Halle 12 des Magna-Werks in Graz, ein kleines Elektromobil findet seinen Weg durch die Manufaktur, in der zuletzt – offiziell werden keine Zahlen genannt – rund 40.000 Mercedes G jährlich für die ganze Welt produziert wurden. Ralf Dunkel, General Manager der Geschäftsunit G bei Magna Steyr, sitzt am Steuer des Elektrocarts und fährt mit uns durch die Produktionshalle. 30.000 Quadratmeter emsige Betriebsamkeit, Arbeitsprozesse, die auf den Sekundentakt genau geplant sind. Teile, Rahmen, Karosserie finden auf den drei Arbeitslinien wie von Zauberhänden zusammen, begleitet von den Mitarbeitern. Mit der Karosserie, die aus Halle 2 kommt, beginnt das ganze Spektakel.

100 Prozent Handwerkskunst

Die Grunddarstellung: drei Hauptlinienabschnitte, mehrere Nebenschauplätze. Dunkel fährt parallel zu Linie eins und erzählt stolz: „Bis auf das Thema Prozesssicherheit und Prozessstabilität, wo wir zum Beispiel Klebeapplikationen mittels Roboter automatisiert darstellen, ist alles 100 Prozent Handwerkskunst.“

Die lackierten Karosserien kommen also in die Halle 12 und werden auf einen flachen, gelben Transportwagen gesetzt, der manuell und mittels Kettenzug bewegt werden kann. Erste wichtige Station: Die Türen werden abgeschlagen, aber Rückwandtür und Motorhaube verbleiben am Fahrzeug. Die Türen wandern mittels eigenen Transportsystems in eine Türvormontage und werden auf die Sekunde genau wieder der richtigen Karosserie zugeordnet.

Legenden der G-Klasse: Andrea Maier (Qualitätssicherung) und Gerhard Rappold (Teamleiter, Chassisbereich) sind zwei der „Legenden“, die hier gar „nicht mehr wegwollen“
Legenden der G-Klasse: Andrea Maier (Qualitätssicherung) und Gerhard Rappold (Teamleiter, Chassisbereich) sind zwei der „Legenden“, die hier gar „nicht mehr wegwollen“ © Peter Reiter

Einzelteile und Bausteine

Im ersten Linienabschnitt beginnen die Mitarbeiter mit dem Innenausbau und mit Leitungsmontagen, ehe man Richtung Hauptlinienabschnitt abbiegt. Wie Bausteine werden Einzelteile vormontiert, wie etwa beim Cockpit. „Das unterstreicht den Manufakturcharakter“, so Dunkel.

Ein wesentliches Element eines Geländewagens ist der Leiterrahmen, dessen Produktionsprozess parallel zur Hauptlinie verläuft. Komponenten wie der Tank finden in die Konstruktion, genauso wie die Kardanwelle. Langsam bekommt man eine Ahnung vom fertigen Fahrzeug. Am Ende der Linie sehen wir eine kleine Motorvormontage, die Motoren werden von Mercedes in Deutschland angeliefert. Sie werden in den Rahmen eingebracht. Am Ende von Bandabschnitt eins ist der Rahmen fertig. Fünf, sechs Menschen arbeiten an je einem Auto, jeder Handgriff sitzt.

Die Hochzeit steht an

Mittels spezieller Fördertechnik gleiten die Karosserien auf die Hauptlinie, genauso wie die Rahmen, die auf eine Fördertechnik setzen, mit der man unterschiedliche Arbeitshöhen und unterschiedliche Achsabstände generieren kann, um verschiedene Optionen/Sondermodelle zu realisieren. Die Türen finden jetzt wieder zur Karosserie, der Rahmen und die Karosserie feiern die sogenannte Hochzeit, wie das im Produktionsjargon ausgedrückt wird. Mit acht Schrauben wird diese Beziehung für die Ewigkeit besiegelt. „Das hält, und wie“, lacht Dunkel.

Über 500.000 G gebaut

Wie lange braucht es eigentlich, bis ein G fertig ist? Dunkel spricht von unterschiedlichen Modellen, Lacken und Phasen und will sich nicht festlegen. Also werfen wir den Rechencomputer an: Wenn man mit 40.000 Mercedes G jährlich rechnet, wären das 131 G pro Tag (Sonntage, Urlaube abgezogen, mit rund 300 Tagen berechnet). Bisher wurden hier, seit 1979, über 500.000 G im Grazer Werk gebaut.

Narrisch stolz ist man auf die hauseigene Flexibilität, auf Anfragen für Produktionserhöhungen oder kleine Sonderserien-Volumina schnell reagieren zu können. Auch der elektrische G wird ab 2025 auf den gleichen Produktionslinien wie der Verbrenner-G gefertigt.

Feinarbeit und Manufakturcharakter: Magna und die G-Klasse
Feinarbeit und Manufakturcharakter: Magna und die G-Klasse © Peter Reiter

Legenden der G-Klasse

Nach der Hochzeit steht der weitere Innenausbau an, und die detailreiche Außenarbeit. Auf dem dritten Bandabschnitt beginnt der Einbau der Sitze. Magna Steyr verfügt über eine eigene Sitzfertigung und eine eigene Näherei. Dann warten die Befüllanlagen (Klima, Scheibenflüssigkeit) sowie die Reifenmontage und die Feinarbeit. Erst dann darf der neue G auf die Prüfstände zum letzten Check, bevor er in die große, weite Welt fährt.

Die Zusammengehörigkeit zum und für das G-Projekt spüre man bei den Mitarbeitern. „Beim G bleiben die Mitarbeiter über Jahrzehnte. Wir haben sogar eine eigene Wand für die Legenden der G-Klasse, die so lange bei uns arbeiten. Wir sind G-Klasse, das ist eine eigene Philosophie innerhalb von Magna Steyr“, so Magna-Marketing-Chef Kurt Bachmaier. Andrea Maier (Qualitätssicherung) und Gerhard Rappold (Teamleiter, Chassisbereich – siehe oben) sind zwei der „Legenden“, die hier gar „nicht mehr wegwollen“.