Es ist eine schwierige Situation für die traditionsreiche AVL List mit Sitz in Graz: Einerseits ist man in den Corona-Jahren um fast 30 Prozent in neuen Bereichen gewachsen und hat gegenüber 2022 rund 200 Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen. Und das entgegen dem Trend in der Branche.

Aber in einem Bereich der Verbrennungsmotoren wird das Geschäft immer schwieriger: Am Stammsitz in Graz wurde heute ein Stellenabbau-Programm bekannt. 70 Arbeitsplätze werden durch Kündigungen bis Ende des Jahres wegfallen, weitere 130 sollen eingespart werden. Und zwar über einen Nachbesetzungsstopp bei „natürlichen Abgängen“ (Pensionierungen etc.). Insgesamt geht es um fünf Prozent aller Arbeitsplätze in Graz (4300 Arbeitsplätze insgesamt).

Zweistelliger Millionenbetrag

Nicht nur Graz ist von Maßnahmen betroffen, auch international muss AVL List reagieren. Insgesamt soll ein „mittlerer zweistelliger“ Millionenbetrag bei der AVL eingespart werden.

Der Verbrenner-Bereich bereitet der AVL derzeit Kopfzerbrechen, und damit steht man international nicht alleine da. Entwicklungsbudgets werden zunehmend Richtung E-Mobilität und andere Bereiche verschoben, der Verbrenner gilt in Europa als „Auslaufmodell“.

Autobranche zögert

Verschärft hat die Situation zuletzt die Verwirrung um die kommende Abgasnorm Euro 7. Diese hätte eigentlich schneller umgesetzt werden sollen und das mit strengeren Vorgaben. Aber hier kommt es zu Verzögerungen und Diskussionen, und mehrere Fahrzeughersteller haben Entwicklungsaufträge zeitlich nach hinten verschoben. Ohne Gewissheit, wann es weitergehen wird. Was auch die AVL getroffen hat. Während amerikanische und chinesische Unternehmen weiter am Verbrenner arbeiten, ist bei den europäischen Herstellern eine Flaute eingekehrt.

Unternehmen nicht in Gefahr

Gerüchten, dass das Unternehmen „in Gefahr“ sei, tritt man entschieden entgegen. Man müsse auf die Auftragslage der Branche reagieren. Helmut List, Vorsitzender der Geschäftsführung AVL List GmbH, erklärt in einem offiziellen Statement: „Nach zwei Jahren des Wachstums – mit zehn Prozent im letzten Jahr – müssen wir nun die Ertragskraft des Unternehmens stärken, um die notwendigen Mittel für die Investitionen in die Zukunft bereitzustellen. Die ökonomischen Rahmenbedingungen und der starke internationale Wettbewerb machen diese Kapazitätsanpassung notwendig und schaffen die notwendigen Voraussetzungen für das Vorantreiben neuer Technologien. Ziel ist es, die Position von AVL als innovationsgetriebener, globaler Technologieführer im Mobilitäts- und Energieumfeld weiter auszubauen.“

AVL List hat sich in den letzten Jahren ja wesentlich breiter aufgestellt. Der Verbrenner-Bereich macht heute nur noch knapp 40 Prozent des gesamten Geschäftsfeldes aus. Wasserstoffprojekte, E-Auto und Batterie- sowie Software-Entwicklung (vom autonomen Auto bis zu Simulationen) machen heute den Löwenanteil aus. Microsoft wählte AVL zum weltweiten Partner.

Abseits der Autoindustrie

Offiziell sagt AVL: 2023 hat man mit insgesamt 12.200 Mitarbeitenden (2022: 11.200 Mitarbeitende) weltweit, davon 4300 in Graz (rund 200 Arbeitsplätze mehr gegenüber 2022) einen Umsatz von 2,05 Milliarden Euro (2022: 1,86 Milliarden Euro) gemacht. Das entspreche einem Zuwachs von rund zehn Prozent, nach einem Wachstum von 18 Prozent im Jahr 2022. Und: „In den nächsten Jahren sind weitere Investitionen in neue Geschäftsfelder abseits der Automobilindustrie geplant. Auf der Agenda stehen neue Forschungs- und Entwicklungsleistungen in den Bereichen Bahn, Schifffahrt und Energie.“