Der Pharmakonzern Gilead Sciences legte dieser Tage im kalifornischen Foster City eine wahrlich berauschende Jahresbilanz für 2014 vor. Demnach steigerten sich die weltweiten Umsätze von 11,2 auf 24,9 Milliarden Dollar. Das Konzernergebnis vor Steuern legte von 4,2 auf 14,9 Milliarden Dollar zu. Nach Abzug der wie üblich minimalen Steuerlast bleiben dem Pharma-Multi sagenhafte 12,1 Milliarden Dollar netto in der Kasse – eine Steigerung um plus 294 Prozent gegenüber dem Jahr 2013.

Was das mit Österreich zu tun hat? Jede Menge. Denn hierzulande stöhnen die Krankenkassen unter der Kostenlast für jene fast unbezahlbare „Wunderpille“, die von Gilead im Vorjahr auf den Markt gebracht wurde. Die Rede ist vom neuen Hepatitis-C-Medikament namens Sovaldi, das allein 40 Prozent des gesamten Konzernumsatzes von Gilead einfuhr. Eine Monatspackung mit 29 Stück kostete ursprünglich den Fantasiepreis von 16.500 Euro, dann gelang es dem Hauptverband, den Packungspreis auf 14.500 Euro zu drücken.

Kassen in Aufruhr

Unter dem Strich kostet die mehrmonatige Therapie pro Patient zwischen 40.000 und 120.000 Euro, was die Kassen und andere Verantwortliche des Gesundheitswesens natürlich in Aufruhr versetzt. „Wenn ein Produkt so viel kostet, dann bringt es das Gesundheitssystem in ernste Gefahr“, sagt der Präsident der Apothekerkammer, Gerhard Kobinger. Er betont, dass die Apotheker bei diesen Luxusmedikamenten nur 3,8 Prozent Handelsspanne haben. Und Alexander Herzog, der neue Chef der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), fordert: „Es ist dringend notwendig, dieses Thema auf Ebene der EU zu diskutieren.“

Die Pharmaindustrie verweist im Gegenzug darauf, dass die hochwirksame Wunderpille in über 90 Prozent der Fälle Heilung bringt und andere Kosten vermeidet. Michele Rest, Sprecher von Gilead Europe in London, rechnet vor: „Eine Lebertransplantation kostet in der EU zwischen 100.000 und 150.000 Euro. Die Behandlungskosten für Leberkrebs liegen bei 13.500 Euro jährlich.“ Tatsache ist freilich, dass der Pharmariese eine weltweit genau abgestimmte Preispolitik betreibt, um in jedem Land das gerade noch Leistbare aus dem Gesundheitswesen abzuschöpfen.

Hochpreisige Medikamente im Vormarsch

Entsprechend dem jeweiligen BIP pro Kopf wird Sovaldi in drei unterschiedlichen Basispreisen angeboten, die Details verhandelt man dann mit jedem Land extra. Immerhin hat der Konzern im Jänner 2012 für elf Milliarden Dollar die kleine Firma Pharmasset gekauft, die den zugrunde liegenden Wirkstoff entwickelte. Dieses Geld wollte man so rasch wie möglich zurückverdienen, was bereits im ersten Jahr weitgehend gelungen ist.

Der Fall Sovaldi ist beispielhaft, weil auch in anderen Medizinbereichen extrem hochpreisige Medikamente im Vormarsch sind – so bei der Bekämpfung von Krebs, multipler Sklerose oder HIV. Die sogenannten Hochpreiser – Medikamente mit einem Einkaufspreis von über 200 Euro je Packung – machen schon über 30 Prozent der Gesamt-Arznei-Ausgaben der Kassen aus, Tendenz rasch steigend.

Der Generalsekretär des Interessenverbandes Pharmig (er vertritt die pharmazeutische Industrie), Jan Oliver Huber, sieht darin nichts Schlimmes: Es spiegle sich darin der hohe Forschungsaufwand, der heute in immer spezialisierteren Therapien für chronische Krankheiten stecke. „Die Forschungswelt steht nicht still, die Preise sind betriebswirtschaftlich gerechtfertigt, denn Krankenkassen sind schließlich keine Sparkassen“, so Huber. Das Geld, das jährlich durch das Auslaufen von Patenten und billige Nachbaumedikamente frei werde, müsse eben laufend in den medizinischen Fortschritt investiert werden.