Es war kurz nach fünf Uhr morgens. Fünf in schwarz gekleidete Männer auf vier großen Motorrädern drehten Runden auf den Straßen rund um das Ausländerviertel am Omonoia-Platz im Zentrum Athens. Sie machen einen 19-jährigen dunkelhäutigen Mann aus, schlagen mit Steinen und Fäusten - und stechen mit Messern auf ihn ein. Der aus Irak stammende Migrant verblutet langsam und stirbt am Nachmittag in einem Athener Krankenhaus.

So beschreiben Polizisten und Augenzeugen einen rassistisch motivierten Überfall im Zentrum Athens am Sonntag. Das Thema Migration, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit schlägt seitdem in Griechenland erneut hohe Wellen. "Der unbekannte Krieg", titelte die Athener Zeitung "Ta Nea". "Rassistischer Amoklauf", lautete der Tenor in der Boulevardzeitung "Ethnos". Der Minister für Öffentliche Ordnung, Nikolaos Dendias, verurteilte die Tat und kündigte an, "unerbittlich gegen die Täter dieser Verbrechen" vorzugehen.

Drama in den Städten

"Hoffentlich ist es nicht zu spät", sagt Fotis Dimakopoulos, ein Kioskbesitzer im Stadtteil Kypseli, wo tausende Migranten leben. In Athen und den anderen großen Städten spielt sich nämlich seit Jahren ein Drama ab, von dem die Regierung zunächst nichts wissen wollte. Mehr als eine Million Ausländer sind Schätzungen zufolge nach Griechenland gekommen. Sie suchen eine bessere Zukunft in Europa und wollen oft nach Deutschland, Frankreich oder Italien weiterreisen. Solange die griechische Finanzkrise nicht sichtbar war, wie etwa 2004 bei den Olympischen Spiele in Athen, fanden auch diese Menschen Arbeit. Jetzt ist fast jeder vierte Grieche arbeitslos. Da sehen viele keinen Platz mehr für Ausländer.

Hunderte Migranten suchen Essbares in den Mülleimern von Athen. Kriminelle Einwanderer überfallen Frauen auf offener Straße. Touristen, die sich in den gefährlichen Regionen des Zentrums bewegen, werden von kleinen Banden überfallen und beraubt. Die Kleinkriminalität nimmt rasant zu. In fast jede zweite Wohnung im Stadtteil Patissia ist in den letzten Monaten eingebrochen worden.

Rechtsextremisten im Aufwind

Die Lage hatte sich vergangene Woche verschärft, nachdem ein Mann eine 15-jährige Griechin auf der Insel Paros angriff, sexuell misshandelte und schwer verletzte. Der Pakistaner hat die Tat bereits gestanden. Im Windschatten der Tat machen sich ausländerfeindliche Organisationen breit. Sympathisanten der rechtsextremen "Goldenen Morgenröte" hatten versucht, den mutmaßlichen Täter zu lynchen. Die Polizei konnte ihn nur mühsam und im letzten Moment retten. Die Rechtsextremisten sitzen mit 18 Abgeordneten im Parlament.

Der erstochene Iraker am Omonoia-Platz war nicht der einzige Zwischenfall. Am Vortag war es in Heraklion auf Kreta zu regelrechten Straßenkämpfen zwischen Griechen und Pakistanern gekommen. Faschisten attackierten wiederholt Geschäfte von Migranten in Piräus, in ein Geschäft, das auch als Moschee dient, flogen Rauchbomben.

Die Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras versucht hektisch, Lösungen zu finden. Einerseits muss sie die Menschenrechte achten. Andererseits verliert sie zunehmend Stimmen nach rechts. Die Menschen wollen endlich sicher leben. In ihrer Verzweiflung glauben sie jedem, der ihnen das verspricht.

"Xenios" soll helfen

Im ganzen Land findet zurzeit eine Aktion mit dem nicht ganz gelungenem Namen "Zeus Xenios" statt. "Xenios" war einer der Beinamen des griechischen Gottes Zeus, der als Beschützer der Fremden und Gäste galt. Bei der Polizeiaktion wird jeder mit dunkler Haut auf der Straße kontrolliert. Bisher sind nach offiziellen Angaben mehr als 7 000 Menschen vorübergehend festgenommen worden. Mehr als 2 000 waren illegal in Griechenland und sollen so bald wie möglich ausgewiesen werden. An der Grenze zur Türkei baut Griechenland einen Zaun nach dem Muster des Grenzzauns zwischen den USA und Mexiko.

Die griechische Presse zieht mittlerweile Parallelen zur Weimarer Republik. Es liefen drei Zustände zusammen, die zur Katastrophe in Deutschland geführt hätten: Die Bevölkerung verarmt. Viele verelenden unter den Sparprogrammen. Und die Extremisten erzielen Erfolge. "Der Hass macht sich breit. Es handelt sich um eine Barbarei", die sehr an die Weimarer Republik erinnere, kommentierte die Zeitung "Ta Nea". Das dürfe nicht geduldet werden. Die Banden, die Rassismus und Selbstjustiz ausüben und propagieren, müssten hier und jetzt ausgehoben werden, bevor es zu spät ist, hieß es.