Es ist still im Aufenthaltsraum des Hauses der Barmherzigkeit in Graz. Kurz nach dem Mittagessen scheint die Sonne auf den Garten des Grazer Seniorenheimes. Vier Damen sind im Aufenthaltsraum geblieben – alle jenseits der 90 Jahre. Heute soll es um Geschichte gehen – ihre Geschichte. Nur wenige Menschen können sich noch an die große Depression erinnern, so wie sie. Vor allem englischsprachige Medien vergleichen die Zeit der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gerne mit der aktuellen Finanzkrise. "Schlimm war's", sind sich die Damen einig. Sie waren noch Jugendliche, dennoch die Erinnerung an die Armut dieser Zeit ist noch frisch.

Schwarzer Freitag. Der Börsencrash 1929 in New York hatte erhebliche Folgen auf die gesamte Welt. Vor allem Europa wurde durch die Krise in den Abgrund gezogen. Innerhalb eines Jahres verdreifachte sich die Arbeitslosenrate in Deutschland und die Preise für landwirtschaftliche Produkte fielen binnen Kürze um 50 Prozent. Deutsche Banken kämpften forthin mit mangelnder Liquidität. Auch Österreich blieb nicht verschont. Innerhalb von zwei Jahren schoss die Zahl der Menschen ohne Job von acht auf 22 Prozent. 1931 drohte die Creditanstalt zusammenzubrechen - zu dieser Zeit war sie die größte Bank Mitteleuropas.

Niedrige Löhne. An bettelnde Menschen können sich alle erinnern. Wer Arbeit hatte, musste sich mit niedrigen Löhnen oder Naturalien zufrieden geben. Sofie Raspotnig, 97 Jahre, war eine der Glücklichen, sie bekam eine Lehrstelle bei einer Schneiderin. Um ein Uhr Früh begann ihr Arbeitstag und ging oft bis sechs Uhr abends. Ihr Lohn: Kaffee und Brot. Eleonore Kleinrath, 97 Jahre, hatte weniger Glück: Nach der Schule fand sie keinen Job und musste weiterhin bei den Eltern leben. Ihr Vater hatte eine sichere Stelle bei der Bahn. Das ist etwas, was die betagten Damen gemeinsam haben. Während der Krise der 1930er mussten sie keinen Hunger leiden und nicht betteln. Ihre Eltern konnten sie während dieser schlimmen Zeit versorgen.

Inflation. Nach dem Zusammenbruch der Creditanstalt kam es in Österreich zu einer hohen Inflation, der für seine Stabilität bekannte Schilling war plötzlich nichts mehr Wert. Glücklich, wer kein Geld hatte, denn viele Menschen verloren ihre Ersparnisse. Da es kaum soziale Absicherung gab, war die Armut allgegenwärtig und viele Menschen verdingten sich als Tagelöhner - Gewerkschaften und Arbeiterkammer gab es nicht. Die Politik machte es noch schlimmer. Als Reaktion auf die Krise erließen die Staatschefs protektionistische Gesetze, wie hohe Importzöllen oder Einschränkungen für ausländische Firmen. Der Welthandel kam daraufhin beinahe völlig zum Erliegen. Erst nach dem zweiten Weltkrieg erreichte die Weltwirtschaft wieder das Niveau der 20er Jahre.

Zweifel. Einen Job fanden schließlich alle vier Damen. Sei es bei der Post oder in der Schneiderei in Wien. Die Erinnerung an Menschen, die vor den Wohnhäusern sangen und sich über ein paar Groschen freuten, blieb ihnen bis heute erhalten. Die Geschichten aus dieser Zeit lassen Zweifel aufkommen, ob sich die aktuelle Finanzkrise wirklich mit der Großen Depression vergleichen lässt. Vielleicht steckt auch etwas Hoffnung in den Vorbehalten gegen solche Vergleiche.