Seit November 2022 und dem Raketenstart von ChatGPT ist „Künstliche Intelligenz“ (KI) omnipräsent. Mit dem Chatbot bekamen die gigantischen Sprachmodelle ein Gesicht, aus dem zuvor schwer greifbaren wurde ein massentaugliches Thema. Längst ist absehbar, dass das Potenzial der Technologie gigantisch ist und unterschiedlichste Lebensbereiche massiv beeinflussen kann. Zugleich stecken KI und deren Anwendungs-Landschaft noch immer in den Kinderschuhen. Was Prognosen verkompliziert. Betreffen sie die Auswirkungen von KI auf die globalen Arbeitsmärkte, auf unsere Jobs, pendeln sie deswegen stark. Je nach ideologischer Basisausstattung irgendwo zwischen Aufregung und Alarmismus.

Goldman Sachs reiht sich eher in zweitere Kategorie ein. Der Investmentbank zufolge könne generative KI – also Anwendungen á la ChatGPT, die selbst Inhalte erzeugen – bis zu einem Viertel der derzeitigen Arbeit ersetzen. Die Forschungsabteilung der Bank im Original-Ton: „Rechnet man unsere Schätzungen auf die ganze Welt hoch, so könnte generative KI das Äquivalent von 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen der Automatisierung aussetzen.“ Immerhin: Köche oder Kfz-Mechaniker seien von der Entwicklung kaum tangiert.

In ähnlichen Größenordnungen denkt auch das Beratungsunternehmen McKinsey. Schon im Sommer 2023 führen dessen Überlegungen zum Schluss, dass bis 2030 rund ein Drittel der aktuell geleisteten Arbeitsstunden am US-Jobmarkt „automatisiert werden“. Ein Trend, der sich seit geraumer Zeit abzeichnet, durch die Fortschritte von generativer KI aber immens „beschleunigt“ werde.

Zugleich beobachten die Autorinnen und Autoren verschiedene Auswirkungen auf verschiedene Branchen. Während ChatGPT & Co Jobs im naturwissenschaftlichen Bereich, im Kreativ- oder Rechtssegment eher „bereichern“ werden, könnte die Beschäftigung in den Bereichen „Bürodienstleistungen oder Kundendienst zurückgehen“. Was anregt, einen schnellen Zwischenstopp in der Gedankenwelt des Wirtschaftswissenschafters Richard Baldwin einzulegen. Dessen Befund: „Es ist nicht die KI, die deinen Job übernehmen wird, sondern jemand, der weiß, wie man KI nutzt!“

„Nettoeffekt schwer vorhersehbar“

Aus hoher Flughöhe blickt der Internationale Währungsfonds (IWF) auf die Evolution der Jobmärkte. „KI wird fast 40 Prozent der Arbeitsplätze weltweit betreffen, einige ersetzen und andere ergänzen“, schreibt IWF-Chefin Kristalina Georgiewa mit Bezug auf eine breit angelegte, aktuelle Studie aus eigenem Hause. Klar sei, so die Ökonomin, dass man „an der Schwelle zu einer technologischen Revolution“ stehe. Diese könnte „Produktivität ankurbeln, das globale Wachstum steigern und die Einkommen weltweit erhöhen“. Zugleich zeichne sich ab, dass „auch Arbeitsplätze ersetzt werden und sich die Ungleichheit vertieft“. Der „Nettoeffekt“ sei noch „schwer vorhersehbar“, weil sich „KI auf komplexe Weise auf die Volkswirtschaften auswirken wird“.

Während zunehmende Automatisierung in der Vergangenheit primär auf Routineaufgaben abzielte, „beeinflusst KI auch hoch qualifizierte Arbeitsplätze“, heißt es beim IWF. Eine Folge dessen sei, dass fortgeschrittene Volkswirtschaften mit mehr derartigen Jobs künftig mit „größeren Risiken“, aber zugleich auch mit „mehr Möglichkeiten, ihre Vorteile auszubauen“, rechnen dürfen.

IWF: Nur in „extremsten“ Fällen verschwinden Jobs

In diesen Ländern seien laut IWF gar „60 Prozent der Jobs“ direkt von KI betroffen. Wiederum bei der Hälfte dieser Arbeistplätze glauben die IWF-Ökonominnen und -Ökonomen, dass sie von KI profitieren werden und effizienter arbeiten können. Die andere Hälfte aber erwarten Nachteile. Ihre Aufgabenbereiche könnten künftig von KI-Anwendungen großteils übernommen werden, was laut IWF „die Nachfrage nach Arbeitskräften senken und zu niedrigeren Löhnen und weniger Neueinstellungen führen könnte“. In den „extremsten“ Fällen würden Jobs gar komplett verschwinden.

Fakt sei, so IWF-Chefin Georgiewa abschließend, dass in den meisten vom Währungsfonds durchgespielten Szenarien „die KI wahrscheinlich die allgemeine Ungleichheit verschärfen wird“. Deswegen sei es umso wichtiger, dass die Politik diesen Trend „proaktiv angehen muss“, um zu verhindern, dass „die Technologie soziale Spannungen weiter anheizt“.

Wie die Lage eigentlich in Österreich aussieht? Auch hierzulande gibt es freilich schon einiges an Studienmaterial. Eine aktuelle Erhebung des Beratungsunternehmens PwC, für die Personalverantwortliche österreichischer Unternehmen befragt worden sind, kommt zu einem besonders spannenden Befund: So geben satte 87 Prozent der Befragten an, dass sie KI als Chance für die Zukunft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrem Unternehmen sehen. Dabei artikulieren zwei von drei die Meinung, „dass KI die Arbeitsweise in ihrem Unternehmen komplett verändern wird“.

Bedarf nach Schulungen steigt

Dennoch herrscht Einigkeit darüber, dass damit keine Bedrohung einhergehe – diese Ansicht vertreten 94 Prozent und fast drei Viertel (79 Prozent) „begrüßen die Einführung von KI am Arbeitsplatz sogar“. Johanna Schaller, Senior Managerin im Bereich „Workforce Transformation“ bei PwC Österreich, leitet daraus folgenden Befund ab: „Es gilt dieses positive Momentum und die Neugier der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf KI zu nutzen.“ Um die neuen Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben, auch wirklich sinnvoll und effizient eingesetzt werden können, „müssen Unternehmen ihre Mitarbeitenden entsprechend schulen“, so Schallers Appell. „Investments in Digitalisierungs- und KI-Schulungen sind daher unerlässlich, um den Anschluss nicht zu verlieren und langfristig erfolgreich zu bleiben.“

„Dass Jobs verschwinden werden, steht außer Zweifel“, antwortet jüngst wiederum Horst Bischof, Rektor der TU Graz, im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Wenngleich auch der Informatiker schnell eine betont positivere Herangehensweise anschlägt. Eine, die dieser Geschichte gar ein versöhnliches Ende beschert. Horst Bischof: „Die Historie zeigt ganz klar: Egal welcher Schritt der Automatisierung erfolgt ist, am Ende sind mehr Jobs entstanden, als zuvor da waren.“