Herr Kommissar, ist der Euro in Gefahr? ANTONIO TAJANI: Nein. Aber in einigen Ländern gibt es ein großes Problem. Wir müssen daher hart daran arbeiten, in Europa die Schulden abzubauen, und wir müssen etwas für die wirtschaftliche Erholung tun. Die Industrie, die Klein- und die Mittelbetriebe gehören gestärkt. Sind wir da säumig, laufen wir Gefahr, dass die Wirtschaft gebremst wird.

Tut die EU genug, um die Zukunft des Euro zu sichern? TAJANI: Als sich die Krise in Griechenland zuspitzte, hat Europa ein Zeichen gesetzt. Wir alle haben gesagt, es gibt dieses Europa, lasst uns daher seine Währung retten. Dafür braucht es aber eine europäische Wirtschaftsregierung. Die Zeiten von Nationalismus und Protektionismus sind vorbei. Wenn wir die Krise meistern wollen, müssen wir die Politiken der Mitgliedsstaaten koordinieren und brauchen strengere Regeln, um ein zweites Griechenland zu verhindert.

Ist die Krise überwunden? TAJANI: Die Schäden, die die Krise verursacht hat, sind groß. Aber sie ist fast vorbei, die jüngsten Zahlen zeigen: Die Industrie erholt sich, nicht schnell, aber doch. Aber es gibt noch gefährliche Nachbeben. "In cauda venenum, lautet ein lateinisches Sprichwort. "Im Schwanz befindet sich das Gift". Wir müssen alles tun, um ein Überspringen der Euro-Krise auf andere Länder zu verhindern.

Wie hoch ist die Gefahr, dass zu radikales Sparen die Wirtschaft abwürgt? TAJANI: Eine Politik, die allein den Schuldenabbau zum Ziel hat, wird die Probleme nicht lösen. Wir müssen uns auch um die Industrie und die Betriebe kümmern. Wir müssen vor allem den Zugang der Klein- und Mittelunternehmen zu Krediten sicherstellen. Aber Sparen und Unterstützung für die Wirtschaft sind keine Gegensätze.

Was halten Sie von der Idee, gemeinsame Anleihen der Eurostaaten zur Finanzierung der Schulden aufzulegen? TAJANI: Ich persönlich, stehe diesem Vorschlag aufgeschlossen gegenüber. Man muss das wirklich diskutieren. Ein erster Schritt dazu könnten ja Anleihen zur Finanzierung großer Infrastrukturprojekte sein.

Wie kommen Staaten, die brav gewirtschaftet haben dazu, für den Schlendiran anderer Länder geradezustehen? TAJANI: Ich verstehe sehr gut, wenn etwa die Deutschen darauf hinweisen, dass es Länder gibt, die sich an die Regeln gehalten haben, während andere das nicht getan haben. Aber es handelt sich ja nicht um Ideen für die Gegenwart. Das ist Zukunftsmusik. Warten wir ab, bis die Krise überstanden ist, und reden wir dann in Ruhe darüber.

Was halten Sie von der Forderung, die Währung in einen Nord-Euro und einen Süd-Euro zu teilen? TAJANI: Die Eurozone darf nicht geteilt werden. Wir haben in der EU ja bereits Euro-Staaten und Nicht-Eurostaaten. Da sollte es keine weitere Spaltung geben.