Ohne Sicherheitscheck geht hier nichts. Zwölf Minuten Videounterweisung, Testfragen beantworten, den Arbeitsanzug überstreifen, Sicherheitsschuhe anziehen, Helm, Schutzbrille, Handschuhe. Die Fluchtmaske gibt es zum Schluss - eine mehr als faustgroße, schwere Plastikkapsel. Wenn in einer Raffinerie einmal etwas schief läuft, kann es brandgefährlich werden.

Schwechat. Wichtigster Produktionsstandort der OMV. Die Anlage ist riesig, der Fußweg bis zu jenem „kleinen“ Teil, wo Flugbenzin hergestellt wird, führt über schnurgerade Straßen. Traktoren rattern über die Asphaltpisten „A“, „B“, „C“ oder „D“, über denen sich Gebirge von Edelstahlrohren türmen.

Nichts riecht hier nach Sprit. Und auch nichts nach altem Speiseöl. Um das geht es bei diesem Besuch, um „UCO“, Used Cooking Oil. Zweimal pro Woche bringt ein Tankwagen Nachschub, erklärt OMV-Prozessingenieurin Sonja Platzer-Ozenil. Gelagert wird es in zwei Tanks, bevor es im Zuge der Kerosinproduktion zu Sustainable Aviation Fuel, kurz SAF, umgewandelt wird.

SAF ist der Sprit, von dem die Airlines in der EU ab 2025 zwei Prozent in ihre Tanks füllen müssen. Der Anfang immer höherer Quoten und wohl neuer Investitionsketten. Die OMV wollte ganz vorne dabei sein. Platzer-Ozenil löste in wenigen Monaten alle Fragen, wie Frittieröl der Kerosin-Produktion zugesetzt werden kann. Über das Co-Processing ist in dieser Anlage ein Anteil von 0,5 Prozent SAF am Kerosin möglich.

„Wir arbeiten daran, die SAF-Produktion signifikant hochzufahren,“ sagt OMV-Topmanagerin Nina Marczell, verantwortlich für Treibstoff-Industrieverkauf. „SAF wird ein stark nachgefragtes Produkt sein.“ Technisch sei schon heute die SAF-Produktion auf hundertprozentiger Basis von biogenen Rohstoffen wie etwa Altspeiseöl in Großanlagen möglich. Genauso wie SAF im Power-to-Liquid-Verfahren aus „grün“ produziertem Wasserstoff und CO2 aus hergestellt werden kann.


Die OMV will 2030 rund 1,5 Millionen Tonnen Diesel, Kerosin und Chemieprodukte nachhaltig produzieren. Marczell: „Dahinter steht eine konkrete Projektpipeline.“ Ob wieder Schwechat die erste Adresse für eine Anlage im großen Stil wird? Auch andere Standorte seien möglich, das Zusammenspiel von Technologie und Standort entscheide schließlich über die Effizienz der Anlage. Funktioniert die Nutzung von Altspeiseöl auf Dauer? Grundsätzlich gebe es hier noch „Riesenpotenzial,“ so Marczell. Langfristig könnten biogene Rohstoffe aber nicht den gesamten Kerosinbedarf decken.

OMV-Topmanagerin Nina Marczell
OMV-Topmanagerin Nina Marczell © OMV

Die Positionierung als einer der ersten europäischen SAF-Anbieter hat aus Sicht der OMV geklappt: Es gibt bereits Abnahmeerklärungen mit mehreren Airlines. 160.000 Tonnen SAF will etwa die Billig-Airline Ryanair bis 2030 beziehen. Die AUA-Lufthansa-Gruppe hatte sogar für 800.000 Tonnen eine Absichtserklärung abgegeben. War 2022 die AUA in der ersten Reihe der Abnehmer gestanden, bekommt jetzt die Ryanair 500 Tonnen geliefert.

„Jeder Schritt ist wichtig“

Ryanair-Nachhaltigkeits-Direktor Steven Fitzgerald ist für eine Stippvisite gekommen. Ob die nur 0,5 Prozent kleine SAF-Quote nicht Greenwashing sei? „Man muss einfach einmal irgendwo anfangen, jeder Schritt ist wichtig,“ antwortet er. SAF gilt neben neuen Flugzeugen als ein Schlüssel zu Dekarbonisierung des Airline-Sektors. „Dass die EU die Hälfte der Preisdifferenz zum fossilen Kerosin übernehmen wird, ist attraktiv,“ so Fitzgerald. SAF sei zwei- bis dreimal so teuer wie Kerosin und die Verfügbarkeit teilweise schwierig. Ryanair tankt SAF nicht nur in Österreich, sondern auch an Flughäfen in Frankreich, den Niederlanden, Schweden und Norwegen. Noch fehle harte Konkurrenz. „Das Preislevel würde ich harmonisch nennen, das meiste liefert der Neste-Konzern.“

Die finnische Neste gilt als großer Spieler im Markt, sie kooperiert mit vielen, auch mit der riesigen Emirates-Gruppe. Anfang 2023 wurde bei einem Testflug mit einer Emirates-Boeing 777-300ER ein Triebwerk nur mit SAF geflogen. Insgesamt passen die ehrgeizigen Wachstumspläne der Airline-Industrie und die SAF-Verfügbarkeit aber noch bei Weitem nicht zusammen. Derzeit ermöglichen vor allem neue Flieger die Ausweisung geringerer CO2 -Emissionen pro Passagier, in Summe dürften die CO2 -Emissionen des Sektors trotzdem weiter massiv steigen.

Die Ryanair will 2030 mit 12,5 Prozent SAF fliegen. Hunderte neue Jets sind bestellt. Darunter 300 Boeing 373 MAX-10, die 20 Prozent weniger CO2 ausstoßen bei 20 Prozent mehr Passagieren. „Die Triebwerkshersteller arbeiten bereits an noch besseren Aggregaten,“ sagt Fitzgerald. „Dann könnten weitere 20 Prozent möglich sein.“

Geforscht wird an ganz neuen Antrieben: Rolls-Royce testete mit EasyJet erfolgreich eine Turbine, die Wasserstoff direkt verbrennt. Sollte Fliegen irgendwann so funktionieren, hält die OMV mit. In Schwechat wird künftig nämlich auch „grüner“ Wasserstoff produziert.