Die Wall Street sprach von einem neuerlichen Blutbad. Zwei der größten amerikanischen Investmentbanken sind am Sonntag als eigenständige Unternehmen verschwunden. Lehman Brothers kündigte Insolvenz an. Völlig überraschend kam zeitgleich die Meldung, dass die Bank of America die drittgrößte Investmentbank der USA, Merrill Lynch, für 50 Milliarden US-Dollar kaufe. Zum dritten gab einer der weltgrößten Versicherer, die American International Group AIG, bekannt, man benötige einen viele Milliarden schweren Überbrückungskredit.

Panikverkäufe. Es war diese geballte Ladung an schlechten Nachrichten, die Montagmorgen europaweit die Börsenkurse zum Einstürzen brachte. In Wien und Frankfurt ging's bei Börsenstart jeweils um drei Prozent nach unten. Auch der weitere Tagesverlauf war von Panikverkäufen geprägt. Niemand wusste, wie der Dow Jones in New York in den Tag starten würde. Bis zum Handelsschluss konnten die Verluste leicht eingegrenzt werden. Vorerst. Denn derzeit bewegt das Schicksal der US-Versicherung American International Group (AIG).

Finanzkrise greift um sich. Als gehe es an der Wall Street nicht schon turbulent genug zu, hat die AIG am Sonntagabend mitgeteilt, dass sie einen 40 Milliarden Dollar Überbrückungskredit von der Notenbank benötige. Ansonsten drohe AIG eine Herabstufung durch die Rating-Agenturen. Diese Mitteilung machte erschreckend deutlich, dass sich die Finanzkrise in den USA auch auf weitere Sektoren - AIG ist einer der größten Versicherer des Welt - ausdehnen könnte.

AIG-Krise. Die AIG-Krise begann am Freitag, als die Aktien um fast 50 Prozent fielen. Grund war die Sorge des Marktes, der große Versicherer werde nicht in der Lage sein, notwendiges Kapital aufzunehmen. In den vergangenen drei Quartalen hat der Versicherer im Hypothekenbereich 18 Milliarden Dollar Verlust gemacht. Standard and Poor's erklärte am Freitag, man prüfe eine Herabstufung von AIG, was nach Meinung vieler Analysten das Ende für das Unternehmen bedeutet hätte. Als einer der weltgrößten Versicherer hat AIG 74 Millionen Kunden in 130 Ländern.

Wer ist der nächste? Seit dem Ausbrechen der Finanzkrise sind nach der jüngsten Eskalation nur mehr zwei der ehemals fünf größten Investmentbanken der USA übrig geblieben. "Wer ist der nächste?", lautet daher die Frage, die zahlreiche Beobachter aufwerfen. Damit "nicht noch mehr über die Klinge springen", haben zehn Banken einen Nothilfefonds ins Leben gerufen, der mit insgesamt 70 Milliarden US-Dollar gefüllt wurde. Der Hintergrund ist klar: Die US-Notenbank konnte und wollte Lehman Brothers nicht helfen. Nun müssen sich die Banken selbst helfen können. Denn die Gefahr, dass ein weiteres Institut kollabiert ist durch die Lehman-Insolvenz größer geworden.