rückstellungen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro wegen des Abgasskandals einem Bericht zufolge nicht für die Lösung aller Probleme aus. Dies geht aus einer Antwort von Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch auf entsprechende Fragen bei einer Manager-Versammlung hervor, wie das Fachblatt "Automobilwoche" (Dienstag) schreibt.

Die aktuell veranschlagten 6,5 Milliarden Euro sind demnach vor allem für technologische Lösungen und Service-Leistungen vorgesehen. Möglicher Schadenersatz, Anwaltshonorare und andere Kosten kämen dabei noch obendrauf.

"Größte Bewährungsprobe der Geschichte"

Der neue VW-Konzernchef Matthias Müller hatte bei der Veranstaltung am Montagabend "schonungslose und konsequente Aufklärung" versprochen. Laut Mitteilung erklärte er den Führungskräften, VW stehe vor der "größten Bewährungsprobe" der Unternehmensgeschichte.

Der Konzern hatte mit einer Software Abgaswerte von Diesel-Autos in den USA manipuliert. Weltweit sind 11 Millionen Autos betroffen - 2,8 Millionen in Deutschland. Laut Müller ist die Software nur in einem Teil der Wagen aktiviert. "Wir rechnen deshalb damit, dass die Zahl der tatsächlich betroffenen Fahrzeuge letztlich geringer sein wird."

Noch keine konkreten Zahlen

VW werde in den nächsten Tagen betroffene Kunden darüber informieren, dass das Abgasverhalten ihres Fahrzeugs in Kürze nachgebessert werden müsse. Am Mittwochnachmittag steht nach dpa-Informationen erneut ein Krisentreffen des Aufsichtsrats-Präsidiums an. Ihm soll nach internen Ermittlungen ein erster Zwischenbericht vorgelegt werden.

Auch die EU-Wirtschaftsminister werden bei ihrer Tagung am Donnerstag in Luxemburg über den VW-Dieselskandal beraten, Entscheidungen dürfte es aber noch keine geben. Es gebe noch kaum konkrete Zahlen, hieß es am Dienstag in EU-Ratskreisen in Brüssel. Es gehe um eine Bestandsaufnahme. VW selbst hat bis 7. Oktober Zeit, sich gegenüber dem deutschen Kraftfahrtbundesamt zu äußern.

Darüber hinaus würde der EU-Wettbewerbsrat nur einen kleinen Teil der Kompetenzen im VW-Dieselskandal abdecken. Die Zuständigkeiten liegen beim Umweltrat, was die Typengenehmigungen betrifft, sowie beim Verkehrsrat, der über die Zulassungen von Automobilen zu befinden hat. Aber natürlich gebe es Auswirkungen auf den generellen Wettbewerb der Industrie. Dies ist auch Thema beim Rat am Donnerstag.

Gewerkschaft wehrt sich

Im Skandal um manipulierte Abgaswerte bei VW wehrt sich die IG Metall gegen drohende negative Folgen für die Belegschaft. Die Vorgänge beim größten deutschen Autobauer bedeuteten einen "unendlichen Schaden" für das Produkt, das Unternehmen und den Standort Deutschland, sagte Gewerkschaftschef Detlef Wetzel am Montagabend in Frankfurt. Er vergleiche den Skandal aus nationaler Sicht mit der Finanzkrise 2008/09.

Es sei aber klar, dass die Arbeitnehmer dafür nicht verantwortlich seien. "Mitbestimmung ist dafür da, dass die Arbeitnehmer nun nicht die Folgen dieser Krise tragen müssen", sagte der Gewerkschafter. Es gelte erneut der Satz: "Wir zahlen nicht für eure Krise."

"Es war sicher nicht die Putzfrau, die das verantwortet hat, und der Pförtner war es auch nicht", meinte Wetzel. Er räumte aber ein, dass sich auch die in Wolfsburg sehr mächtige IG Metall Fragen etwa zu ihrem Beitrag zur Unternehmenskultur bei Volkswagen stellen müsse. Es stehe ein großer Kulturwandel an. "Es ist kein Wert an sich, größer als Toyota zu sein", sagte Wetzel. Zudem müsse man sich fragen: "Wieso haben wir davon nichts gewusst?"

"Unternehmerisches Eigentor"

Arbeitnehmervertreter der VW-Tochter Audi sehen zu Unrecht den gesamten Konzern unter Beschuss. "Es handelt sich bei der Abgas-Affäre um einen grob fahrlässigen Fehler einiger weniger, der einem unternehmerischen Eigentor gleicht", hieß es in einem Brief des Gesamtbetriebsrates an die Mitarbeiter, der dpa vorlag.

"Es ist aber nicht das Versagen eines ganzen Konzerns, wie es in der Öffentlichkeit gerade diskutiert wird." Zu keinem Zeitpunkt sei die Sicherheit der Kunden in Gefahr gewesen. Dennoch lehrten die Vorfälle, dass die Unternehmenskultur neu durchdacht werden müsse - "hin zu Offenheit, Transparenz und gegenseitigem Vertrauen - weg von starren Hierarchien", hieß es in dem Brief. Deshalb sei es gerade jetzt wichtig, das Führungsleitbild bei Audi weiter voranzutreiben.