W irtschaft tauscht Leistung und Gegenleistung. Wir wollen mit Ihnen über das Gegenteil reden - Geschenke.

LEITL: Wer sagt, dass wir nichts schenken? (Lacht)

Die Wirtschaft?

LEITL: Mit der Arbeit, mit hoher Beschäftigung, mit vernünftigen Einkommen schenken wir den Menschen die Erfüllung ihrer materiellen Lebensträume.

Die müssen sie sich doch selbst erarbeiten.

LEITL: Ja selbstverständlich, aber ohne innovative, risikobereite Betriebe, die Menschen eine Chance geben, ihre Talente zu entfalten und Einkommen zu erzielen, ginge es nicht.

Das ist ja im beiderseitigen Interesse.

LEITL: Natürlich, keine Frage, aber es ist zweifellos ein Geschenk, wenn man das mit einer Philosophie der Gemeinsamkeit macht. Das hat doch weit über das Materielle hinaus einen Mehrwert, der sicher unter Schenken im Sinne von Dienst am Nächsten fällt.

Aber im Kern ist Wirtschaft ein Tausch Leistung-Gegenleistung.

LEITL: Nein, nein, nein, das ist die Basis, aber darüber gibt es immer noch einen wertorientierten Überbau, der sich zusammenfassen lässt in die Worte Dienen kommt vor Verdienen.

Ohne diesen Überbau funktioniert Wirtschaft nicht?

LEITL: Nicht auf Dauer.

Warum?

LEITL: Weil sonst das Ganze auf seine Komponenten reduziert ist, weil die innere Begeisterung, die Freude und das Sinnerlebnis abhandenkommen. Ich glaube, dass gerade diese Momente in der Wirtschaft entscheidend sind.

Wirtschaft hat den Reiz von Geschenken längst entdeckt. Ein Handy wird mir geschenkt, dafür binde ich mich. Ich bekomme Bonusmeilen, einen Rabatt. Man benutzt die Freude am Geschenk, um die Menschen zu binden.

LEITL: Ich habe selbst als Kind mit Begeisterung in einem kleinen Spar-Geschäft die Markerln gesammelt. Jedes Markerl war drei Groschen wert, und wenn man 33 gehabt hat, hat man etwas bekommen. Das hat mich natürlich begeistert. Ich wusste aber damals schon, dass das eine Aktion der Kundenbindung ist, eine Belohnung für Treue. Das ist sogar mir als Kind eingegangen. Jeder muss selbst entscheiden, ob ihm die Gegenleistung - eine Bindung - das wert ist. Er hat ja die Wahl.

Wenn man es merkt.

LEITL: Also bitte! Wir haben es ja mit vernünftigen Menschen zu tun, nicht mit Halbgebildeten.

Schenken Sie oder lassen Sie schenken?

LEITL: Natürlich schenke ich selber im Rahmen meiner Familie und meiner Freunde.

Haben Sie denn die Zeit dazu?

LEITL: Ich hab ein eigenes System entwickelt. Mein Schreibtisch hat eine sogenannte Geschenkelade. Wo immer ich unterm Jahr etwas sehe - ein gestickter Beutel für die Mutter, die das sammelt oder ein silberner Kerzenleuchter vom Flohmarkt, den meine Frau sammelt, erwerbe ich das Stück, freu mich und geb's in die Lade. Glauben Sie mir, ich hab dann keinen Weihnachtsstress.

Welche Bedeutung hat für Sie der Preis beim Aussuchen?

LEITL: Wenn's im Rahmen ist, eine völlig Nebensächliche. Das Geschenk sollte persönlich sein, es soll Freude machen, und wenn es darüber hinaus noch eine Überraschung ist, umso besser.

Schenken Sie zurück?

LEITL: Ich glaube, das gehört sich, wenn man beschenkt wird, dass man sich auch dem Geber gegenüber als dankbar erweist.

Warum fällt es uns schwer, ein Geschenk einfach zu akzeptieren?

LEITL: Weil es eine Missachtung des Schenkenden ist, wenn man einfach nur dankschön sagt.

Warum freut uns das Schenken?

LEITL: Weil es uns selbst die größte Freude bereitet, anderen eine Freude zu bereiten.

Was kann man aus einem Geschenk schließen?

LEITL: Ob der andere mich kennt, ob er mich einschätzt, ob das Geschenk persönlich ist oder 0815.

Wird zu Weihnachten jedes Jahr mehr ausgegeben?

LEITL: Nein, die Summe dürfte heuer auf dem Niveau des Vorjahres liegen, das sehr gut war.

Kennen Sie die jugendliche Konsumverweigerung zu Weihnachten?

LEITL: (Lacht) Aber freilich.

Sie waren auch dabei?

LEITL: Jaja, mit Lust und Freude habe ich die alten Pullover getragen und mich gegen Modisches gewehrt. Das kann ich alles sehr gut nachvollziehen. Selbst Gebasteltes, das mit Zeit und Kreativität verbunden und damit einmalig ist, empfinde ich auch heute noch als die innerlich berührendsten Geschenke.

Setzt Schenken Religion voraus? Hört es sich auf in einer Gesellschaft ohne Transzendenz?

LEITL: Es gibt Leute, die wenig Bezug zur Religion haben und aus humanistischer Grundhaltung schenken. Auch wenn die Ursprungsidee von Weihnachten in der religiösen Vermittlung eines Geschenks liegt, so ist es inzwischen zu einem wichtigen Bestandteil guter zwischenmenschlicher Beziehungen geworden.

Lässt sich die Bereitschaft zu schenken durch Werbung verstärken, steuern?

LEITL: Werbung kann höchstens eine allgemeine Geschenkbereitschaft in eine konkrete umwandeln. Werbung als Ideenvermittler für latent vorhandene Geschenkbereitschaft - sehr intellektuell formuliert (lacht).

Wie reagieren Sie auf die Stimmungsmacher Beleuchtung, Nadelbäume, Musik?

LEITL: Mir ist alles recht, soweit es in der Adventzeit ist. Allergisch bin ich nur, wenn es am Tag nach Allerheiligen einsetzt.

Was war das schönste Geschenk, das Sie je erhalten haben?

LEITL: Das war ein selbst gemachtes Tonfiguren-Schach meiner dreijährigen Tochter.

Haben Sie es noch?

LEITL: Freilich, das hat einen Ehrenplatz.

Und womit haben Sie die meiste Freude ausgelöst?

LEITL: Da tu ich mir schwer. Sicher mit einem Geschenk, mit dem mir ein positiver Überraschungseffekt gelungen ist.

Man sagt, uns wird das Leben geschenkt, empfinden Sie das so?

LEITL: Absolut, es ist ein unheimlich schönes Geschenk, zu leben in einer trotz mancher Schwierigkeiten doch so schönen Welt.

Dass Sie es 1979 bei einer versuchten Entführung fast verloren hätten, verstärkt das noch?

LEITL: Wenn man einmal so eine Grenzerfahrung gemacht hat, erlebt man das Geschenk des Lebens noch viel bewusster und dankbarer.

Das kommt Ihnen immer wieder in den Sinn?

LEITL: So etwas vergisst man nicht. Ich bin aber heute froh um diese Erfahrung, weil ich damit einen noch festeren Orientierungsrahmen gefunden habe.