„Diesen Meisterbrief in Händen zu halten, das war immer mein Ziel“ – die Gefühlslage von Christina Strauß teilen an diesem Abend fast 550 Absolventinnen und Absolventen. Ein Abend, an dem sie und ihre Leistungen im Rampenlicht des bis zum letzten Platz gefüllten Grazer Stefaniensaals stehen: Exakt 252 Meister- und 297 Befähigungsprüfungen wurden im vergangenen Jahr in der Steiermark erfolgreich abgelegt, zelebriert wird das schon traditionell im Rahmen der Meisterbriefverleihung. Dahinter stehen vielfach außergewöhnliche Ausbildungs- und Karrierewege. Wie eben jener der 29-jährigen Christina Strauß aus St. Nikolai im Sausal. Die Absolventin der Modeschule Graz hat ihre Meisterprüfung als Damenkleidermacherin mit Auszeichnung abgelegt. Damit ist Strauß, die seit rund fünf Jahren selbstständig ist, übrigens bereits sehr vertraut – sie hat auch beide Lehrabschlüsse mit Auszeichnung abgeschlossen. Die Leidenschaft der Berufseuropameisterin von 2021 sind „moderne Dirndl“, die sie selbst kreiert und fertigt. Der Weg zur Meisterprüfung sei ein langer gewesen, habe ihr vieles abverlangt, „macht mich aber auch sehr stolz“. Sie sehe darin die Perfektionierung ihres Handwerks, betont Strauß.

Das gilt auch im Fall der 23-jährigen Leonie Tieber, die ihre Meisterprüfung in der Kfz-Technik ebenfalls mit Auszeichnung abgeschlossen hat. Die persönliche Weiterbildung und damit einhergehende Herausforderung seien ihre Triebfedern gewesen. Tieber, die für den ÖAMTC im Pannendienst arbeitet, ist trotz ihrer jungen Jahre bereits eine mehrfach prämierte Spezialistin, hat Landes- und Bundeslehrlingswettbewerbe gewonnen, die Austrian Skills und somit ein Ticket für die EM 2025 in Dänemark. Auch einen u. a. von der FIA ausgerichteten internationalen Wettbewerb für Pannenhilfe konnte sie im Team für sich entscheiden.

Strauß und Tieber bildeten gemeinsam mit Torsten Alexander Scheer (43), der als spätberufener Bäcker seine Meisterprüfung ebenfalls mit Bestnoten absolviert hat, das Nominierten-Trio für den Titel „Meister des Jahres“. Scheer, der einst die HTL für Elektrotechnik in Weiz mit Matura abgeschlossen hat und als Ingenieur in der Industrie tätig war, hat dann mit knapp über 40Jahren doch noch umgesattelt: Heute ist er Bäckermeister, Innovationspreisträger und führt mit „Dein Brotheld“ seinen eigenen Betrieb. Scheer sticht auch aufgrund seines gesellschaftlichen und sozialen Engagements hervor, so engagiert er sich u. a. in der Lehrlingsausbildung und der Feuerwehr.

Mittels Publikumsvoting wurde schließlich Christina Strauß zur Meisterin des Jahres gekürt. „Ich freue mich riesig über diese Auszeichnung, damit hätte ich niemals gerechnet“, so Strauß auf der Bühne vor 1400 anwesenden Gästen.

Christina Strauß, Meisterin des Jahres
Christina Strauß, Meisterin des Jahres © Fischer

„Sichtbarer Qualifikationsnachweis“

Beispiele wie diese stehen stellvertretend für die „steirische Meisterklasse“. Diese hohe Bereitschaft „zur fachlichen Weiterqualifizierung ist sehr wichtig für die steirischen Unternehmen und für den Wirtschaftsstandort Steiermark“, unterstreicht der steirische Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk. Gerade in wirtschaftlich so herausfordernden Zeiten gelte es „mit Qualifikation und folglich Qualität entgegenzutreten“.

Hermann Talowski, als Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk der Gastgeber des Abends, betont: Mit Meister- und Befähigungsprüfungen können sich „Spitzenfachkräfte beruflich und persönlich weiterentwickeln“. Sie seien zudem „ein sichtbarer Qualifikationsnachweis für die Unternehmen, von dem auch die Konsumentinnen und Konsumenten profitieren“. In Gewerbe- und Handwerksbetrieben werden traditionell die meisten Meister- und Befähigungsprüfungen abgelegt.

Steigerung der fachlichen Kompetenz als Hauptmotiv

Unterm Strich wurden im Vorjahr 252 Meister- und 297 Befähigungsprüfungen abgelegt, 2022 waren es im Vergleich dazu 253 bzw. 343. „Die seit geraumer Zeit schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die sich bereits am Arbeitsmarkt mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit abbilden, haben auf den Prüfungsmarkt im Meister- und Befähigungsbereich bisher nur leichte Auswirkung“, betont Christian Kolbl, neuer Leiter der Meister- und Lehrlingsstelle in der steirischen Wirtschaftskammer.

Erhoben wurden – vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft – auch diesmal die Motive für die Ablegung einer Meister- oder Befähigungsprüfung: Bei den Steirerinnen und Steirern ist das meistgenannte Motiv die Steigerung der fachlichen Kompetenz (trifft auf 69 Prozent stark zu, auf 24 Prozent eher zu), gefolgt von der Aussicht auf eine bessere Position am Arbeitsmarkt bzw. einer besseren Position im eigenen Unternehmen. Auch die Gründung eines eigenen Unternehmens ist für viele zentral: Auf über 40 Prozent treffe das stark zu und auf knapp 20 Prozent eher zu.