Zur Eröffnung der Siemens City sind sie gerade mit der alten Viktoria vorgefahren, dem über 100 Jahre alten Siemens-Elektroauto. Zurück zur Zukunft?

PETER LÖSCHER: Siemens ist ein Pionier der Elektromobilität. Die Viktoria, die 1905 gebaut wurde, hatte mit drei PS und 30 km/h Höchstgeschwindigkeit eine Reichweite von 80 Kilometern. Europa hat erkannt, dass man bei der Elektromobilität schneller vorgehen muss. In Deutschland will Bundeskanzlerin Angela Merkel erreichen, dass es bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen gibt.

Sie bauen Siemens zum grünen Konzern um. Was denken Sie, wenn Sie zugleich den Umwelt-Showdown der gigantischen Ölpest im Golf von Mexiko sehen?

LÖSCHER: Es bestärkt mich, dass wir alles tun, damit wir den Siemens-Konzern nachhaltig ausrichten. Wenn es zu Krisen kommt, muss man schnell und konsequent handeln. Unsere eigene Krise hat uns das bewiesen.

BP-Chef Tom Hayward muss kommende Woche vor dem US-Senat beichten, der BP-Börsenwert hat sich von 140 auf 70 Milliarden Pfund halbiert. Alarmiert das nicht alle Manager für einen anderen Umgang mit der Umwelt?

LÖSCHER: Generell müssen Manager vorleben, mit Glaubwürdigkeit in Ton, Worten und Taten übereinstimmend zu handeln.

US-Präsident Obama sucht jedenfalls schon den Schuldigen bei BP für die Öl-Katastrophe, damit er ihm, wie er sagte, in den Hintern tritt. Zugleich zündet er das größte Öko-Investitionsprogramm aller Zeiten. Was bringt es?

LÖSCHER: Es ist ein massiver Beschäftigungsmotor. Präsident Barack Obama hat uns in unserem Werk in Arizona, wo wir Windkraftturbinen erzeugen, besucht und gesagt: "Das Land, das in der Anwendung der Alternativenergie führt, wird auch die Weltwirtschaft anführen". China, so hat uns der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao gesagt, will in fünf Jahren die Produktivität pro Kopf verdoppeln, unter anderem mit Energie- und Ressourceneinsparung. Das globale Rennen um die Führung auf den grünen Märkten hat längst begonnen.

Greenpeace hat gerade eine Studie veröffentlicht, dass bis 2030 rund 8,5 Millionen neue Arbeitsplätze allein durch erneuerbare Energien entstehen werden. Was sind die grünen Ziele von Siemens?

LÖSCHER: Die grünen Märkte wachsen weltweit am schnellsten und werden sich in zehn Jahren auf 3000 Milliarden Euro verdoppeln. Es gibt weltweit kein Unternehmen, das bei umweltfreundlichen Energien breiter und tiefer aufgestellt ist, als Siemens. Unser Umweltportfolio beschäftigt 100.000 Mitarbeiter und hat ein Volumen von 23 Milliarden Euro. Es soll bis 2011 auf mindestens 25 Milliarden Euro steigen. Wir bauen zum Beispiel die energieeffizienteste Gasturbine der Welt, mit der wir gerade vor dem Eintritt in einen riesigen neuen Markt stehen. Und unser Hochgeschwindigkeitszug mit 404 km/h ist nicht nur der schnellste, sondern auch der energieeffizienteste der Welt. In der Breite haben wir ein grünes Portfolio, das kein Anderer hat.

Bei Windenergie forcieren Sie ein Projekt nach dem Anderen. Welche Dimension peilen Sie an?

LÖSCHER: Wir haben 2004 die Firma Bonus gekauft, in der damals kaum 1000 Mitarbeiter 240 Millionen Euro Umsatz machten. Heute haben wir einen Auftragsbestand von sieben Milliarden Euro in diesem Geschäftsfeld. Da zeigt sich unsere Kraft, wenn man eine hochtechnologische Firma entwickelt und auf das globale Siemens-Netzwerk aufsetzt. Das ist nachhaltiges Wachstum.

Ist der grüne Wachstumsmotor die Aufschwung-Hoffnung, die uns in Europa aus der Wirtschaftskrise führt?

LÖSCHER: Absolut. Europa muss um so viel innovativer sein, als es teurer ist. Europa muss Pilotprojekte setzen und bei der Innovationsgeschwindigkeit vorne mit dabei sein.

Zur Finanz- und Wirtschaftskrise kommen Krisen der Volkswirtschaften wie Griechenland, die Budgetkonsolidierung erfordern. Hemmen aber so drastische Sparpakete, wie in Deutschland mit 80 Milliarden Euro, nicht den Aufschwung?

LÖSCHER: Die derzeitige Krise hat zwei Dynamiken. Die Realwirtschaft ist wesentlich stabiler unterwegs, als wir das im Finanzmarkt teilweise noch sehen. Griechenland ist nur ein Beispiel für die noch hohe Volatilität. Ich halte es für gut und richtig, dass der Stabilitätspakt wieder in den Vordergrund rückt. Es ist notwendig, dass Staaten Fiskalmaßnahmen treffen und zugleich Schwerpunkte setzen für nachhaltige Wachstumsfähigkeit des Landes. In Deutschland wird bei der Forschungs- und Entwicklungsunterstützung und bei der Bildung nicht gespart.