Die Debatten um Österreichs Gas-Abhängigkeit von Russland hat zuletzt wieder Fahrt aufgenommen. Jetzt gibt es einen abermaligen Appell für einen schnellen Ausstieg Österreichs aus russischem Gas: EU-Spitzenpolitiker Othmar Karas (ÖVP) und Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss spielen den Ball für den Ausstieg allerdings nicht der OMV mit ihren bis 2040 dauernden Lieferverträgen mit der russischen Gazprom zu, sondern klar der österreichischen Regierung. Beide drängen auf eine rasche politische Entscheidung, als Basis für einen abgestuften Ausstiegsplan. „Die Chancen sind jetzt zu nutzen“, so Karas und Roiss mit Blick darauf, dass der Transitliefervertrag der Ukraine für Gazprom-Gas mit Jahresende abläuft. Karas, erster Vizepräsident des EU-Parlaments, sieht darin eine sehr zeitnahe realistische Möglichkeit für das Kappen der Gazprom-Verbindung: „Raus aus dem Gazprom-Vertrag, das ist möglich. Die Versorgungssicherheit ist gegeben.“

Gasspeicher zu 70 Prozent gefüllt

Die Gasspeicher seien mit 70 Prozent so voll wie noch nie um diese Zeit, erklärt Roiss in dem Online-Pressegespräch. Am europäischen Markt gebe es Gas genug, die Preise seien wieder auf Vorkriegs-Niveau. Die Situation sei deshalb günstig.

Im Streit um die Finanzierung des Ausbaus der West-Austria-Gasleitung (WAG-Loop) fordert Karas ein Ende des „Pingpongspiels“ zwischen Ministerien und Wirtschaft. Die Beseitigung der Lücke sei eine Frage der Verantwortung, nicht des Geldes. Das 40 Kilometer lange zusätzliche Pipeline-Stück in Oberösterreich gilt unter Fachleuten übrigens nicht als Hindernis beim Umdrehen der Gasströme von Ost auf West. In der zuständigen Verbund-Tochter Gas Connect Austria (GCA) wird überdies betont, dass man schon jetzt fast den doppelten Jahres-Gasbedarf aus nicht russischen Quellen nach Österreich transportieren könne. Insgesamt sinke der Gasbedarf bereits deutlich.

OMV hält sich bedeckt

Die OMV hält sich zum Problem der Lieferverträge seit jeher absolut bedeckt. Tatsächlich hat der teilstaatliche Öl- und Gaskonzern in den vergangenen Monaten aber bereits groß dimensionierte Lieferverträge etwa mit Norwegen abgeschlossen und auch langfristige Pipelinekapazitäten in Westeuropa dafür gesichert. Kurz vor Weihnachten hatte das Putin-Regime zudem die OMV-Anteile an russischen Gasfeldern enteignet.

Roiss pocht auf die „Vorreiterrolle“, die die Politik übernehmen müsse, die aus rechtlicher Sicht kein OMV-General übernehmen könne. Die 2019 noch lange nicht notwendig gewesene Verlängerung der OMV-Lieferverträge mit der russischen Gazprom, die jetzt bis 2040 reicht, hat der Nachfolger von Roiss, Ex-OMV-Chef Rainer Seele zu verantworten.

Ukraine spielt Schlüsselrolle

Die Ukraine spielt geografisch eine Schlüsselrolle im Gastransport aus Russland in den Westen, weil neben den zerstörten Nord Stream Pipelines auch die Yamal-Leitung über Belarus außer Betrieb ist. Roiss warnt vor anderen Umgehungen, an denen auch schon gearbeitet werde. „Auch da bedarf es einer klaren Botschaft Österreichs“, so Roiss. Denn für die Ukraine gehe es um Milliardenerträge aus dem Transit. Roiss nannte dazu keine Details. Traditionell sind allerdings Ungarn oder die Slowakei gegen ein Ende russischer Gaslieferungen. Grundsätzlich ist Gazprom verpflichtet, das Gas zum Übernahmepunkt in Baumgarten unweit der slowakischen Grenze zu liefern.

Roiss zufolge sollen die Verträge für Österreich im internationalen Vergleich überdies besonders ungünstige Klauseln beinhalten. So soll die Abnahmeverpflichtung – die take or pay-Klausel - für 96 Prozent der vereinbarten Gasmengen gelten. „Üblich sind in Europa 80 Prozent,“ sagt Roiss.